| # taz.de -- US-Vorwürfe gegen Nigeria: Trumps erfundener Völkermord | |
| > US-Präsident Donald Trump droht Nigeria mit einem Einmarsch wegen eines | |
| > angeblichen Genozids an Christen. Gründe dafür sehen Beobachter eher im | |
| > Inneren. | |
| Bild: In Nigeria hat Trumps Drohung Wellen geschlagen: Zeitungsverkäufer in La… | |
| Wie so oft, wenn US-Präsident Donald Trump etwas ins Universum schleudert, | |
| sorgt auch seine jüngste Behauptung für Aufsehen. Die These: In Nigeria | |
| würden Christen Opfer eines Genozids. In gewohnter Wildwestmanier | |
| [1][drohte Trump am Samstag dem westafrikanischen Land mit einem | |
| militärischen Einmarsch]. | |
| „Wenn die nigerianische Regierung weiterhin zulässt, dass Christen getötet | |
| werden, werden die USA umgehend sämtliche Hilfe und Unterstützung für | |
| Nigeria einstellen und notfalls militärisch in das inzwischen | |
| diskreditierte Land eingreifen, um die islamistischen Terroristen, die | |
| diese Gräueltaten begehen, zu bekämpfen“, publizierte der Staatschef auf | |
| seiner Plattform Truth Social. | |
| Weiter hieß es: „Ich ordne an, dass unser Verteidigungsministerium sich auf | |
| mögliche Maßnahmen vorbereitet. Ein Angriff wäre schnell und heftig. | |
| Warnung: Die nigerianische Regierung sollte besser rasch handeln.“ Auch | |
| zahlreiche prominente US-Persönlichkeiten haben die Behauptung eines | |
| Völkermords an Christen mittlerweile aufgegriffen. Doch die Wirklichkeit | |
| ist, wie so oft, komplexer. | |
| In Nigeria hat Trumps Drohung Wellen geschlagen. Die nigerianischen | |
| Sicherheits- und Geheimdienste fanden sich in einer Eilsitzung zusammen, um | |
| die Lage zu beraten. Das Nachbarland Tschad nahm Trumps Ansage als Anlass, | |
| seine Grenzen zu schließen. Nigerias Wirtschaftssektor ist in Panik um die | |
| Auswirkungen, die bereits die bloße Androhung eines Einmarsches auf das | |
| Vertrauen von Investoren haben könnte – inklusive fallender Aktienkurse und | |
| einer Schwächung der nigerianischen Währung Naira. | |
| ## Angriffe treffen alle Religionsgruppen | |
| Das Land habe Sicherheitsprobleme, räumte auch Nigerias | |
| Informationsminister Mohammed Idris ein, doch die Behauptung, dass | |
| überwiegend Christen Opfer von Gewalt seien, basiere auf fehlerhaften Daten | |
| und falschen Annahmen. „Ja, es gibt Christen, die angegriffen werden, aber | |
| diese Kriminellen haben es nicht auf eine bestimmte Religion abgesehen – | |
| sie greifen sowohl Christen als auch Muslime an, insbesondere im Norden des | |
| Landes“, stellte der Minister klar. | |
| Die Sicherheitslage in Nigeria, speziell im überwiegend muslimischen | |
| Norden, verschlechtert sich seit Jahren zunehmend. Mit rund 220 Millionen | |
| Menschen ist Nigeria das einwohnerstärkste Land Afrikas. Seine Bevölkerung | |
| ist nahezu gleichmäßig in Christen und Muslime unterteilt. Besonders schwer | |
| von Gewalt betroffen sind die Bundesstaaten Benue und Plateau in der | |
| nordzentralen Region. | |
| Dort töten und entführen bewaffnete Gruppen regelmäßig Menschen und | |
| zerstören Häuser, Schulen, Kliniken sowie Gotteshäuser – ganz gleich | |
| welcher Konfession sie angehören. Es sind Konflikte, die nicht allein | |
| religiös motiviert sind, sondern ebenso stark durch Landstreitigkeiten, | |
| Klimawandel, Armut und mangelhafte staatliche Kontrolle. | |
| Während im Nordosten die islamistischen Milizen Boko Haram und ISWAP wüten, | |
| sind im Nordwesten kriminelle Banden aktiv. Auch in der Middle-Belt-Region | |
| kommt es immer wieder zu tödlichen Auseinandersetzungen zwischen ansässigen | |
| Bauern und nomadisch lebenden Viehhirten. | |
| ## Keine Hinweise auf Genozid | |
| Nach Einschätzung des Konfliktbeobachtungsinstituts ACLED (Armed Conflict | |
| Location and Event Data) aber gebe es keine Hinweise auf einen Genozid an | |
| Christen. Die massenhaften Gewalttaten seien Bevölkerungs- und | |
| Religionsübergreifend. Die Römischen Statuten des Internationalen | |
| Strafgerichtshofs definieren Genozid jedoch als gezielte Handlungen, die | |
| mit der Absicht erfolgen, eine nationale, ethnische, rassische oder | |
| religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten. | |
| Warum also plötzlich Trumps Interesse an den Christen in Nigeria? | |
| Beobachter sehen darin vor allem innenpolitische Motive. Evangelikale | |
| Gruppen in den USA betonen immer wieder die weltweite Verfolgung von | |
| Christen. Ein Thema, das immer wieder gezielt zur Mobilisierung dieser | |
| Wählergruppe eingesetzt wird. Für Trump selbst dient die Betonung einer | |
| vermeintlichen Christenverfolgung vermutlich weniger dazu, die | |
| Sicherheitslage vor Ort zu verändern, als vielmehr eine gute Gelegenheit, | |
| sein evangelikales Wählersegment anzusprechen. | |
| Für Nigeria aber sind die Konsequenzen schon jetzt real, das Land | |
| [2][wirtschaftlich eh schon gebeutelt]. Entsprechend bemüht ist die | |
| Regierung unter Präsident Bola Tinubu um Deeskalation: Man werde die Hilfe | |
| der USA im [3][Kampf gegen islamistische Rebellen begrüßen], solange die | |
| territoriale Integrität des Landes respektiert werde, ließ die | |
| Präsidentschaft mitteilen. | |
| Lanre Issa-Onilu, Generaldirektor von der National Orientation Agency | |
| (NOA), einer nigerianischen Regierungsbehörde für Öffentlichkeitsarbeit und | |
| Bürgeraufklärung, zeigte sich am Montag enttäuscht, dass solche Äußerungen | |
| von denselben Kreisen verbreitet würden, die einst Nigerias Fortschritte | |
| bei der Terrorismusbekämpfung gelobt hätten: „Ich bin sicher, dass sogar | |
| Amerika weiß, dass das nicht stimmt. Es ist nicht das erste Mal, dass der | |
| Geheimdienst der USA Amerika im Stich gelassen hat“, sagte Issa-Onilu und | |
| erinnerte an den völkerrechtswidrigen Einmarsch in Irak. | |
| 5 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Helena Kreiensiek | |
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