Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 50 Jahre „Rocky Horror Picture Show“: Ein Schritt nach links un…
> Das legendäre Musical feiert queere Selbstbefreiung. Heute, wo autoritäre
> Politik Körper normieren will, ist es wieder so bedeutend wie vor 50
> Jahren.
Bild: Tim Curry in seiner Rolle als Dr. Frank-N-Furter in der Rocky Horror Pict…
Bevor die Show losgeht, stehen wir backstage im Kreis und halten unsere
Hände. Wir tragen obszöne Schminke, Anzüge, Korsetts, billige Perücken –
und Netzstrumpfhosen, klar. „Auf drei lasst ihr in einem Schrei all das
los, was euch belastet.“ Eins. Wir schließen die Augen.
Es wird seltsam still, nur das Publikum draußen hört man dumpf durch die
Wände grummeln. Zwei. Alle atmen tief ein, die Hände umgreifen sich fester,
rot lackierte Fingernägel graben sich in die Haut der Nachbarin. Drei. Es
kreischt, brüllt, dröhnt und kräht los. Alles entlädt sich in diesem
gemeinsamen Lärm, den man bis in den Kinosaal des Babylons hört, bevor die
Show mit „Science Fiction/Double Feature“ beginnt.
[1][Dieses Jahr wird die „Rocky Horror Picture Show“, ein B-Movie, in dem
ein exzentrischer Transvestit ein naiv-bürgerliches Paar in einen Rausch
aus Sex und Selbstbefreiung hineinzieht, 50 Jahre alt.] Ich habe den Film
als Teenagerin zum erste Mal gesehen, etwa zehn Jahre später würde ich Teil
des sogenannten „Shadow Casts“ in Berlin werden.
Nach der Premiere 1975 dauerte es knapp ein Jahr, bis sich ein paar Freaks
für Mitternachtsvorstellungen im New Yorker Waverly Theater Nacht für Nacht
wie die Figuren im Film verkleideten, die Lieder, Dialoge und Tänze
auswendig lernten und im Kino synchron zum Film mitspielten. Ein paar
Auserwählte direkt vor der Leinwand. Dieser Ritus ging später in andere
Städte und Länder über, sodass die Vorstellungen mit Shadow Cast – meistens
zu Halloween – bis heute aufgeführt werden. Auch in Berlin.
Ebenfalls auf dem Programm steht pünktlich zu Halloween eine [2][mediale
Diskussion darüber an, dass der Film schlecht gealtert] sei, dass er queere
Personen falsch repräsentiere, dass der Transvestit Frank-N-Furter
unmoralisch sei.
## Ein Zufluchtsort
Auch wenn Kritik berechtigt sein mag – einen homoerotischen
Gothic-Horrorfilm zu zerpflücken, der älteren Queers in einer Zeit
vollständiger Unterdrückung, wie sie berichten, buchstäblich das Leben
gerettet und eine neue Welt eröffnet hat, ist entlarvend für so manche
Diskurse, die sich mehr mit innerlinken Kleinigkeiten beschäftigen statt
mit realen Gefahren.
Im Rocky-Horror-Jahr 2025 wurde Donald Trump erneut zum Präsidenten der USA
gewählt. Für die LGBTQ-Bewegung bedeutet das, dass die Regierung
[3][„Gender-Ideologie“, also diversen Sexualkundeunterricht, an Schulen
nicht mehr fördert], [4][trans Athletinnen im Frauensport ausschließt],
[5][Gender Affirming Care für Minderjährige verbietet], [6][trans Personen
aus dem Militär] ausschließt und festsetzt, [7][dass Gender binär se]i,
nämlich weiblich oder männlich.
Währenddessen führt in Deutschland eine Partei Umfragen an, die [8][in
ihrem Parteiprogramm] von staatlich gefördertem „Trans-Kult,
Frühsexualisierung und Genderideologie“ spricht. Es fühlt sich mächtig
danach an, dass nach einem kleinen Durchbruch massive Rückschritte
passieren, was die Rechte von queeren Menschen angeht.
Bis heute ist Rocky Horror deswegen ein Zufluchtsort, der einen dazu
auffordert „nicht zu träumen, sondern zu sein“, „wo man angenommen wird,
wie man ist“ sagen mir Cast-Kolleg_innen. Denn der Film wehrt sich gegen
ein faschistoides, geglättetes Verständnis von Kultur. Er schafft, da jeder
Teil der Show werden kann, ein wahrhaftiges Gefühl von Gemeinschaft, ist
überschwänglich, camp und schmutzig.
29 Oct 2025
## LINKS
[1] /50-Jahre-Rocky-Horror-Picture-Show/!6103098
[2] https://www.onstageblog.com/editorials/rocky-horror-picture-show-timeless-o…
[3] https://www.theguardian.com/us-news/2025/aug/21/trump-california-sex-educat…
[4] https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/2025/02/keeping-men-out-of-…
[5] https://www.lemonde.fr/en/united-states/article/2025/06/18/us-supreme-court…
[6] https://www.bbc.com/news/articles/cvgwwv3k5wxo
[7] https://www.dw.com/en/trump-targets-trans-nonbinary-rights-orders/a-71376679
[8] https://www.afd.de/wp-content/uploads/2025/02/AfD_Bundestagswahlprogramm202…
## AUTOREN
Valérie Catil
## TAGS
Kolumne Vierte Wand
Rocky Horror Picture Show
Queer
GNS
Horror
Kulturpolitik
Rocky Horror Picture Show
Mexiko
## ARTIKEL ZUM THEMA
Queeres Horror-Halloween: Das Monster im eigenen Körper
Horror als Ausdruck queerer Erfahrungen: Die Ausstellung Nightcrawlers in
Schöneberg spielt mit Ausgrenzung, Unterschiedlichsein und Dysphorie.
Polykrisen: Die Kultur im Zeitalter der goldenen Toilette
Wie steht es um Kunst und Kultur in einer Welt der Polykrise und nach dem
internationalen Aufstieg einer karnevalesken Rechten? Eine
Bestandsaufnahme.
50 Jahre „Rocky Horror Picture Show“: „I'm just a sweet transvestite“
Ein Sprung nach links: Wie nur gelang es der „Rocky Horror Picture Show“
zum am längsten kontinuierlich laufenden Film aller Zeiten zu werden?
Brauchtum weltweit: Bettdecke über'n Kopf an Halloween
Ich bin kein Fan von Halloween. Bettdecken mit Baumwollbezug wären mir als
weltweites Brauchtum lieber. Oder auch der mexikanische „Tag der Toten“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.