Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kürzungen in Berlin: Das Spiel ist aus
> Weil der Berliner Senat weniger Mittel zur Verfügung stellt, müssen
> Spielplätze zurückgebaut werden. Ein Besuch auf dem „Jockel“, einem Opf…
> der Kürzungen.
Bild: Die Burg auf dem Spielplatz mutet mittelalterlich an, wird aber wohl nich…
„Friiiedrich“, schallt eine mahnende Stimme über den Platz. Die Aufseherin
eilt auf Friedrich zu, der gerade behände eine Tunnelrutsche von unten
hinaufklettert: etwas gefährlich, macht aber Spaß. Friedrich ist vier, die
Aufseherin seine Kindergärtnerin. Es ist ein sonniger Herbsttag auf dem
Spielplatz in Berlin-Kreuzberg, der unter dem Namen „Jockel“ bekannt ist.
Friedrichs Gruppe kommt hier manchmal her, der Kindergarten ist um die
Ecke, in der Görlitzer Straße.
Neben der Tunnelrutsche gibt es auf dem Jockel noch einiges mehr zu
entdecken. Eine ganze Burglandschaft: Wer die spitzen Türme erklimmen will,
muss über Kletterwände, Leitern und Netze. Möchte man sich oben nicht den
Kopf stoßen, bietet sich außerdem eine maximale Körpergröße von 1,40 Metern
an. Optimal für Friedrich. Doch bis er die Grundschule erreicht, wird der
Jockel nur noch eine Freifläche sein. Die Geräte müssen zurückgebaut werden
– es gibt kein Geld, um den Spielplatz ausreichend zu sanieren.
Dass das passieren würde, war absehbar. Schon vor Monaten kündigte der
Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg an, [1][wichtige Gelder] würden fehlen.
Schuld daran sei der Berliner Senat: Der kürzte das zweite Jahr in Folge
die Mittel für das Kita- und Spielplatzsanierungsprogramm (KSSP). Jetzt
stehen dem Bezirk im Vergleich zu 2023 nur noch 43 Prozent der Gelder zur
Verfügung. Heißt: Statt einmal ungefähr 1 Million Euro gibt es nur noch
knapp 500.000 Euro, um die 170 Spielplätze in Stand zu halten.
Gelder einzusparen, hat unmittelbare Auswirkungen. Das ist, was der Bezirk
zeigen will. Während Friedrich noch unbekümmert im Hintergrund tobt, steht
Annika Gerold, Bezirksstadträtin für Verkehr, Grünflächen, Ordnung und
Umwelt, mit ernster Miene vor dem Geländer des Spielplatzes. „Wir wollen
hier exemplarisch zeigen, was passiert, wenn der Senat an der Infrastruktur
spart“, sagt Gerold. Gemeinsam mit Ronny Adler, der im Bezirk für die
Grünflächenaufsicht verantwortlich ist und in dessen Aufgabengebiet
Spielplätze fallen, rief sie zum Pressegespräch am Ort des Geschehens.
## Unterfinanzierte Bezirke
Denn aus der Sicht der Bezirksverwaltung manifestiere der Jockel ein
größeres Problem in Berlin: Die Bezirke klagen über mangelnde Finanzierung.
Doch der Senat kürzt weiter. Erst kürzlich verkündete der Bezirk
Friedrichshain-Kreuzberg eine Haushaltsperre für das laufende Jahr.
Grundsätzlich bekommen die Bezirke vom Senat eine Globalsumme zugewiesen,
einen fixen Geldbetrag zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Einige dieser Mittel
sind zweckgebunden. Zum Beispiel können Gelder aus der
Straßeninstandhaltung nicht plötzlich für andere Projekte, etwa die
Sanierung von Spielplätzen, genutzt werden. Die Spielplätze fallen in den
Bereich Grün- und Parkflächen. Die Herausforderung hier: Ein Großteil des
bezirkseigenen Budgets wird schon für die Reinigung und Sicherheit
ebenjener Flächen verwendet. Dazu gehört die Müllbeseitigung oder dass
morsche Bäume gefällt werden.
Sowieso sei dieser Bereich massiv unterfinanziert, sagt Adler. Für die
Sanierung von Spielplätzen bleibe also nichts übrig. Genau deswegen sind
die Bezirke auf spezielle Förderprogramme angewiesen, wie das KSSP, das aus
dem Landeshaushalt finanziert wird. Adler schätzt, dass mit den Kürzungen
das Geld gerade einmal für die Aufbesserung von 5 Spielplätze reiche,
obwohl der Bedarf bei 15 bis 20 liege.
Für den Jockel hat es nicht mehr gereicht. Adler zeigt auf eine Leiter, die
zu einem Turm hinaufführt. Während das restliche Holz von Wind und Wetter
dunkel geworden ist, ist ein Geländer deutlich heller. „Hier haben wir
versucht auszubessern“, erklärt Adler. Lange wird das nicht mehr
ausreichen. Anders als die mittelalterlichen Burgen, denen diese
Spielgeräte nachempfunden sind, sind sie wesentlich vergänglicher.
Moosiges Grün zieht sich über die Pfeiler. Besonders am Boden sei die
Fäulnis weit fortgeschritten, erklärt Adler. Die Statik könne nicht mehr
garantiert werden. Eine Sanierung würde 150.000 Euro kosten, der Rückbau
lediglich um die 17.000 Euro. Der Erhalt sei einfach nicht wirtschaftlich.
## Eine Frage der Prioritäten
Der Jockel sei ein weiteres Beispiel dafür, dass der Senat die falschen
Prioritäten setze, sagt Gerold. Sie fordert zweckgebundene Mittel speziell
für den Erhalt und die Pflege von Spielplätzen und Grünflächen. Dann wäre
das Geld schon im Bezirkshaushalt eingeplant.
Friedrichs Kindergärtnerin ist wenig ob des drohenden Rückbaus beeindruckt.
Wenn etwas marode sei und kein Geld zum Sanieren, dann müsse man es
natürlich abbauen. Sie würden dann eben einfach zu einem anderen Spielplatz
gehen. Dass sich das Problem bei anhaltender Unterfinanzierung ausweiten
dürfte, interessiert sie in diesem Moment nicht.
Ein größeres Problem werden vermutlich Eltern haben, die [2][den
Biergarten], der sich direkt neben dem Jockel befindet, gerne besuchen. Der
Spielplatz bot den perfekten Ort, um die Kinder zwar im Blick, aber nicht
um die Beine zu haben. Auch ohne Geräte bleibt der Jockel als Freifläche
weiter zugänglich. Ob sich die Kinder damit ausreichend beschäftigen
lassen, während die ältere Generation ihr kühles Erfrischungsgetränk im
Freisitz genießt, zeigt die Zukunft.
19 Nov 2025
## LINKS
[1] /Friedrichshain-Kreuzberg/!6113029
[2] https://biergartenjockel.de/
## AUTOREN
Clara Dünkler
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
wochentaz
Spielplatz
Friedrichshain-Kreuzberg
Berliner Senat
Kürzungen
Schwerpunkt Stadtland
Schwerpunkt Stadtland
Schwerpunkt Stadtland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Denkmal für einen Kolonialverbrecher: Ein mächtiger Stein des Anstoßes
In Hannover erinnert ein Denkmal an den Kolonialverbrecher Carl Peters. Die
leichteste Lösung, es einfach wegzuschaffen, scheitert am Denkmalschutz.
Schenkung eines Lesers: Fast eine Tonne taz
Es gibt nur wenige Orte, an denen die komplette Print-taz zu finden ist.
Einer davon ist das Internationale Zeitungsmuseum in Aachen.
Loveparade-Unglück in Duisburg: Ein schmerzhafter Spaziergang
Der Karl-Lehr-Tunnel in Duisburg ist eine Verbindung in die Innenstadt. Vor
15 Jahren zwängten sich die Loveparade-Besucher durch. Es folgt eine
Katastrophe.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.