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# taz.de -- Gaza-Krieg: Nicht das „Ende der Geschichte“
> Vor einigen Wochen wurde Trumps Gaza-Deal noch bejubelt. Inzwischen ist
> klar: Der Frieden kam nicht und der Plan nutzt vor allem Netanjahu.
Bild: Persönliche Kampagne, um seine Macht zu demonstrieren: US-Präsident Don…
Der [1][Politikwissenschaftler Francis Fukuyama] erklärte 1989, die Welt
habe das „Ende der Geschichte“ oder den „endgültigen Triumph der westlic…
liberalen Demokratie“ erreicht. Laut Fukuyama seien alle tragfähigen
systemischen Alternativen zum westlichen Liberalismus „völlig
ausgeschöpft“, und die westliche Demokratie sei das Schicksal aller
Nationen. Dies würde zum Weltfrieden führen. Befreit von ideologischen
Rivalitäten und vereint durch internationale Marktkräfte gäbe es keinen
Grund und kein Interesse mehr, Krieg zu führen.
Die folgenden Ereignisse – der Fall der Berliner Mauer, der Zerfall der
UdSSR, Friedensinitiativen im Nahen Osten und demokratische Aufstände in
ehemaligen Sowjetrepubliken – schienen seine These zu bestätigen. Das
nächste Jahrzehnt war eine Zeit unglaublicher Hoffnung auf einen Frieden
auf der Grundlage von Demokratie, insbesondere in Israel. Selbst als diese
Hoffnung zu schwinden begann, blieb die offizielle Linie – vor allem in
Europa – bestehen, dass Demokratie eine entscheidende Voraussetzung für
dauerhaften Frieden sei.
Die Ankündigung eines Waffenstillstandsabkommens für Gaza durch
US-Präsident Donald Trump, gefolgt von einem Gipfeltreffen in Scharm
al-Scheich zur Zukunft des Gazastreifens, stellt Fukuyamas These infrage.
Sowohl Trump als auch sein Mitgastgeber, der ägyptische Präsident al-Sisi,
verwendeten Begriffe wie „Harmonie“, „Frieden“ und „Selbstbestimmung�…
die „neue Ära“ für den Nahen Osten zu beschreiben. Demokratie wurde jedoch
nicht erwähnt.
Angefangen bei Präsident Trump selbst, waren die meisten Länder des Gipfels
keine Befürworter der Demokratie: Unter den Teilnehmern befanden sich
Vertreter der Golfstaaten, Ungarns Viktor Orbán, der türkische Präsident
Recep Tayyip Erdoğan, Italiens Giorgia Meloni und sogar Mahmud Abbas, der
sich seit seinem Amtsantritt als Präsident der Palästinensischen
Autonomiebehörde im Jahr 2005 weigert, Wahlen abzuhalten.
Auch die Golfstaaten, die sich als Geldgeber für den Wiederaufbau des
Gazastreifens präsentierten, sind äußerst problematisch. Katar beherbergt
das politische Büro der Hamas und unterstützt diese Terrororganisation seit
Jahrzehnten finanziell. Darüber hinaus soll das Land Millionen von Dollar
[2][an enge Vertraute Netanjahus gezahlt haben], um Katars Image in der
israelischen und internationalen Öffentlichkeit aufzupolieren.
## Es ging gar nicht um Frieden
[3][Mit dem Waffenstillstandsabkommen] verfolgte Trump nicht das Ziel einer
demokratischen Zukunft für Gaza oder Israel, sondern vielmehr eine
persönliche Kampagne, um seine Macht zu demonstrieren und zu erreichen, was
der Biden-Regierung nicht gelungen war. Sein Mitgastgeber des
Friedensgipfels, der ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi, regiert
sein Land seit über einem Jahrzehnt mit eiserner Faust.
Vor einigen Wochen schien das noch keine Rolle zu spielen: Ein sogenannter
Frieden war erreicht, Europas zunehmend fragile Demokratien sahen tatenlos
zu und [4][bejubelten die Autokraten und Despoten – allen voran den
US-Präsidenten].
Doch Israels jüngste Verstöße gegen die Waffenruhe zeigen, wie [5][brüchig
Trumps autokratischer Friedensansatz ist].
Mit dem Waffenstillstandsabkommen gelang dem US-Präsidenten zwar die
Rückkehr der lebenden Geiseln, die israelischen Streitkräfte zum Rückzug
aus mehreren Gebieten im Gazastreifen zu bewegen und die Pläne der
Netanjahu-Koalition für einen „vollständigen Sieg“ und eine erneute
Besatzung zu stoppen – keine Kleinigkeit. Der US-Präsident ist jedoch ein
langjähriger Unterstützer und Verbündeter des israelischen
Ministerpräsidenten. Und er teilt dessen Abneigung gegen
Rechtsstaatlichkeit, eine unabhängige Justiz und Pressefreiheit. Trump hat
wiederholt gefordert, das laufende Korruptionsverfahren gegen Netanjahu, in
dem ihm Bestechung und Betrug vorgeworfen werden, einzustellen und ihn zu
begnadigen.
## Ein Schutzschirm für Bibi
Während Israels Militäroperation im Gazastreifen wurde das [6][Verfahren
gegen Netanjahu weitgehend ausgesetzt]. Nach Inkrafttreten des
Waffenstillstands wurde es wieder aufgenommen, das Gericht lehnte
Netanjahus Antrag auf Reduzierung der wöchentlichen Verhandlungstermine ab
– ohne den Krieg schienen ihm die Ausreden auszugehen.
Dann wurde die Gerichtsverhandlung wieder aufgrund
„Sicherheitsentwicklungen“ vorzeitig abgebrochen. Im Anschluss daran führte
Israel nach einem Angriff auf einen israelischen Soldaten Luftangriffe auf
Gaza durch. Trump verteidigte diese Angriffe mit den Worten: „Die Israelis
haben zurückgeschlagen, und das sollten sie auch“, während er gleichzeitig
behauptete, der Waffenstillstand sei nicht in Gefahr.
Offenbar lässt Trump Netanjahu hinsichtlich Israels Militäraktionen im
Gazastreifen beträchtlichen Spielraum, während er gleichzeitig behauptet,
Frieden sei erreicht. Dies entspricht Netanjahus politischer und
juristischer Agenda. Je länger Israels Militäroperationen in Gaza andauern,
desto länger kann Netanjahu seinen Prozess verzögern und desto länger
können Minister seiner Koalition eine antidemokratische Agenda
vorantreiben, während sich die öffentliche Aufmerksamkeit anderen Themen
zuwendet.
Netanjahu war schon immer ein offen friedensfeindlicher Ministerpräsident.
Daran hat sich nichts geändert. Seine enge Freundschaft mit Trump und seine
Nähe zu den antidemokratischen Führern in Europa und im Nahen Osten
bedeuten, dass ein wahrer Frieden in Gaza wohl ein Wunschtraum bleiben
wird. Selbst wenn letztendlich ein Waffenstillstand erreicht wird, wird ein
„neuer Naher Osten“ weit entfernt sein von Fukuyamas Vision vom Ende der
Geschichte. Stattdessen ist eine zunehmend autoritäre Koalition noch
erstarkt, vom Fluss bis zum Meer – und darüber hinaus.
6 Nov 2025
## LINKS
[1] https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://t…
[2] /Verbindungen-zwischen-Israel-und-Katar/!6076431
[3] /Waffenruhe-im-Gazastreifen/!6125358
[4] /Trump-will-Nobelpreis-fuer-Gaza-Deal/!6116367
[5] /Nach-dem-Waffenstillstand-in-Gaza/!6116925
[6] /Korruptionsprozess-gegen-Netanjahu/!6051606
## AUTOREN
Tamar Ziff
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