| # taz.de -- Möbliertes Wohnen auf Zeit: Abgezockt auf dem grauen Mietmarkt | |
| > Quadratmetermieten weit jenseits der 20 Euro, Kettenbefristung und kein | |
| > Kündigungsschutz: Möbliertes Wohnen übernimmt den Berliner Wohnungsmarkt. | |
| Bild: Viele Menschen, die eine Wohnung brauchen, landen notgedrungen in teuren … | |
| Fernseher, Sofa, Ikea-Couchtisch und Nesspresso-Maschine: Die | |
| 2-Zimmer-Wohnung in Berlin-Friedrichshain, die auf der | |
| Vermittlungsplattform Wunderflats angeboten wird, ist schon vor dem Einzug | |
| voll ausgestattet. Ein Luxus, für den der Vermieter ordentlich zulangt: | |
| 2.100 Euro Miete pro Monat kostet die 48-qm- Butze. Das entspricht einem | |
| Quadratmeterpreis von 43 Euro, der Mietvertrag ist nur befristet. | |
| Was illegal klingt, ist auf dem Berliner Wohnungsmarkt mittlerweile Alltag. | |
| Zu diesem Schluss kommt eine am Mittwoch vorgestellte Studie des Instituts | |
| für soziale Stadtentwicklung (IFSS) im Auftrag des Berliner Mietervereins. | |
| Demnach weitet sich [1][der Markt für möbliertes Kurzzeitwohnen immer | |
| weiter aus]. Da die Anbieter:innen dabei häufig Mieterschutz und | |
| Mietpreisbremse umgehen, fordert der Mieterverein eine stärkere | |
| Regulierung. | |
| Studienautor Armin Hentschel schätzt, dass derzeit rund 40 Prozent der | |
| Wohnungsinserate befristete und möblierte Angebote sind. | |
| Vermieter:innen nutzten die Möblierung häufig als Vorwand, um sich | |
| nicht an die Mietpreisbremse halten zu müssen. „Im Durchschnitt kostet eine | |
| möblierte Wohnung das Doppelte, als das, was am Berliner Markt üblich ist“, | |
| sagt Henschel – also 24 Euro statt 12 pro Quadratmeter. | |
| Angeboten werden die Wohnungen von privaten und gewerblichen Anbietern auf | |
| Plattformen wie Wunderflats, Housing Anywhere oder Immoscout. Einige | |
| Anbieter spezialisieren sich auch auf das Weitervermieten von möblierten | |
| WG-Zimmern. | |
| ## Verdopplung in 10 Jahren | |
| Nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat sich die Zahl | |
| der möblierten Wohnungsinserate von rund 18.000 im Jahr 2015 auf 39.000 im | |
| Jahr 2024 mehr als verdoppelt. Laut Hentschel ist die Entwicklung nicht als | |
| Marktreaktion auf eine steigende Nachfrage an möblierten und befristeten | |
| Wohnformen zu sehen. Rund zwei Drittel der Nutzer:innen griffen auf die | |
| überteuerten Angebote zurück, weil sie auf dem regulären Wohnungsmarkt | |
| keine Chance hätten. „Meistens ist es eine erzwungene Ausweichreaktion“, | |
| erklärt Henschel. | |
| Damit widersprechen die Studienergebnisse der beliebten Darstellung der | |
| Branche, mit den Kurzzeitvermietungsangeboten würde man lediglich auf einen | |
| Boom gutverdienender Jetsetter:innen reagieren. | |
| Tatsächlich sind Wohnungssuchende häufig so verzweifelt, dass sie auch auf | |
| Ferienwohnungsanbieter wie Airbnb zurückgreifen, um die Zeit auf der Suche | |
| nach einem bezahlbaren und unbefristeten Mietvertrag zu überbrücken. Auch | |
| die Angebote von Plattformen wie Wunderflats, die für möbliertes Wohnen auf | |
| Zeit mit einer Mietdauer von wenigen Wochen oder Monate ausgelegt sind, | |
| werden mangels günstigerer Alternativen häufig zur dauerhaften Wohnstätte. | |
| „Der Markt zwischen Ferienwohnungen und normaler Wohnnutzung hat sich | |
| längst vermischt“, sagt Sebastian Bartels, Geschäftsführer des | |
| Mieterverbands bei der Vorstellung der Studie. | |
| Die zunehmende Durchmischung stellt die Regulierung dieses „grauen | |
| Wohnungsmarkts“, wie er in der Studien bezeichnet wird, vor | |
| Herausforderungen. Das Problem: Viele Angebote sind illegal oder zumindest | |
| rechtlich fragwürdig, doch eine effektive Durchsetzung ist nach der | |
| gängigen Rechtslage schwierig. | |
| ## Halb- bis Illegal | |
| „Vermieter:innen dürfen das Mietverhältnis nicht ohne Grund begrenzen“, | |
| erklärt Bartels. Anbieter:innen von möblierten Kurzeitwohnungen berufen | |
| sich häufig auf eine Ausnahmeregelung zum „vorübergehenden Gebrauch“, die | |
| greift, wenn der oder die Mieter:in ihren Lebensmittelpunkt an einem | |
| anderen Ort hat. In diesem Falle greife weder die Mietpreisbremse noch der | |
| übliche Kündigungsschutz, erklärt Bartels. | |
| Die Dauer der Regelung ist gesetzlich nicht festgelegt, aber Gerichte | |
| urteilten schon eine Mietdauer von vier Monaten als zu lang ab, sagt | |
| Bartels. Gängig seien auf dem möblierten Wohnungsmarkt aber Befristungen | |
| von einem Jahr, die danach wieder verlängert werden könnten. „Das ist auf | |
| keinen Fall vorübergehender Gebrauch.“ | |
| Falsch sei daher auch die Annahme, dass allein eine Möblierung die | |
| Mietpreisbremse aushebeln könne. Der Aufschlag für die Möblierung ist nicht | |
| beliebig, der Vermieter muss dem Mieter die Berechnung auf Nachfrage | |
| vorlegen. „Kann er das nicht, wird er vor Gericht scheitern“, sagt Bartels. | |
| Doch viele Nutzer:innen der möblierten Angebote sind Expats, die kaum | |
| Wissen über das deutsche Mietrecht hätten, sagt er, „Menschen, die | |
| notgedrungen auf Ferienwohnungen zurückgreifen, erreichen wir als | |
| Mieterverein gar nicht.“ | |
| Was es laut Mieterverein braucht, ist eine deutliche Nachschärfung der | |
| gesetzlichen Regelungen. Die Mietdauer für den vorübergehenden Bedarf müsse | |
| genau festgelegt werden. Auch sollten Vermieter verpflichtet sein, die | |
| Aufschläge für die Möblierung schon im Mietvertrag genau auszuweisen. | |
| ## Senat nicht ohnmächtig | |
| Auch wenn diese Maßnahmen vom Bund beschlossen werden müssen, [2][sind dem | |
| Land in Sachen Kurzzeitvermietung nicht die Hände gebunden.] So würden | |
| Bezirke wie Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln möblierte | |
| Kurzzeitvermietungen [3][in Milieuschutzgebieten] und im Neubau untersagen, | |
| sagt Katrin Schmidberger, mietenpolitische Sprecherin der Grünen. „Es | |
| braucht eine landesweite Strategie gegen möbliertes Kurzeitwohnen.“ | |
| Die Senatsverwaltung gibt auf Taz-Anfrage an, mit dem geplanten | |
| Wohnraumsicherungsgesetz gegen das Problem vorgehen zu wollen. Zusätzlich | |
| soll auch das geforderte Verbot von möblierten Wohnen im Milieuschutz | |
| kommen, sagt Senatssprecher Martin Pallgen | |
| Auch beim Problem [4][der illegalen Ferienwohnung] sieht die Studie | |
| Handlungsbedarf. Trotz Registrierungspflicht sei eine effektive Kontrolle | |
| durch die Bezirke nach wie vor nicht möglich. Effektive Tools, mit denen | |
| Angebotsdaten gesammelt und auf Rechtmäßigkeit geprüft werden könne, gebe | |
| es zwar schon, sagt Studienautor Armin Hentschel, die Bezirke dürfte sie | |
| auf Weisung des Senats aber noch nicht einsetzen.„Kontrollbesuche müssen im | |
| Vorfeld angekündigt werden und die Beweislast liegt beim Bezirk“, | |
| kritisiert der Sozialwissenschaftler. | |
| [Wir haben den Artikel mit einem Statement des Senats über geplante | |
| Maßnahmen ergänzt] | |
| 29 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
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