| # taz.de -- BUND-Petition zum Meeresschutz: Nordsee-Pflügen soll verboten werd… | |
| > 72.000 Menschen fordern, die Grundschleppnetzfischerei in | |
| > Meeresschutzgebieten zu verbieten. Die Trawler bedrohten die | |
| > Artenvielfalt. | |
| Bild: Sollte verboten werden, finden Umweltverbände: Krabbenkutter mit Grundsc… | |
| Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) will, dass mit dem | |
| Meeresschutz Ernst gemacht wird. Konkret soll die Fischerei mit | |
| Grundschleppnetzen in den Schutzgebieten der Nordsee verboten werden. Eine | |
| entsprechende Petition des Umweltverbandes [1][haben 72.000 Menschen | |
| unterzeichnet.] | |
| Im Deutschlands Ausschließlicher Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee gibt es | |
| drei Gebiete, die schon seit Jahrzehnten unter Schutz stehen. Allerdings | |
| steht dieser Schutz zum Teil nur auf dem Papier, etwa bei der Fischerei. Im | |
| Gebiet Borkum Riffgrund wurde zwar vor zwei Jahren die | |
| Grundschleppnetzfischerei verboten, ebenso auf 80 Prozent des Gebiets | |
| Sylter Außenriff. | |
| Keine entsprechenden Einschränkungen gab es bisher jedoch im Schutzgebiet | |
| Doggerbank, einer 10 bis 40 Meter hoch überspülten Sandbank, siebenmal so | |
| groß wie Mallorca, weit draußen in der Nordsee. Im November vergangenen | |
| Jahres verklagte der BUND die Bundesregierung wegen „anhaltender Zerstörung | |
| geschützter Lebensräume und Artenvielfalt durch die Fischerei mit | |
| Grundschleppnetzen im Meeresschutzgebiet Doggerbank“. | |
| Ein bisschen haben sich die EU-Kommission, die Bundesregierung und die | |
| niederländische Regierung schon bewegt: In der Hälfte des deutschen | |
| Schutzgebiets darf ab dem 18. November nicht mehr mit Grundschleppnetzen | |
| gefischt werden. Das Verbot gilt auch für einen Teil des niederländischen | |
| Schutzgebiets. Der BUND zeigte sich erfreut, sprach aber zugleich von einem | |
| faulen Kompromiss. | |
| ## Umweltschützer erfreut, aber nicht zufrieden | |
| Etwa 72 Prozent der Grundschleppnetzfischerei im Schutzgebiet finde | |
| außerhalb der neuen Verbotszone statt. „Für diese halbherzige Entscheidung | |
| gibt es keine wissenschaftliche Grundlage, sie wurde nur im Interesse der | |
| Fischereiindustrie getroffen“, kritisiert Isabelle Maus vom BUND. „Das | |
| können wir nicht akzeptieren und fordern den Schutz des gesamten Gebiets.“ | |
| Die Doggerbank ist seit 2004 ein Schutzgebiet nach der europäischen | |
| Flora-Fauna-Habitat(FFH)-Richtlinie und gehört zum europäischen | |
| Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000. „Ständig unter Wasser befindliche | |
| Sandbänke erscheinen auf den ersten Blick sehr gleichförmig“, ist beim | |
| Bundesamt für Naturschutz (BfN) zu lesen. „Doch je nach Korngröße des | |
| Sediments, Tiefe und Strömungsbedingungen beherbergen sie eine Vielzahl an | |
| unterschiedlichen Lebensgemeinschaften.“ | |
| Plankton im freien Wasser, millimetergroße Tiere in den Sandlücken des | |
| Bodens, Muscheln und Würmer, stark gefährdete Schneckenarten, Seeigel und | |
| Krebse bildeten auf der Doggerbank ein dicht verwobenes Nahrungsnetz, das | |
| wiederum die Nahrungsgrundlage zahlreicher Fischarten sei. „Besonders | |
| herausragend ist die Bedeutung der Doggerbank für Wale, Delfine und Robben, | |
| die hier regelmäßig in hohen Konzentrationen gesichtet werden“, schreibt | |
| das BfN. | |
| Der BUND wirft der Bundesregierung vor, sie verstoße gegen europäisches | |
| Naturschutzrecht, indem sie die Grundschleppnetz-Fischerei auf der | |
| Doggerbank jedes Jahr aufs Neue erlaube, ohne vorab zu prüfen, wie sehr das | |
| Flora und Fauna im Schutzgebiet schade. Grundschleppnetze werden mit Ketten | |
| oder Gewichten beschwert und von Scherbrettern offengehalten über den | |
| Meeresboden geschleift. | |
| Dabei wird Meeresboden meist nicht nur berührt, sondern die Netze rasieren | |
| und durchpflügen den Meeresboden, was besonders Korallen und Riffen | |
| schadet. Aber auch auf Sandböden wie der Doggerbank ist der Schaden | |
| beträchtlich. „Das ist, wie wenn ich den Regenwald abholzen würde“, sagt | |
| Isabelle Maus vom BUND. | |
| Der Umweltverband WWF bezeichnet die Grundschleppnetzfischerei als den | |
| „größten flächenhaften Eingriff am Meeresboden“ – noch vor den Kabeltr… | |
| und Windparks, der Öl- und Gasförderung, den Fahrrinnen und dem Sandbau. | |
| Trotzdem ist es aus Sicht von [2][Peter Breckling vom Deutschen | |
| Fischereiverband nicht legitim], die [3][Grundschleppnetzfischerei einfach | |
| so zu verbieten]. Wenn schon, müsse die Beschränkung eines solchen Rechts | |
| im Sinne einer Vorher-Nachher-Analyse gut begründet werden: „Welche | |
| Veränderungen sind auf der Doggerbank zu erwarten, wenn die Fischerei | |
| beendet wird?“ | |
| Dass Grundschleppnetze grundsätzlich zerstörerisch seien, will auch der | |
| Marine Stewardship Council (MSC) so nicht stehen lassen. Der MSC vergibt | |
| Verkaufssiegel für nachhaltig befischte Bestände. Wie schädlich | |
| Grundschleppnetze seien, hänge von der Empfindlichkeit des Meeresbodens, | |
| vom verwendeten Gerätetyp sowie von der Intensität der Fischerei ab. | |
| „Es ist wissenschaftlich nicht korrekt, dass alle [4][Grundschleppnetze | |
| zerstörerisch] sind“, schreibt der MSC, genausowenig wie alle anderen | |
| Fanggeräte per se gut und nachhaltig seien. „Grundschleppnetzfischereien, | |
| die das maritime Habitat irreversibel schädigen, erhalten keine | |
| MSC-Zertifizierung.“ | |
| Sehr wohl [5][zertifiziert hat der MSC die Sandaal-Fischerei im deutschen | |
| Schutzgebiet der Doggerbank]. Sandaale sind kleine, lange, fetthaltige | |
| Fische, die in Schwärmen auftreten. Das macht sie zu einer wichtigen | |
| Nahrungsquelle für Tierarten weiter oben in der Nahrungspyramide und | |
| zugleich interessant für die Industriefischerei. In großen Mengen gefangen, | |
| werden sie als Futtermittel vermarktet, etwa für die Lachszucht. | |
| Das Forschungsinstitut Geomar hat ermittelt, „dass Sandaale eine der | |
| zentralen Nahrungskomponenten für Prädatoren in der südlichen Nordsee | |
| darstellen“. Seeschwalben, Seetaucher, Schweinswale und Kegelrobben, aber | |
| auch Plattfische oder Haie und Rochen ernährten sich von den Fischlein. Sie | |
| würden durch die intensive Sandaalfischerei gefährdet. | |
| Der WWF hat deshalb Einspruch gegen eine erneute Zertifizierung dieser | |
| Fischerei einglegt. | |
| 30 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://aktion.bund.net/doggerbank-petitionsuebergabe | |
| [2] /Klage-von-Nordsee-Fischern-abgelehnt/!6089447 | |
| [3] /Meeresschutzorganisation-schlaegt-Alarm/!6044726 | |
| [4] /Klage-von-Nordsee-Fischern-abgelehnt/!6089447 | |
| [5] https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/zertifizierte-z… | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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