| # taz.de -- Fall Lorenz A.: Anklagegrund gegen Polizisten sorgt für Kritik | |
| > Gegen einen Polizisten im Fall Lorenz A. erhebt die Staatsanwaltschaft | |
| > Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Die Eltern von A. fordern eine Anklage | |
| > wegen Totschlag. | |
| Bild: Oldenburg, 25. April: Kundgebeung nach tödlichen Polizeischüssen auf Lo… | |
| Im Fall des getöteten Lorenz A. hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg | |
| Anklage gegen einen Polizisten erhoben. Das teilte die Behörde am Mittwoch | |
| mit. Ihm wird fahrlässige Tötung vorgeworfen, als er am Ostersonntag mit | |
| mehreren Schüssen von hinten auf den 21-jährigen Lorenz A. schoss und ihn | |
| tötete. Die Eltern von A. kritisieren hingegen den Anklagegrund. | |
| Der Polizist habe in sogenannter „Putativnotwehr“ gehandelt, heißt es von | |
| der Staatsanwaltschaft. „Ein vorsätzliches Tötungsdelikt kann dem | |
| Angeschuldigten nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht vorgeworfen | |
| werden, da er irrtümlich glaubte, sich in einer Notwehrlage zu befinden“, | |
| heißt es in der Mitteilung. | |
| Die Rechtsbeistände der Eltern von [1][Lorenz A.] kritisieren die | |
| Entscheidung: „Die Voraussetzungen der Notwehr lagen nicht vor“, heißt es | |
| in einer Stellungnahme. Die [2][Schüsse] ließen sich auch mit der Figur der | |
| Putativnotwehr nicht rechtfertigen, denn Lorenz sei von dem Beamten | |
| erschossen worden, als er sich von ihm abgewandt hatte und floh, heißt es | |
| weiter. „Es ist nicht glaubhaft, dass der Beamte in dieser Situation noch | |
| irrtümlich davon ausgegangen sein will, er werde mit einem Messer | |
| angegriffen.“ Stattdessen fordern sie eine Anklage wegen Totschlags. | |
| ## Von hinten erschossen | |
| A. wurde im April, in der Nacht auf Ostersonntag, getötet. Zuerst hatten | |
| die Türsteher einer Bar in der Oldenburger Innenstadt dem Schwarzen Lorenz | |
| A. den Einlass verweigert. Grund soll seine Jogginghose gewesen sein. Es | |
| entbrannte eine Auseinandersetzung an deren Ende A. Pfefferspray gegen die | |
| Türsteher eingesetzt haben soll. Anschließend flüchtete er durch die | |
| Fußgängerzone, wobei ihn mehrere Personen verfolgt haben sollen. | |
| Laut Staatsanwaltschaft zeigte das spätere Opfer seinen Verfolgern ein | |
| Messer und steckte es anschließend wieder ein, um sie abzuschütteln. Anders | |
| als mehrere Medien meldeten, hat [3][er es im Kontakt mit der Polizei nicht | |
| eingesetzt und auch keine Person damit angegriffen]. | |
| Bei seiner Flucht traf A. auf eine Polizeistreife und rannte an den Beamten | |
| vorbei. Dann schoss ein 27-jähriger Polizist – ohne Vowarnung. | |
| Drei der fünf Kugeln trafen A. von hinten in Kopf, Oberkörper und Hüfte. | |
| Ein vierter Schuss streifte seinen Oberschenkel. Er starb kurz darauf im | |
| Krankenhaus. | |
| ## Rechtsbeistände kritisieren Ermittlungen | |
| Die Rechtsbeistände von A.s Eltern bemängeln weiter die Ermittlungen: „Die | |
| Nebenklage wird sich dafür einsetzen, dass wichtige Ermittlungsmaßnahmen im | |
| Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden, soweit dies noch | |
| möglich ist.“ So wurden die meisten beteiligten Polizisten und | |
| Rettungskräfte nicht vernommen. Zudem sei die 3D-Rekonstruktion des Tatorts | |
| in der jetzigen Form „unbrauchbar“, heißt es von Seiten der Nebenklage. Es | |
| dränge sich „der Eindruck auf, dass man die Beamten entweder hat schonen | |
| wollen oder mit sehr gedämpftem Ermittlungseifer am Werke war.“ | |
| Gefordert wird von der Nebenklage auch, dass bei Fällen von möglicher | |
| Polizeigewalt eine unabhängige Stelle ermittelt, die nicht dem | |
| Polizeiapparat oder der Staatsanwaltschaft angehört. | |
| Denn nachdem A. von den Kugeln des Polizisten getroffen auf dem Boden lag, | |
| legten die Beamten dem Schwerverletzten Handschellen an, bevor sie Erste | |
| Hilfe leisteten. Später [4][ermittelte die Oldenburger Polizei gegen den | |
| Getöteten], was per Strafprozessordnung verboten ist. Dabei soll sie sich | |
| zudem „eng mit der Delmenhorster Polizei ausgetauscht“ haben. Die | |
| benachbarte Dienststelle war aus „Neutralitätsgründen“ mit den Ermittlung… | |
| gegen den Schützen beauftragt worden. In den Akten sei das Opfer A. | |
| teilweise als „Täter“ bezeichnet worden. | |
| ## Kein Bedauern | |
| „Weder von dem Beschuldigten selbst noch von anderen, am direkten | |
| Einsatzgeschehen beteiligten BeamtInnen wurde bis heute gegenüber den | |
| Eltern oder in der Akte ein Bedauern über Lorenz' Tod zum Ausdruck | |
| gebracht“, bemängeln sie abschließend. | |
| Auch die Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ kritisiert die Entscheidung. | |
| „Eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung ist kein Zeichen von Gerechtigkeit, | |
| sie ist ein Versuch, Verantwortung zu vermeiden“, erklärt eine Sprecherin. | |
| Die Initiative hat für diesen Samstag eine Demonstration angekündigt. | |
| Das Landgericht Oldenburg entscheidet nun über die Eröffnung des | |
| Hauptverfahrens gegen den Polizisten. | |
| 5 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Aljoscha Hoepfner | |
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