| # taz.de -- Sexualisierte Gewalt: Tripperburgen, Terror, Trauma | |
| > Gewalt gegen Frauen in Ost und West: Martina Blankenfeld und Claudia | |
| > Igney sprechen über verdrängte Geschichte und den Kampf um Anerkennung. | |
| In der aktuellen Folge Mauerecho spricht Dennis Chiponda mit Martina | |
| Blankenfeld und Claudia Igney über Gewalt gegen Frauen in Ost und West. | |
| Claudia Igney ist Sozialwissenschaftlerin und Referentin beim | |
| [1][Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe.] Sie ist seit | |
| über 20 Jahren in der Beratung gewaltbetroffener Menschen tätig. | |
| [2][Martina Blankenfeld ist Zeitzeugin der sogenannten „Tripperburgen“ in | |
| der DDR.] Dabei handelte es sich um staatliche Einrichtungen, in denen vor | |
| allem Frauen zwangseingewiesen wurden, die als „Herumtreiberinnen“, | |
| „Arbeitsbummelantinnen“ oder „Asoziale“ galten. Kurz: Frauen, die von d… | |
| Norm abwichen. Ihre Zwangseinweisungen wurden mit unbehandelten | |
| Geschlechtskrankheiten begründet, obwohl die meisten Frauen gesund waren. | |
| Viele der dort internierten Frauen berichten von Gewalt und Missbrauch, den | |
| sie auf den geschlossenen Stationen erfahren haben. | |
| Nach wie vor sind die Tripperburgen ein unbekanntes Kapitel der | |
| DDR-Geschichte. Als Aktivistin setzt sich Martina Blankenfeld für | |
| Aufklärung ein und hat im [3][Museum Pankow eine Wanderausstellung] zu | |
| diesem Thema mitorganisiert. | |
| Im Podcast spricht sie über ihre Erfahrungen in der Tripperburg, wo sie im | |
| Alter von 15 Jahren zwangseingewiesen wurde. Dort habe sie gynäkologische | |
| Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen, aber auch Allergie- und | |
| Kosmetiktests seien an ihr durchgeführt worden. „Man war letztendlich | |
| ungewollt ein medizinisches Objekt für unterschiedliche Untersuchungen.“ | |
| ## Die Situation der Frauen in Westdeutschland | |
| Im Anschluss an die Tripperburg sei sie in ein Durchgangsheim, eine | |
| Einrichtung der Jugendhilfe in der DDR, gekommen. Diese Abhängigkeit in | |
| unterschiedlichen Institutionen habe sich durch ihr Leben gezogen. „Sich | |
| aus der Bevormundung zu befreien, ist nicht einfach gewesen.“ Lange Zeit | |
| habe sie sich nicht vorstellen können, irgendwann ein selbstbestimmtes | |
| Leben führen zu können. | |
| In Westdeutschland habe es eine solche Form struktureller Gewalt nicht | |
| gegeben, unterstreicht Claudia Igney. Das Familienbild im Westen habe | |
| Gewalt gegen Frauen jedoch begünstigt. Die Hausfrauen-Ehe war sehr oft ein | |
| „Gefängnis“, „eine Form von struktureller und staatlicher Gewalt“, so | |
| Igney. | |
| Bis 1957 gab es in Deutschland noch den sogenannten | |
| Gehorsamkeitsparagrafen, durch den der Ehemann das Recht hatte, über das | |
| gesamte eheliche Leben zu entscheiden. Dazu zählte auch die eheliche | |
| Pflicht zum Beischlaf. Bis 1977 konnte ein Mann seiner Frau das Arbeiten | |
| verbieten. Bis 1997 war Vergewaltigung in der Ehe straffrei. Bis heute ist | |
| Gewalt gegen Frauen ein großes gesellschaftliches Problem. | |
| Dabei ist es wichtig, sich nicht nur die Extremsituationen anzuschauen. | |
| „Jetzt wird viel über Femizide berichtet, über Tötungsdelikte von Frauen | |
| berichtet. Sexistische Gewalt ist aber ein Alltagsphänomen.“ Sie passiere | |
| an ganz vielen Stellen. Auch in der DDR habe es, neben den drastischen | |
| Formen der Gewalt, wie Blankenfeld sie erlebt hat, sexistische Übergriffe | |
| im Alltag gegeben. | |
| ## Eine Gesellschaft ohne Gewalt | |
| Erste Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen gab es im Westen | |
| ab den 1970er-Jahren in den Frauenhäusern, erste Fachberatungsstellen erst | |
| ab den 1980er-Jahren und im Osten erst ab den 1990er-Jahren. Hinter diesen | |
| Strukturen stecke ganz viel ehrenamtliches Engagement. „Das ist ganz | |
| vielen, ganz starken kämpfenden Frauen zu verdanken. Und ich wünsche mir | |
| oft, dass diese Lebensleistung mehr anerkannt wird, sowohl der Ostfrauen | |
| als auch der Westfrauen“, sagt Claudia Igney. | |
| Und sie wünscht sich, dass der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen die | |
| entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet wird. „Also da ist noch ganz viel zu | |
| tun und natürlich ist meine Utopie – und das bleibt sie – eine Gesellschaft | |
| ohne Gewalt, in der wir alle gleichberechtigt miteinander leben.“ | |
| „Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der [4][taz Panter Stiftung… | |
| Er erscheint jede Woche Sonntag auf [5][taz.de/mauerecho] sowie überall, wo | |
| es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt unserem Tonmeister Daniel Fromm. | |
| 26 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/aktuelles.html | |
| [2] /Zwangseinrichtungen-in-der-DDR/!6092705 | |
| [3] https://www.berlin.de/museum-pankow/aktuelles/ausstellungen/sonderausstellu… | |
| [4] /stiftung | |
| [5] /Podcast-Mauerecho/!t6064118 | |
| ## AUTOREN | |
| Dennis Chiponda | |
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