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# taz.de -- Neuer Münster-„Tatort“: Das Krimi-Rad nicht neu erfunden
> Der „Tatort“ aus der Fahrradstadt Münster lebt von seinem Ensemble-Charme
> als Rückgrat. Die Mordfälle sind da auch diesmal nur die Bandscheiben.
Bild: Prof. Karl Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, l.) und Kommissar Frank T…
Forensik, das ist ja die Rekonstruktion des Geheimnisvollen mithilfe von
nüchternen Methoden. Wenn es also zum Beispiel dazu kommt, dass jemand tot
in einer Tiefkühltruhe liegt, dann darf die gewöhnliche Beobachterin
sogleich aufs Kreativste herumfantasieren, wie es dazu gekommen sein
könnte. Die Forensikerin dagegen wartet lieber erst mal ab, bis der gute
Mann aufgetaut ist, bevor sie irgendwelche Schlussfolgerungen zieht.
Diese Woche sind in Münster gleich drei Geheimnisvolligkeiten aufs
Nüchternste zu rekonstruieren. Erstens ist da die schon erwähnte gefrorene
Leiche. Zweitens ein über hundert Jahre altes Dokument, von dessen Echtheit
die Ehre der Stadt Münster abhängt. Das dritte ist die Familie Hobrecht, zu
der sowohl Dokument als auch Leiche gehören, und deren Mitglieder alle
irgendetwas zu verbergen scheinen.
Das Ganze hat übrigens mit Fahrrädern zu tun, was aber eine Nebensache ist
– als Münsteraner Lokalklischee charmant, ansonsten nicht weiter wichtig.
Der entscheidende Punkt ist, wir haben es mit einem Familienunternehmen zu
tun und in ebendem mit einer Unternehmerfamilie, und deren größtes Ekel ist
nun also tot und tiefgefroren. Forensiker Boerne und Kommissar Thiel gehen
den Fall gewohnt geradeheraus analytisch an, während Staatsanwältin Klemm
sich ausnahmsweise mal heimlich mit dem Herzen verstrickt.
Die Sache hat den üblichen harmlosen Charme, den [1][der beliebteste
deutsche Tatort] verlässlich aus seinem Ensemble bezieht. Der „Tatort“ in
Münster lebt als Forensik-Tatort von der Situationskomik der Gegensätze.
Leidenschaft versus Wissenschaft, heile Münsterwelt versus Mord und
Totschlag, Klassendünkel gegen Bodenständigkeit. Das funktioniert und
erfreut sich größter Beliebtheit seit über 20 Jahren, also warum sollte man
an der Formel irgendwas ändern? Da müsste man ja quasi das Rad neu …
hoppla! Sind Räder am Ende doch keine Nebensache?
## Zusammen strahlen
Jan Josef Liefers spielt Gerichtsmediziner Boerne als den ins Komische
verzerrten abgehobenen und weltfremden Professor, dessen Ego immer in
irgendeiner peinlichen Lage zurechtgestutzt wird (dieses Mal muss er wegen
verlorenen Führerscheins Rad fahren), Axel Prahl gibt als Gegenpart den
hemdsärmeligen Softie Thiel. [2][Mechthild Großmann] als Staatsanwältin
Klemm macht das Dreieck komplett in der Rolle der knallharten Bossin.
Und während alle drei Figuren strahlen, würden sie alleine für sich keinen
Sinn ergeben. Ein Boerne-Solo-Spin-off wäre so platt wie unerträglich. So
bilden die drei das Rückgrat der Reihe, in dem die Mordfälle nichts weiter
sind als die Bandscheiben. Wie gesagt, es gibt gar keinen Grund, an dieser
Formel irgendetwas zu rücken. Umso erstaunlicher, dass am Ende dieser Folge
ein Abschied steht. Was nun? Muss Westfalen am Ende das Rad dann doch … na,
Sie wissen schon!
Aber was war nun eigentlich mit dem Mann in der Tiefkühltruhe? Ganz
einfach, der war reich, cholerisch, gewalttätig, rachsüchtig und eitel,
weshalb genau jede und jeder der Hobrechts ein Motiv hätte. Obendrein liebt
es diese Familie von Exzentriker*innen, allen um sich herum etwas
vorzuspielen. Und wenn man in der Welt des Krimis eines lernt, dann dass
man Leuten und dem, was sie über sich erzählen, nicht trauen sollte.
Deswegen muss die Sache forensisch nüchtern geklärt werden. Das hätte
übrigens von Anfang an allen Beteiligten viel erspart.
7 Dec 2025
## LINKS
[1] /Neuer-Muenster--Tatort/!6077222
[2] /Yasmina-Reza-Stueck-in-Hamburg/!5994375
## AUTOREN
Peter Weissenburger
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