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# taz.de -- Frühere UN-Klimachefin im Interview: „Das Pariser Klimaabkommen …
> Der Klimavertrag wird 10 Jahre alt. Christiana Figueres gilt als eine
> seiner Architekt*innen. Der Klimawandel eskaliert. Ist sie gescheitert?
Bild: Eisbären for Future: Klimaprotest 2015 in Paris, während die Klimakonfe…
taz: Das Pariser Klimaabkommen wird in diesem Jahr 10 Jahre alt, aber die
Emissionen steigen weiterhin und wir sind immer noch nicht auf einem Pfad,
der mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar ist. Warum funktioniert das Abkommen
nicht so, wie es sollte?
Christiana Figueres: Das Pariser Klimaabkommen funktioniert. Schauen wir
uns einmal die Zahlen an: Ja, die Emissionen steigen noch, aber deutlich
geringer als vor dem Pariser Klimaabkommen. In den 10 Jahren vor Paris sind
die Emissionen um 18 Prozent gestiegen, in den 10 Jahren seit dem Abkommen
um 1 Prozent.
taz: Aber das 1,5 Grad-Ziel verfehlen wir trotzdem.
Figueres: Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir vor dem Pariser
Klimaabkommen auf eine Erderwärmung zwischen 4 und 6 Grad Celsius
zugesteuert sind, was einer Katastrophe gleichgekommen wäre. [1][Jetzt
befinden wir uns auf dem Pfad für 2,3 bis 2,6 Grad Celsius Erderwärmung].
Wir sehen also definitiv Fortschritte.
taz: Ihr entscheidender Kniff beim Pariser Klimaabkommen war es, auf
Strafen für die teilnehmenden Länder zu verzichten. Denken Sie, dass das
der richtige Ansatz war?
Figueres: Absolut! Im Kyoto-Protokoll wurden Strafen für Industrieländer
festgelegt, die ihre Emissionsminderungsziele verfehlen. Als Kanada seine
Ziele nicht erreicht hat und eine große Strafe hätte zahlen müssen, ist es
aus dem Abkommen ausgestiegen. Jede Nation ist souverän, das ist ein
Grundprinzip der Vereinten Nationen. Das Pariser Klimaabkommen setzt
deshalb darauf, dass die Länder ein Eigeninteresse daran haben, ihre
Emissionen zu senken.
taz: Worin besteht das Eigeninteresse?
Figueres: Drei Viertel der Weltpopulation leben in Ländern, die aktuell vom
Import fossiler Energieträger abhängig sind. Mit Erneuerbaren müssen die
Länder nur einmalig die Technologie importieren und können dann ihre eigene
Energie erzeugen. Vor allem die Länder des Globalen Südens, die über 70
Prozent des Potenzials für Solar- und Windenergie verfügen, können dadurch
endlich energetisch unabhängig werden.
taz: Die USA sind im Januar trotz allem [2][wieder aus dem Pariser
Klimaabkommen ausgetreten]. Macht Ihnen das keine Sorgen?
Figueres: Die USA sind nicht nur aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten,
sondern auch aus der elektrotechnischen Revolution. Das heißt aber nicht,
dass die Revolution zum Stillstand kommt oder sich gar abschwächt. Denn
während sich die USA zurückziehen, [3][hat China darin eine große Chance
erkannt und nutzt diese noch aggressiver als zuvor]. Unter einer neuen
Regierung werden sich die USA jedoch in einer sehr schwierigen Lage
befinden. Sie werden dann sehen müssen, inwiefern sie mit dem Rest der Welt
mithalten können.
taz: Sie haben auch einige Jahre in Deutschland gelebt. Verfolgen Sie die
Diskussionen zum Klimaschutz in Deutschland?
Figueres: Ich verfolge die Diskussionen nicht im Detail, sondern eher aus
der Ferne. Aber ich denke, dass die aktuelle Regierung mit dem
Sondervermögen, das ihr zur Verfügung steht, eine unglaubliche Chance hat.
taz: Die deutsche Regierung fährt in Sachen Klima aber einen eher
unambitionierten Kurs: Kanzler Merz setzt sich zum Beispiel dafür ein, das
Verbrenner-Aus in der EU zu kippen.
Figueres: Ja, das ist in der Tat kurzsichtig, denn die Welt bewegt sich
ganz eindeutig in Richtung E-Mobilität. Vor 10 Jahren war noch 1 von 100
verkauften Autos weltweit elektrisch, heute ist es 1 von 5. Deutschland
sollte lieber versuchen, führend in dieser Technologie zu werden.
taz: Der [4][Global Tipping Points Report] legt nahe, dass die Eisschilde
ihren Kipppunkt bei rund 1,5 Grad Erderwärmung erreichen werden, 2024 lag
die Erderwärmung bei 1,55 Grad. Und Sie sind immer noch optimistisch?
Figueres: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir Menschen mit unserer
Fähigkeit, immer mehr Lösungen zu entwickeln, durchaus in der Lage sind,
den globalen Temperaturdurchschnitt wieder auf 1,5 Grad oder vielleicht
sogar darunter zu senken. Der menschliche Erfindungsgeist wurde kaum auf
die Probe gestellt. Wir befinden uns erst seit 10 Jahren in einem Prozess,
der sich über Jahrzehnte erstrecken wird. Sie und ich können unmöglich
heute wissen, was in 5 oder 10 Jahren möglich sein wird.
taz: Gerade viele junge Menschen und ihre Eltern machen sich Sorgen um die
Zukunft. Was sagen Sie denen?
Figueres: Ich werde meinem Enkel erzählen, dass wir in beängstigenden
Zeiten leben. Ich werde ihm beibringen, dass es Herausforderungen gibt, wie
es sie schon immer gab. Es ist eine große Herausforderung, aber wir haben
fortschrittlichere Technologien und uns stehen bessere Werkzeuge zur
Verfügung. Deshalb lehren wir unsere Kinder, sich zu wehren. taz: Wenn Sie
heute ein neues Pariser Abkommen verhandeln müssten, gibt es irgendwas, was
Sie anders machen würden?
Figueres: Ja, ich würde den Kohlenstoffmarkt miteinbeziehen.
taz: Obwohl er in vielen Fällen [5][weniger Klimaschutz liefert als
versprochen]?
Figueres: Ich habe in meinem Leben so viele Investitionen in
Entwicklungsländern erlebt, die zumindest teilweise dem Handel mit
CO2-Berechtigungen zu verdanken waren, dass ich ihn für einen effektiven
Weg halte, um Finanzströme aus den Industrieländern in die
Entwicklungsländer zu lenken.
taz: Artikel 6 des Paris-Abkommens schafft schon die Grundlagen dafür, die
Details wurden aber erst im vergangenen Jahr ausgehandelt.
Figueres: Ich würde bei einer neuen Verhandlung die Einigung über Artikel 6
beschleunigen, sodass wir einen universellen, hochregulierten und
hocheffizienten Kohlenstoffmarkt bekommen.
12 Nov 2025
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## AUTOREN
Marisa Becker
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