| # taz.de -- Klosterschwestern in Besetzerlaune: Aufständische Nonnen im Boxtra… | |
| > Drei Nonnen fliehen aus dem Pflegeheim, besetzen ihr Kloster und werden | |
| > internationale Stars. Wie geht es ihnen jetzt, wo der Medienrummel vorbei | |
| > ist? | |
| Bild: Wollen nicht im Altenheim leben: Die Nonnen, Schwester Rita (82, l.-r.), … | |
| Schwester Rita hat pinkfarbene Boxhandschuhe angezogen. Mit der Rechten und | |
| dann mit der Linken schlägt sie auf die Faust des Trainingspartners. Wenn | |
| dieser über ihren Kopf zieht, duckt sie sich geschickt runter. Sie lacht. | |
| Das Boxtraining ist auf dem [1][Instagram-Account der drei österreichischen | |
| Nonnen] zu sehen, die am 4. September, also vor sieben Wochen, aus dem | |
| Pflegeheim „ausgebrochen“ waren, wie manche es nannten. Die ihr altes | |
| Kloster im Schloss Goldenstein bei Salzburg besetzten und seitdem wieder | |
| darin leben. Gegen den Willen der Kirche und des für sie zuständigen | |
| Probstes Markus Grasl vom Stift Reichersberg. | |
| Wie geht es ihnen jetzt, nachdem der Medienrummel merklich abgeebbt ist? | |
| „Ich bin so froh und dankbar, dass wir heim gekommen sind“, sagt Rita. „D… | |
| Hoffnung hab ich nie aufgegeben, besonders ich hatte ja immer so viel | |
| Heimweh.“ Die drei sind Regina (86 Jahre alt), Bernadette (88) sowie Rita, | |
| die gerade 82 geworden ist. | |
| Sie sitzen im dritten Stock am Holztisch in einem Zimmer, das wie das ganze | |
| Haus recht voll ist mit Kruzifixen, Heiligengemälden, religiösen | |
| Gegenständen. Mehr als eineinhalb Jahre, seit Januar 2024, waren sie – | |
| gegen ihren Willen, wie sie sagen – im Pflegeheim „Seniorenresidenz Schloss | |
| Kahlsperg“ untergebracht. Regina sagt jetzt: „Wir bringen die Räume hier | |
| halbwegs in Ordnung.“ Bernadette kocht Kartoffeln oder auch | |
| Zwetschgenknödel. Und Rita freut sich auf den Frühling, auf Blumen, Gemüse | |
| und ihr Gewächshaus. | |
| ## Gratis Treppenlift | |
| Wenn man mit ihnen redet, wenn man sieht, wie sie herumwuseln, beten, | |
| miteinander sprechen, so ist der Eindruck sehr offensichtlich: Sie sind | |
| fit, kaum pflegebedürftig und sicherlich auch nicht dement. Der | |
| Klosterleiter Markus Grasl, kirchlich Ober genannt, sieht das aber anders. | |
| Die Schwestern seien pflegebedürftig, teilte er mit, sie könnten nicht mehr | |
| in Goldenstein leben. | |
| Nach sieben Wochen zeigt sich aber für Christina Wirtenberger, eine | |
| Unterstützerin der Frauen: „Sie kommen gut zurecht.“ Und sie seien | |
| regelrecht aufgeblüht, im Heim seien sie unglücklich und in einem sehr | |
| schlechten körperlichen Zustand gewesen. Fürs Putzen und Wäschemachen ist | |
| nun gesorgt, das Rote Kreuz liefert das Essen. | |
| Eher vorsorglich sind zwei Pflegerinnen eingestellt, die sich abwechseln | |
| und jeweils einen Monat lang rund um die Uhr da sind. Der Treppenlift war | |
| in ihrer Abwesenheit abmontiert und entsorgt worden. Eine Fachfirma aus | |
| Hessen baut gratis einen neuen ein, für die ersten beiden Stockwerke läuft | |
| er schon. | |
| Die Geschichte der Nonnen ging um die halbe Welt. Die [2][New York Times ] | |
| war da, der britische [3][Guardian], Medien aus Italien. Und aus Österreich | |
| und Deutschland sowieso. Warum interessiert und berührt eine solche | |
| Geschichte praktisch jeden? Der Boxtrainer füttert fleißig den | |
| Instagram-Account, mittlerweile haben die Nonnen über 70.000 Follower. | |
| „Die Nonnen sind als Hauptdarstellerinnen interessant“, sagt Kathrin | |
| Stainer-Hämmerle, Politikprofessorin an der FH Kärnten in Villach, der taz. | |
| „Drei sympathische Frauen, denen Unrecht getan wurde, und die sich dagegen | |
| zur Wehr setzen trotz hohem Machtgefälle.“ Sie fänden Sympathie und | |
| Unterstützung gegen das System der Amtskirche. Das „Setting eines Klosters“ | |
| sei ungewöhnlich. Die „Dynamik“ hält Stainer-Hämmerle für bemerkenswert: | |
| „Durch ihre unbeirrbare Art gewinnen die Nonnen immer mehr an Sympathie.“ | |
| Die Leiter des kirchlichen Stifts hingegen verdienten durch ihre autoritäre | |
| Kommunikation jeden Tag mehr die Zuschreibung als „die Bösen“. | |
| Am meisten ärgert es die Schwestern, dass sie als dement hingestellt | |
| wurden. Rita erreichte ein Schreiben vom Bezirksgericht Hallein. Darin ist | |
| zu lesen, dass die Geschäftsführerin der „Seniorenresidenz“, aus der die | |
| Nonnen ausgezogen waren, einen „gerichtlichen Erwachsenenvertreter“ für | |
| Rita möchte. Das heißt: Man wollte sie entmündigen. | |
| Das Schriftstück liegt der Redaktion vor. Als Grund nennt die Heimleiterin: | |
| „hat eine Demenz“. Sehr schnell hat das Gericht nach einer Prüfung aber | |
| entschieden: Schwester Rita ist nicht dement. Sie benötigt deshalb auch | |
| keinen „gerichtlichen Erwachsenenvertreter“. Sie sagt: „Ich bin zwar | |
| vergesslich. Aber dass ich dement wäre, das ist jetzt hinfällig.“ | |
| Bernadette erzählt, dass mehrere Ärzte alle drei über fünf Stunden hinweg | |
| befragt und untersucht hatten. „Die Ärzte sagten: Sie sind nicht dement.“ | |
| Ihr Ober Grasl, so erzählen sie, habe schon lang nicht mehr mit ihnen | |
| gesprochen und äußert sich auch nicht mehr öffentlich. Jenen heute | |
| 44-Jährigen kannten sie schon, als er als 16-jähriger Ministrant eine | |
| Freizeit in ihrem Kloster abgehalten hatte. Später hatte er sich mit den | |
| Nonnen beraten, ob er Mönch werden sollte. | |
| Jetzt aber lässt Grasl sprechen – durch den externen Berater für | |
| „Krisenkommunikation“. Andreas Schwarz, Kommunikationsforscher an der TU | |
| Ilmenau, sagt aber im Gespräch mit der taz: „Das Verhalten und die | |
| Krisenkommunikation der Kirche erscheinen sehr unglücklich.“ Es werde „zu | |
| wenig Empathie, zu wenig Verständnis für die Nonnen gezeigt“. In der | |
| Öffentlichkeit komme es „sehr schlecht an“, wenn stattdessen vor allem | |
| Vorwürfe gegen die Frauen erhoben werden – „dass sie Regeln gebrochen | |
| hätten, dass Konsequenzen folgen würden“. | |
| ## Konto gesperrt | |
| Und: „Die Kirche stellt die Vorbedingung, dass sie kein Gespräch mit den | |
| Nonnen sucht, solange in den Medien über den Fall berichtet wird.“ Das | |
| erwecke den Eindruck, „dass man das hinter verschlossenen Türen halten | |
| will“. | |
| Die drei Nonnen klagen nun per Anwalt gegen ihren Ober. Es geht auch ums | |
| Geld: Das Konto mit ihren Renteneinkünften als pensionierte Lehrerinnen | |
| wurde gesperrt, 400.000 Euro waren darauf. Zudem fehlen weitere 145.000 | |
| Euro. Das Geld steht ihnen ihrer Ansicht nach zu. | |
| Wie kommt man aus der verfahrenen Situation heraus? Die Professorin | |
| Stainer-Hämmerle sagt über die Kirche:„Es braucht mehr Transparenz, | |
| Mitgefühl und das Bemühen um eine einvernehmliche Lösung.“ Ähnlich sieht … | |
| der Kommunikationsforscher Schwarz: „Die Kirche müsste auf die Nonnen | |
| zugehen, umarmen und Kompromisse suchen.“ | |
| Schwester Bernadette sitzt häufig an ihrem Laptop und beantwortet E-Mails, | |
| die sie von Unterstützern aus aller Welt erhält. Jetzt erinnert sie sich an | |
| die vielen Schwestern, die schon in Goldenstein gestorben sind, die sie und | |
| die anderen „bis in den Tod gepflegt haben“. Sie sagt: „Und so wollen wir | |
| auch hier sterben.“ | |
| 24 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.instagram.com/nonnen_goldenstein/ | |
| [2] https://www.nytimes.com/2025/09/19/world/europe/nuns-austria-sisters.html | |
| [3] https://www.theguardian.com/world/2025/sep/26/we-were-obedient-our-entire-l… | |
| ## AUTOREN | |
| Patrick Guyton | |
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