| # taz.de -- Verfassungsgericht zu Antifa-Protesten: Blockaden gegen rechte Demo… | |
| > Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Beschwerde eines linken | |
| > Demonstranten ab. Die Verhinderung anderer Demos dürfe durchaus bestraft | |
| > werden. | |
| Bild: Antifaschismus auf vier Buchstaben, gegen Fundis und Faschos, hier 2015 i… | |
| Wer mit einer friedlichen Sitzblockade eine andere Demonstration verhindern | |
| will, macht sich zurecht strafbar. Das entschied das | |
| Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzbeschluss. Die entsprechende | |
| Strafnorm verstoße nicht gegen das Grundgesetz. | |
| Im April 2015 traf sich [1][die reaktionär-katholische Pius-Bruderschaft] | |
| in Freiburg und plante einen "Marsch für das Leben" in der Innenstadt. Ein | |
| linkes Bündnis wollte das unter dem Motto "Piusbrüder aufmischen, | |
| blockieren, abschaffen" verhindern, insbesondere weil die Vereinigung | |
| Schwangerschaftsabbrüche bekämpft und Homosexuelle ablehnt. Am Tag der | |
| Pius-Demo setzten sich rund 70 Personen in mehreren Reihen in die | |
| Durchgänge des Freiburger Martintors und hielten die rechte Demo damit auf. | |
| Polizeiliche Aufforderungen, den Weg freizumachen, wurden ignoriert, | |
| schließlich [2][löste die Polizei die Protestversammlung auf]. | |
| Wer sitzenblieb, bekam ein Strafverfahren, unter anderem ein 31-jähriger | |
| Physiotherapeut, der sich als Antifaschist bezeichnet. Die angebotene | |
| Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage lehnte er ab. Schließlich | |
| wurde er wegen grober Störung einer Versammlung nach Paragraf 21 | |
| Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 200 Euro (10 Tagessätze à 20 | |
| Euro) verurteilt. | |
| Gegen diese Verurteilung erhob der Physiotherapeut mit Unterstützung der | |
| Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) eine Verfassungsbeschwerde. Die | |
| Geldstrafe verletze ihn in seiner Versammlungsfreiheit, schließlich habe er | |
| friedlich gegen die Piusbrüder protestiert. Paragraf 21 dürfe nicht auf | |
| gewaltfreie Sitzblockaden angewandt werden, insbesondere nicht vor einer | |
| ausdrücklichen polizeilichen Auflösung. Das Bundesverfassungsgericht lehnte | |
| die Klage nun aber ab. | |
| ## Richter: Genug andere Protestformen möglich | |
| Die Karlsruher Richter:innen stellten zunächst klar, dass sich die | |
| Gegenprotestler durchaus auf die Versammlungsfreiheit berufen konnten. Die | |
| Sitzblockade habe ein eigenes kommunikatives Anliegen gehabt, wie sich aus | |
| Sprechchören und Transparenten ergab. Dort stand zum Beispiel "Kein Gott, | |
| kein Staat, kein Patriarchat" oder [3]["Eure Priester sind so schwul wie | |
| wir"]. Erst mit der Auflösung der Sitzblockade durch die Polizei habe der | |
| Grundrechtschutz geendet, so der Karlsruher Beschluss. | |
| Doch zugleich mahnte das Bundesverfassungsgericht: Dass die Protestierenden | |
| grundrechtlich geschützt sind, heiße nicht, dass sie machen können, was sie | |
| wollen. Sie müssten sich an die Gesetze halten, insbesondere wenn diese dem | |
| Schutz anderer dienen, wie das Verbot, fremde Kundgebungen zu verhindern | |
| oder grob zu stören. Ausdrücklich heißt es in dem Karlsruher Beschluss: "Es | |
| ist für den Prozess der freien Meinungsbildung in einem demokratischen | |
| Gemeinwesen von zentraler Bedeutung, dass das Recht, seine Meinung | |
| gemeinschaftlich mit anderen öffentlich kundzutun, nicht zum Mittel wird, | |
| um Menschen mit anderen Überzeugungen an der Wahrnehmung desselben Rechts | |
| zu hindern." | |
| Grundrechtsschutz bedeutet letztlich nur, dass das Bundesverfassungsgericht | |
| kontrolliert, ob der Eingriff verhältnismäßig war. Paragraf 21 sei auch | |
| verhältnismäßig, so die Richter:innen, da als "grobe Störung" nur bestraft | |
| werden kann, wenn jemand die ursprüngliche Versammlung "verhindern", | |
| "sprengen" oder "sonst ihre Durchführung vereiteln" will. Für Proteste gebe | |
| es genügend rechtmäßige "verbale und non-verbale" Ausdrucksformen. | |
| Der 49-seitige Senatsbeschluss verändert nicht die Rechtslage, sondern | |
| bestätigt sie, indem er Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Paragraf 21 | |
| beseitigt. Das Netzwerk "widersetzen.com", das seit Frühjahr 2024 | |
| bundesweit Blockaden gegen rechte Aufmärsche und Veranstaltungen | |
| organisiert, versteht seine Aktionen ebenfalls als "zivilen Ungehorsam", | |
| also als gezielte Gesetzesverletzung. | |
| Az.: 1 BvR 2428/20 | |
| 13 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Piusbrueder-schliessen-Williamson-aus/!5081045 | |
| [2] /Polizei-Techniken-gegen-Sitzblockaden/!6092363 | |
| [3] /Kommentar-Homosexualitaet-im-Vatikan/!5235036 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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