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# taz.de -- Reise nach Afghanistan: Die Faszination extremer Orte
> An der Grenze zu Afghanistan muss sich unsere Autorin eingestehen: Der
> Reiz des Verbotenen lässt sie nicht los.
Bild: Tourist:innen beim Einkaufen auf einem Markt in Herat, Afghanistan, am 17…
Die Männer sehen aus wie in den Auslandsnachrichten meiner Kindheit:
Rauschebärte, knielange Gewänder und weite Hosen, schwere Westen und runde
Kopfbedeckungen. Nur die Waffen, die damals viele Afghanen in der
„Tagesschau“ trugen, fehlen. Ich bin auf einem Markt in Tadschikistan, an
der Grenze zu Afghanistan. Seit 2024 ist er wieder für beide Seiten offen,
und viele Afghanen kommen für Kauf und Verkauf, für Gemüse, Teppiche,
Kleidung, Haushaltswaren, sogar Babywiegen. Ich schaue auf die Männer.
Afghaninnen sind keine hier, sie dürfen nicht.
Kaum ein Land wird so exotisiert, ist so bedrohlich konnotiert wie
Afghanistan. Es fühlt sich surreal an, ihm so nahe zu sein. Ich schäme mich
für meine Faszination, aber kann mich nicht entziehen. Über den reißenden
Fluss Pandsch sieht man dem Leben drüben zu: Menschen, die vor Lehmhäusern
Gemüse anbauen, einsame Mopeds oder Eselskarren auf einer Staubpiste. Der
[1][Wohlstandsunterschied zu Tadschikistan ist heftig]. Und auf alle,
scheint es, hat der Grusel des Gottesstaats eine Wirkung. Die
Tadschik:innen sprechen oft über Afghanistan als Horrorvision. Aber sie
erzählen auch, dass viele Afghanen zufrieden seien. Die Taliban würden
aufräumen, bei Korruption, bei säumigen Schuldnern. Die Frauen, gewiss,
[2][seien nicht zufrieden].
Auch unter Reisenden ist Afghanistan ein großes Thema. Denn viele
[3][kommen direkt von dort], teils sogar mit Kindern. Im Hostel hängen alle
an ihren Lippen, wenn sie erzählen. Von Tourist:innen, die trotz Verbots
Taliban fotografierten, und dem Guide, der dafür mit dem Tod bedroht wurde.
Vom Gefühl der Gesetzlosigkeit, weil ein Talib einen jederzeit erschießen
könne. Von atemberaubender Schönheit. Dass sie naiv waren, worauf sie sich
einließen, dass es schlimm und auch gut war.
Als ich Deutschen daheim von diesem Tourismus berichte, reagieren sie
empört. Und fragen doch lange nach. Sie haben recht: Tourismus, der aus
Grauen einen Kick zieht, ist entmenschlichend. Aber die Faszination für
verschlossene Orte kann ich verstehen. Und ist es so viel ethischer, die
Neofaschisten in Italien, [4][die Diktatur in Ägypten] oder ein
Steuerparadies in der Karibik mitzufinanzieren?
Riskante Reisen funktionieren dennoch anders als das konsumorientierte, sie
kopieren die Tradition der imperialen Eroberung. Entdecker, die im Packeis
erfroren, Extrembergsteiger:innen, adrenalingetriebene
Kriegsreporter:innen und Familienurlaub in Afghanistan, das entspringt
einer Wurzel: der Gier, sich Zutritt zu extremen Gebieten zu verschaffen.
Thrill durch Risiko. Es hat sehr unangenehme Subtexte. Aber ich würde
lügen, würde ich sagen, es wäre mir fremd.
8 Dec 2025
## LINKS
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[3] /Deutscher-Travelcontent-aus-Afghanistan/!6112980
[4] /Repression-in-Aegypten/!6021754
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Reisen
Schwerpunkt Afghanistan
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