| # taz.de -- Nach Massaker in Sudan: 250.000 Menschen spurlos verschwunden | |
| > Ende Oktober verübte die RSF-Miliz im westsudanesischen El Fasher ein | |
| > Massaker an rund 2.000 Zivilisten. Wer entkommen konnte, floh. Doch | |
| > wohin? | |
| Bild: Eine Frau, die aus El Fasher geflohen ist, ruht sich in einem Lager in Ta… | |
| taz | „Es ist sehr schockierend“, so Shashwat Saraf, Landesdirektor für | |
| Sudan des Norwegischen Flüchtlingsrates (NRC) gegenüber der taz: | |
| „Ursprünglich hatten noch rund 260.000 Menschen in El Fasher ausgeharrt, | |
| doch bisher sind nur 6.000 hier bei uns angekommen. Ich befürchte, wir | |
| wissen nicht, wo die restlichen 254.000 sind.“ | |
| Saraf sitzt in einem klimatisierten Containerbüro im Flüchtlingslager von | |
| Tawila vor dem Computer – einem der wenigen mit Internetverbindungen in | |
| Darfur. Tawila war vor Kriegsbeginn 2023 eine Kleinstadt. Mittlerweile | |
| beherbergt das Vertriebenenlager bis zu 650.000 Menschen. Bereits im April, | |
| als die Milizen der Rapid Support Forces (RSF) das Lager ZamZam am | |
| Stadtrand von El Fasher zerstört hatten, waren die Menschen nach Tawila | |
| geflohen. | |
| Täglich kommen nun wieder Leute aus El Fasher an. Die RSF nahm die letzte | |
| Hochburg der sudanesischen Regierungsarmee in Darfur [1][am 26. und 27. | |
| Oktober ein] und beging [2][ein Massaker] an rund 2.000 Zivilisten. | |
| Diejenigen, die entkommen konnten, flohen auch diesmal. Wieviele es genau | |
| waren, ist unklar. | |
| „Es ist erschreckend, in welchem Zustand sie sind“, seufzt Saraf. Man sieht | |
| ihm die Betroffenheit in der Videoschalte förmlich an. „Wir sind damit | |
| beschäftigt, die Leute zu registrieren und ihnen etwas Geld und | |
| psychologische Hilfe zu geben“, so Saraf: „Doch was uns wirklich Sorgen | |
| bereitet, ist die große Zahl an Menschen, von denen wir nicht wissen, wo | |
| sie sich nun aufhalten.“ | |
| ## Satellitenbilder zeigen verscharrte Leichen | |
| 75 Kilometer liegen zwischen El Fasher und Tawila – unwegsames Gelände | |
| durch die Wüste. Die Befürchtung steht im Raum, dass viele zu schwach | |
| seien, um es zu schaffen. „Rund 18 Monate lang war El Fasher zuvor | |
| belagert“, erklärt Mathilde Vu von NRC. „Hunger wurde als Kriegswaffe | |
| eingesetzt.“ Der Weg nach Tawila sei vor allem für Frauen und Kinder zu | |
| weit, um ihn zu Fuß zu bewältigen. | |
| Einige hätten ihre letzten Vorräte eingetauscht, um von Fahrzeugen | |
| mitgenommen zu werden. Diejenigen, die es bis nach Tawila schafften, | |
| berichten, dass sie auch auf der Flucht von der RSF angegriffen wurden: | |
| „Einige erzählen, sie seien auf Knien und Ellenbogen tagelang durch die | |
| Wüste gerobbt, um nicht von der RSF entdeckt zu werden“, so Vu. | |
| [3][Satellitenaufnahmen] zeigen: Die RSF hat offenbar rund um El Fasher | |
| Erdwälle ausgehoben, um die Menschen an der Flucht zu hindern. | |
| Satellitenbilder vom Donnerstag, die [4][Forensikexperten der | |
| US-Universität Yale] analysiert haben, lassen darauf schließen, dass die | |
| RSF nahe den Erdwällen in den vergangenen Tagen im großen Stil Leichen | |
| verbrannt und die Wälle dann zugeschüttet hat. Die Satellitenbilder zeigen | |
| schwarzen Rauch und im Kontrast weiße Objekte am Boden, „die von ihren | |
| Umrissen her Leichen sein könnten“, so deren Bericht. | |
| Dies erschwere künftige Bemühungen, „die Zahl der seit dem Fall von | |
| El-Fasher Getöteten zu ermitteln und die sterblichen Überreste zu | |
| identifizieren und an die Familienangehörigen zurückzugeben“, so die | |
| Forensiker. | |
| ## Drei Tage bis Kinder ansprechbar waren | |
| Diejenige, die es nach Tawila geschafft haben, leben dort nun unter | |
| extremen Bedingungen. „Es gibt hier nicht einmal Seife“, so Saraf. Die | |
| Menschen hausen unter freiem Himmel, Hilfsorganisationen händigen ihnen aus | |
| Mangel an Hilfsgütern Bargeld aus, „doch es gibt nur sehr wenig zu kaufen“, | |
| räumt Saraf ein. | |
| Cholera sei ausgebrochen, viele sterben jetzt aus Schwäche an Malaria. NRC | |
| unterstütze zudem die psychosoziale Betreuung der schwer traumatisierten | |
| Kinder, die in Tawila ankommen. „Die Lehrer*innen berichten uns, dass es | |
| drei Tage benötige, bis die Kinder ansprechbar seien“, so Sarafs Kollegin | |
| Vu. | |
| Es sind nur wenige Hilfsorganisationen in Tawila aktiv: neben NRC auch | |
| Ärzte ohne Grenzen sowie das International Rescue Committee (IRC). Sie alle | |
| profitieren von der Lage, dass Tawila nicht [5][unter RSF-Kontrolle] sei, | |
| erklärt Arjan Hehenkamp, IRC-Krisenleiter für Darfur, gegenüber der taz. | |
| Der Ort am Rande der Jebel Marra Berge liege im Einflussgebiet der | |
| SLM-Miliz (Sudan Liberation Movement), die sich aus Kämpfern aus den | |
| lokalen Ethnien Darfurs rekrutiert und weder mit der RSF noch mit Sudans | |
| Armee verbandelt ist. Doch: „Wir fürchten derzeit, dass Tawila aufgrund der | |
| Präsenz der Hilfswerke ebenso zu einem fruchtbaren Ziel der RSF werden | |
| könne.“ | |
| ## Die Suche nach Vermissten | |
| IRC versucht, die Vermissten zu finden. In den vergangenen Tagen hätten | |
| IRC-Teams die Umgebung abgesucht. Ohne Erfolg. „Wir versuchen zu verstehen, | |
| wo sich die 100.000 bis 200.000 Menschen befinden“, so Hehenkamp: „Bisher | |
| konnten wir jedoch ihren Aufenthaltsort nicht ermitteln.“ | |
| Besorgniserregend sei, dass viele Kinder ohne Eltern ankämen, rund 170 | |
| allein in den letzten Tagen. Hehenkamp kann sich dies nur so erklären: „Es | |
| gibt einige Transportmöglichkeiten, die von bewaffneten Gruppen gegen | |
| Bezahlung angeboten wurden.“ Die RSF hatte für den Sturm auf El Fasher | |
| zahlreiche Milizen zur Unterstützung angeheuert, diese seien jetzt mit | |
| Lastwagen auf dem Rückweg in ihre Stammregionen. Kinder berichten, sie | |
| seien umsonst transportiert worden – hätten aber ihre Eltern zurücklassen | |
| müssen. | |
| Immerhin, Saraf von NRC kann ein wenig Positives berichten: „Ich habe einen | |
| Vater getroffen, der auf der Flucht seinen Sohn verloren und ihn in Tawila | |
| wiedergefunden hat“, berichtet Saraf: „Wenn man auf der einen Seite Tränen | |
| und auf der anderen Seite die Freude über das Wiedersehen sieht“, so Saraf: | |
| „Dann ist das etwas, das einen nie wieder loslässt.“ | |
| 7 Nov 2025 | |
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| [3] /Krieg-im-Sudan/!6125943 | |
| [4] https://medicine.yale.edu/lab/khoshnood/publications/reports/ | |
| [5] /Krieg-in-Sudan/!6127255 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
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