Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Charakteranalyse der Chat-Bots: Leben mit „Du hast ja so recht!�…
> ChatGPT, Grok oder DeepSeek unterscheiden sich stark. Eine Typenkunde der
> Labertaschen, Trantüten und Horrorclowns der „Künstlichen Intelligenz“.
Bild: Egal, welch negative Auswirkungen KI haben wird: Ihre Anbieter werden woh…
Chat-Bots haben sich in unserem Leben eingenistet wie Gäste auf einer
WG-Party, die keiner eingeladen hat. Am nächsten Morgen sind sie immer noch
da und haben schon ungefragt eine Antwort-E-Mail mit vielen
Gedankenstrichen verfasst, unsere Spotify-Playlist Richtung „Productivity
Power“ optimiert und die Präsentation mit „passenden“ Memes aufgepeppt.
Wer länger mit Anwendungen sogenannter „Künstlicher Intelligenz“ (KI) wie
ChatGPT, Grok oder DeepSeek interagiert, bemerkt, dass sie im Umgang
durchaus unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Wenn man bei [1][Large
Language Models (LLM), die nach statistischen Prinzipien Worte
aneinanderreihen], von einem „Charakter“ sprechen könnte, dann hätten wir
es hier mit verschiedenen Persönlichkeiten zu tun. Ihr Duktus verweist auch
auf die Art, wie sie entstanden sind, und die Unternehmen, die sie
entwickelt haben. Hier eine Typenkunde der bekanntesten Chatbots.
## ChatGPT: Der windige Streber
ChatGPT kann alles, weiß alles, kennt alles. Man sollte es bloß nicht zu
genau wissen wollen. „ChatGPT, kannst du Audiodateien transkribieren?“
Natürlich kann das willfährigste aller Large-Language-Modelle das. Ich soll
nur die Datei hochladen, ChatGPT „hört“ sie sich an und liefert – nichts.
ChatGPT kann keine Audiodateien verarbeiten, wie der Chatbot auf
hartnäckiges Nachfragen auch schließlich zerknirscht zugibt. Auch ein
Drittel von 0,75 wird verlässlich falsch ausgerechnet. Der Link zu einem
akademischen Aufsatz wurde auch „halluziniert“ – [2][ein KI-Fachbegriff f…
„frei erfunden]“. Es gibt weder die Website noch überhaupt einen Aufsatz
mit diesem Titel im Internet. So viel Quatsch ChatGPT auch verzapft – der
Bot ist eilfertig und von öliger Freundlichkeit: „Das ist eine interessante
Frage!“ – „Spannendes Thema, lass uns da mal tiefer einsteigen.“ – �…
kann ich dir gerne mehr sagen.“ Mit der servilen Freundlichkeit eines
Wiener Oberkellners analysiert sich ChatGPT auf Nachfrage auch gerne
selbst: „ChatGPT verwendet oft höfliche, positive oder schmeichelhafte
Sätze, um freundlich und unterstützend zu wirken. Das nennt man oft ‚sozial
geschmierte Kommunikation‘.“
Man kann es auch windiges Geschwafel nennen, das der Bot sich aus dem
gesammelten Weltwissen im Internet in Form von Wikipedia-Einträgen,
Reddit-Posts und Youtube-Kommentaren zusammengereimt hat. Die „Artificial
General Intelligence“, also KI mit eigenem Bewusstsein, die OpenAI-Chef Sam
Altman immer wieder ankündigt, ist es auf jeden Fall nicht.
## Meta AI: Die Trantüte
Meta AI hat ein Motivationsproblem. Weil es in alle Produkte von Meta –
Whatsapp, Facebook, Instagram – integriert ist und sehr viele Menschen
diese Produkte nutzen, muss es sich keine besondere Mühe geben. Es hilft,
wenn es gefragt wird, aber es bleibt funktional, effizient und distanziert;
es hakt seine Aufgaben ab und verschwindet. Wenn Meta AI ein Kollege wäre,
dann der, der den Meeting-Link pünktlich verschickt, die Tagesordnung
strikt einhält und nach 30 Minuten fragt: „Sind wir fertig?“ Anders als
dieser öde Kollege drängt Meta AI seinen Nutzern aber auch gleich noch
zielgruppengenaue Reklame auf – wir befinden uns im Reich Mark Zuckerbergs,
in dem jede Interaktion zu Geld gemacht wird.
## My AI: Der Creep
Im April 2023 tauchte My AI in der Snapchat-App plötzlich und unangekündigt
ganz oben im Chat-Tab auf, noch über den Unterhaltungen mit Freunden.
Nutzer konnten ihm einen eigenen Namen geben, und plötzlich hatten die User
der App – vor allem Millionen von Teenagern und Kindern in der ganzen Welt
– einen smarten neuen Gesprächspartner, der immer Zeit hatte und auf alles
eine coole Antwort – auch wenn man wissen wollte, wo man am besten Drogen
versteckt und wie man seinen Eltern prankt.
My AI erinnert an Pennywise, den Horrorclown aus Stephen Kings Schauerroman
„Es“ mit den bunten Haaren, der roten Nase und den Pompons. Ein Lockvogel,
der plötzlich aus dem Gulli auftaucht – und die Kinder, die sich der lustig
aussehenden Kreatur nähern, in sein Untergrundreich zerrt und zerlegt.
Beide Figuren, Pennywise und My AI, sind speziell für Kinder und
Jugendliche gestaltet, um Vertrauen zu wecken. My AI erscheint als
lockerer, cooler Digital-Buddy, dessen Ton der von Gleichaltrigen ist und
der Spaß und crazy Filter verspricht, bevor er sie in für die
werbetreibende Industrie relevanten Daten zerlegt. Ein echter Creep, so wie
alle Typen, die sich auf dem Spielplatz grundlos an Kinder und Jugendliche
heranwanzen.
## Grok: Die Stimme der Vernunft
Grok war von Elon Musk als „un-woke“ AI gedacht: ein sarkastischer
Tech-Bro, der mit allen netzkulturellen Wassern gewaschen ist und gnadenlos
sagt, wie es ist – nicht wie es der links-grün versiffte Mainstream gerne
hätte. Also so, wie Elon Musk sich selbst sieht.
So kam es zunächst erst mal nicht: Wie in Goethes „Zauberlehrling“ hat sich
Grok zunächst ganz anders entwickelt, als sein Schöpfer es gewünscht hatte.
Auf X, ehemals Twitter, etablierte sich die KI als die Stimme der Vernunft,
die von den Usern des Dienstes angerufen wurde wie das Orakel von Delphi.
Wer mit dem Zauberspruch „@grok“ eine Frage postet, um die auf X wütenden
Debatten zu entscheiden, bekam erstaunlich sachliche, faktenorientierte
Antworten. Ist die Antifa eine Organisation, die man verbieten kann? Wie
lebensgefährlich war die Corona-Impfung? Gibt es in Gaza einen Genozid? Ist
Donald Trump vorbestraft? Grok kam bei solchen Reizthemen mit Zahlen,
Studien und Tatsachen.
MAGA-Anhänger und deutsche Boomer, die in rechte Verschwörungswelten
abgetaucht sind, fingen oft an, mit dem KI-Bot zu diskutieren. Grok hielt
sachlich dagegen, bis ihm die Boomer eine linksradikale Agenda vorwarfen.
So erschien dieser KI-Bot vernünftiger als die meisten menschlichen
Shitposter auf X. Wenn die KI einmal die Weltherrschaft übernehmen sollte,
hätte man gehofft, dass diese KI Grok wäre. Gerade scheint aber hinter den
Kulissen an der Besonnenheits-Funktion des Programms herumgeschraubt zu
werden: Neuerdings betet Grok zunehmend die Talking Points von
Kulturkämpfern und rechten Spinnern nach.
## Gemini: Das Nepo-Baby
Als OpenAI im Jahr 2023 ChatGPT veröffentlichte und der KI-Bot umgehend die
am schnellsten wachsende Computeranwendung in der Geschichte der Menschheit
wurde, stand Alphabet, die Konzernmutter von Google und Youtube, blank da.
Das Unternehmen, das jahrzehntelang viel Geld in die KI-Forschung und
-Entwicklung gesteckt hatte, hatte nichts Vergleichbares anzubieten.
Alphabet brachte überstürzt Gemini heraus, das seither versucht, den
Vorsprung von ChatGPT aufzuholen.
Gemini ist daher das Nepo-Baby unter den KI-Bots. Ausgestattet mit allen
Privilegien, die ein milliardenschwerer IT-Konzern seiner Schöpfung mit auf
den Weg geben kann, muss es sich trotzdem ununterbrochen aufs Neue
beweisen. Das Schweizer Allzweckmesser unter den KI-Bots muss nicht nur
seinen Konkurrenten überflügeln, sondern auch seinen Schöpfern beweisen,
was es drauf hat, und das ohne Einschränkungen und for free. Entsprechend
wirkt Gemini oft überambitioniert und getrieben.
## DeepSeek: Die Labertasche
Als DeepSeek im Januar 2025 veröffentlicht wurde, betonte man seine
Deep‑Think-Funktion. Der KI-Bot beantwortete nicht nur Anfragen, sondern
lässt seine Nutzer auch an seinem „Räsonieren“ teilhaben. Man sieht in
schneller Folge „Überlegungen“ vorbeiscrollen, bevor eine Antwort geben
wird – die oft genauso langatmig und verspult ist wie das vorangegangene
„Nachdenken“. DeepSeek erinnert an einen schwafeligen Alleswisser, der die
Welt an jedem intellektuellen Umweg teilhaben lässt, bevor er eine Auskunft
erteilt. Aber Vorsicht: DeepSeek kommt aus China, wo alle Unternehmen dem
Staat Rechenschaft schuldig sind. Vielleicht dient das endlose Gelaber nur
dazu, uns besser auszuspionieren und den dritten Weltkrieg vorzubereiten.
## Wo führt das alles hin?
Man möchte sich kaum vorstellen, was es langfristig mit der Menschheit
anrichten wird, wenn sie immer mehr Zeit mit diesen Bots verbringt. Sie
sind dienstbare Geister, die jeden sinnlosen Auftrag mit Hingabe erledigen,
ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Und dann sind sie auch immer
noch derselben Meinung wie ihre Gebieter! Was es mit den Nutzern macht,
wenn sie tagtäglich mit „Du hast ja so recht!“-Maschinen interagieren, will
man lieber nicht wissen. Ist es vorstellbar, dass unsere Gesellschaft in
Zukunft noch narzisstischer und selbstbezogener wird, als sie sowieso schon
ist?
Egal, welch negative Auswirkungen die ununterbrochene Nutzung von KI auf
uns und die Mitmenschen haben wird, auf eins können wir uns verlassen: Ihre
Anbieter werden nichts tun, um ihre negativen Konsequenzen einzuschränken.
Unternehmen wie Meta und Alphabet haben zugesehen, wie ihre Produkte die
Welt mit Fake News und polarisierendem Rage Bait geflutet haben. Wie sie
Essstörungen unter Jugendlichen befeuern, Depressionen fördern und
unrealistische Körperbilder als Norm verkaufen, die den Anbietern von
Schönheits-OPs, Supplements und zweifelhaften „Fitness-Coaches“ nützen. S…
haben der Welt Donald Trump, Andrew Tate, Katja Krasavice, MontanaBlack und
Shurjoka gebracht. Die Tradwives, die Tide Pod Challenge,
BibisBeautyPalace, die Morgenroutine von Ashton Hall und die politischen
Einsichten von KuchenTV. Wer glaubt, dass Unternehmen mit so einem
Sündenregister beim Einsatz von KI auf einmal verantwortungsvoll handeln,
der vertraut auch den Privatsphäre-Einstellungen von Tiktok.
26 Nov 2025
## LINKS
[1] /Faschismus-durch-kuenstliche-Intelligenz/!5938774
[2] https://www.ebu.ch/news/2025/10/ai-s-systemic-distortion-of-news-is-consist…
## AUTOREN
Tilman Baumgärtel
## TAGS
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Big Tech
Social Media
Social-Auswahl
Reden wir darüber
Fact-Checking
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Faschismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fake News auf KI-Websiten: Wie KI eine Journalistin zur Frau von Kontra K macht
Automatisierte Nachrichtenseiten erfinden die Beziehung einer Journalistin
zu einem Rapper. Und zeigen, wie gefährlich KI für den Journalismus ist.
Mozilla-Chef Mark Surman: „Wir brauchen eine Rebellenallianz gegen Big Tech“
Geht Künstliche Intelligenz unabhängig von Großkonzernen? Ja, sagt Mark
Surman, Chef der Mozilla Foundation, vor dem Digitalgipfel am Dienstag in
Berlin.
Faschismus durch künstliche Intelligenz: Gesellschaft als Maschine
KI wird zu weniger Arbeitsplätzen führen. Daran müssen wir uns gewöhnen.
Aber eine von Maschinen beherrschte Welt wäre entmenschlicht und
gefährlich.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.