| # taz.de -- Kehrtwende in der Verkehrspolitik: Österreichs neue Regierung will… | |
| > 2021 hatten Klimaaktivisten den Bau noch verhindert. Nun rollen wieder | |
| > die Bagger für einen Autobahntunnel unter dem Nationalpark Lobau bei | |
| > Wien. | |
| Bild: Wien-Hirschstetten, 03. Dezember 2021: Protestcamp gegen den Lobautunnel | |
| Es war einer der größten Erfolge der österreichischen Klimabewegung: | |
| [1][der Stopp des umstrittenen Lobau-Tunnels]. Dieser sollte Teil des | |
| Wiener Autobahnrings (S1) werden und unter dem Nationalpark Donau-Auen | |
| verlaufen. Mehrere Monate hatte die österreichische Klimabewegung dagegen | |
| demonstriert, dann sprach die grüne Ministerin Leonore Gewessler ein | |
| Machtwort und ließ die Autobahn aus den Planungen streichen, sehr zum | |
| Missfallen des Regierungspartners ÖVP. | |
| Seit kurzem ist bekannt: [2][Der Tunnel und die Autobahn kommen nun doch]. | |
| Nach jahrelangem politischem Tauziehen hat Gewesslers Nachfolger, | |
| SPÖ-Verkehrsminister Peter Hanke, grünes Licht für den Bau gegeben. Möglich | |
| macht das [3][die aktuelle Regierung aus Konservativen, Sozialdemokraten | |
| und den liberalen Neos], die dafür sogar vom sonst alles dominierenden | |
| Sparzwang abweicht. Mehrere Verfahren sind noch anhängig, der Baustart | |
| dürfte frühestens 2030 erfolgen. Die Kosten werden auf 2,2 Milliarden Euro | |
| geschätzt. | |
| Die Entscheidung spaltet die österreichische Politik tief. Während SPÖ, ÖVP | |
| und FPÖ den Tunnel befürworten, lehnen ihn die Grünen und zahlreiche | |
| Umweltschutzorganisationen vehement ab. Die Neos, in Wien Koalitionspartner | |
| der SPÖ, zeigten sich reserviert. | |
| Eine im [4][Februar 2025 veröffentlichte Prüfung des Umweltbundesamts hatte | |
| die Streichung des Projekts aus dem Bundesstraßengesetz] empfohlen. | |
| Verkehrsminister Hanke kritisierte diesen Bericht jedoch an verschiedenen | |
| Stellen. | |
| ## Rückwärtsgewandte Verkehrspolitik | |
| Bevor er in den Bund wechselte, war Hanke in der Wiener Stadtregierung. | |
| Diese hielt trotz des abgesagten Tunnels am Bau eines Zubringers in Wien | |
| fest – euphemistisch „Stadtstraße“ genannt. Auch gegen sie richtete sich | |
| das Protestcamp, das Klimaaktivist:innen 2021 auf der geplanten | |
| Trasse errichtet hatten. Die Stadt investierte viel Geld in ihre | |
| Stadtstraßen-Kampagne und drohte den protestierenden Jugendlichen mit | |
| rechtlichen Schritten. Am Ende wurde das Klimacamp polizeilich geräumt, es | |
| kamen die Bagger. | |
| Nun soll auch die dazugehörige Autobahn für die mittlerweile weit | |
| gediehenen Zubringer kommen. Die Grünen, mittlerweile weder in Bundes- noch | |
| Wiener Stadtregierung, beriefen vergangene Woche eine Sondersitzung des | |
| Nationalrats ein, um den Verkehrsminister mit Fragen und Kritik zu | |
| konfrontieren. Die neuen Straßen würden „unsere Verkehrspolitik wieder um | |
| Jahrzehnte zurückwerfen“, sagte Ex-Ministerin Gewessler, mittlerweile an | |
| die Spitze der Grünen aufgerückt. | |
| ## Keine Entlastung | |
| Tatsächlich zeichnet eine [5][Studie der Technischen Universität Wien] ein | |
| ernüchterndes Bild: Statt der versprochenen Verkehrsentlastung würde das | |
| Milliardenprojekt Wiens verkehrspolitische Ziele konterkarieren. Die Studie | |
| prognostiziert eine dramatische Verschiebung zugunsten des Autoverkehrs, | |
| gleichzeitig würden die CO2-Emissionen um mehr als 100.000 Tonnen jährlich | |
| steigen. Die Entlastung für die Wiener Südosttangente (A23), die | |
| meistbefahrene Straße Österreichs und notorisch zugestaut, erweist sich | |
| hingegen als Illusion. | |
| Kritik kommt auch vom Umweltverband WWF. „Neue Straßen wirken häufig wie | |
| ein Magnet für neue Gewerbeparks. Beim Ausbau von Straßen, wie jetzt bei | |
| der Lobau-Autobahn geplant, gehen daher weit mehr Böden verloren, als die | |
| Pläne anfänglich glauben lassen“, heißt es von einem Sprecher. Als Beispiel | |
| nennt der WWF die Wiener Außenring-Schnellstraße, wo genau das geschehen | |
| sei. | |
| Eine [6][neue Petition der Grünen] haben mehr als 21.000 Menschen | |
| unterschrieben. Sie fordert statt der Straße einen Ausbau von | |
| Straßenbahnen, Bussen und Schnellbahnen, um den Nordosten Wiens besser zu | |
| erschließen. Dort liegt das größte Stadterweiterungsgebiet Wiens – [7][die | |
| Seestadt Aspern]. Sie wurde als weitgehend autofreier Stadtteil beworben, | |
| die U-Bahnlinie U2 gar eigens dorthin verlängert – binnen 20 Minuten ist | |
| man im Stadtzentrum. Doch die Stadt argumentiert, dass es die „Stadtstraße“ | |
| und die Autobahn unter dem Nationalpark brauche, um diesen Stadtteil zu | |
| erschließen. | |
| 28 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Oesterreich-sagt-Bau-des-Lobautunnels-ab/!5815914 | |
| [2] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzes… | |
| [3] /Oesterreich-und-die-Rechten/!6084603 | |
| [4] https://www.bmimi.gv.at/themen/verkehrsplanung/strategische_pruefung/pruefu… | |
| [5] https://www.tuwien.at/ar/ifip/aktuelles/news/strategische-pruefung-empfiehl… | |
| [6] https://wien.gruene.at/petition-lobau/ | |
| [7] /Nachhaltige-Stadtentwicklung/!5980690 | |
| ## AUTOREN | |
| Florian Bayer | |
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