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# taz.de -- Wadephul in der Türkei: Gemeinsame Vorhaben
> Bei seinem Antrittsbesuch betont der Außenminister die strategische
> Zusammenarbeit. Über die innenpolitische Lage in der Türkei spricht er
> nur zögerlich.
Bild: Außenminister Johann Wadephul (CDU, l) tritt in Ankara mit seinem türki…
Als Johann Wadephul (CDU) am Freitagvormittag bei strahlendem Sonnenschein
in Ankara landet, steht ihm eine durchaus heikle Aufgabe bevor. In einer
schwierigen Gemengelage ist der Außenminister zu seinem Antrittsbesuch in
die Türkei gereist.
Einerseits ist das Land als Nato-Mitglied, das eine große Armee und Zugang
zum Schwarzen Meer hat, geopolitisch mit Blick auf die Bedrohung durch
Russland eigentlich unverzichtbar. Auch hat es eine [1][wichtige
Vermittlerrolle zwischen Israel und der Hamas] gespielt, beim Wiederaufbau
des Gazastreifens will die Türkei Verantwortung übernehmen. Und dann sind
da noch die Migrant*innen und Geflüchteten, deren weiterziehen in die EU
die Türkei verhindern soll.
Anderseits verwandelt Präsident Recep Tayyip Erdoğan sein Land immer mehr
in ein autoritäres System. Seitdem die Oppositionspartei CHP an Zustimmung
gewinnt und seine Macht gefährden könnte, geht er gegen die Partei massiv
vor, zahlreiche Oppositionspolitiker sitzen inzwischen im Gefängnis, der
[2][Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu] bereits seit sieben
Monaten ohne Anklageschrift.
Aber der deutsche Außenminister, der auch die Vorhut für eine Reise von
Bundeskanzler Friedrich Merz in die Türkei ist, hat sich dafür entschieden,
seinen Kollegen Hakan Fidan mit öffentlicher Kritik an der innenpolitischen
Situation besser nicht zu verärgern. „Demokratie, Menschenrechte und
Rechtsstaatlichkeit“ lägen Deutschland am Herzen - das ist das Äußerte, was
er seinem Kollegen zumutet, als sie am Nachmittag gemeinsamen vor der
Presse stehen.
## Humanitäre Lage in Gaza
Auch als eine deutsche Journalistin konkret nach İmamoğlu fragt, bleibt
Wadephul allgemein. Man habe „freundschaftlich und offen“ über alle Fragen
gesprochen, auch in Zusammenhang mit den Werten der EU.
Beide Minister betonen vor allem, dass sie die Zusammenarbeit ihrer Länder
noch weiter verstärken wollen, wirtschaftlich, aber auch in Sachen
strategischer Zusammenarbeit mit der EU. Im Kern des Gesprächs stand, wie
zu erwarten, die Lage in Gaza und die Frage, wie aus dem fragilen
Waffenstillstand ein Frieden werden kann. Und wie die humanitäre Lage der
palästinensischen Bevölkerung schnell verbessert werden kann sowie der
Einstieg in die weitere Umsetzung des 20-Punkte-Friedensplans von
US-Präsident Donald Trump - und der Beitrag, den die Türkei dazu leisten
kann.
Wadephul sagt, er sehe „in Demut auf diese große Aufgabe“, und dass es
dafür eine kraftvolle internationale Zusammenarbeit brauche. Die Türkei
habe den US-amerikanischen Friedensplan tatkräftig unterstützt und Einfluss
auf die Hamas genommen.
Auf der Hinreise im Flugzeug war er deutlicher geworden: Die Türkei müsse
weiter ihre guten Beziehungen zur Hamas nutzen, um Druck zur Umsetzung des
Gaza-Friedensplans zu machen, hatte der Minister betont. Eine Entwaffnung
der Hamas und die Umsetzung der Vorgabe, dass sie keine politische Rolle im
Gazastreifen mehr spielen dürfe, werde ein schwieriger Prozess sein. Da
werde man viel Geduld brauchen, „aber natürlich auch Druckpotenzial“. Fidan
betont in Ankara, die Friedensatmosphäre dürfe nicht gestört werden, da sei
man sich einig.
## Der Krieg in der Ukraine
Der deutsche Außenminister selbst will zu einer Wiederannäherung zwischen
der Türkei und Israel beitragen: „Ich sehe durchaus die deutsche Rolle
darin, wieder Verständnis und eine gemeinsame Ebene zwischen Israel und der
Türkei herzustellen“, sagte Wadephul im Flugzeug. Herausforderungen zu
benennen, scheut sich der Minister offensichtlich nicht. Erdoğan hat Israel
zuletzt immer wieder beschuldigt, in Gaza einen Völkermord zu begehen, und
verfügt, den Handel mit Israel einzustellen.
Insgesamt betonen beide Minister das große Potenzial der Zusammenarbeit.
Die Türkei sei für Deutschland ein „zentraler strategischer Partner
innerhalb des Nato-Bündnisses“, so Wadephul. Man habe, berichten beide,
über Syrien gesprochen, über Visaerleichterungen und die Zollunion, und
natürlich über das zweite große Thema, den Krieg in der Ukraine.
Die Türkei verfügt über gute Kontakte in beide Richtungen, jüngst erst hat
[3][Erdoğan den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei einem Gipfel in
China getroffen], die Türkei war als einziges Nato-Land dabei. Putins Kasse
füllt Erdoğan weiter durch Importe von Öl und Gas, in die Ukraine
exportiert die Türkei Waffen. Mehrfach hat das Land zudem Gespräche
zwischen den beiden Ländern ausgerichtet.
Es sei wichtig, dass die russische Kriegskasse auszutrocknen, betont
Wadephul, und dass Sanktionen nicht durch Unternehmen in Drittstaaten
unterlaufen werden dürften. Das kann man durchaus an Kritik an der Türkei
verstehen.
Das in den kommenden zwei Wochen geplante Treffen zwischen Trump und Putin
in Budapest begrüßen sowohl Wadephul als auch Fidan. „Ich finde es
grundsätzlich eine gute Entwicklung, dass die Gespräche endlich
weitergehen", sagt Wadephul im Flieger. Er sehe das als Vorstufe der
Gespräche, die dann zwischen Russland und der Ukraine stattfinden sollten.
Ob er es für ein Problem halte, dass das Treffen mit Putin, der vom
Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht wird, ausgerechnet
in der Hauptstadt des EU-Partners Ungarn stattfinden solle? „Solange das
mit der klaren Zielrichtung stattfindet, dass Friedensverhandlungen geführt
werden, ist das akzeptabel“, sagt Wadephul. Es müsse aber „klar sein, dass
wir jetzt nach einer erfolglosen Etappe in Alaska wirklich klare Schritte
und die Bereitschaft Moskaus erkennen müssen, zu einer Beendigung der
Kampfhandlungen zu kommen“.
Die Türkei, die eine wachsende Rüstungsindustrie hat, will zentraler
Bestandteil der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur
werden. „Safe“ sei von „kritischer Bedeutung“, sagt der türkische
Außenminister. Safe, [4][die europäische Aufrüstungsstrategie „Security
Action for Europe“], ist ein Programm, für das bis zu 150 Milliarden Euro
in Form von günstigen Krediten zur Verfügung stehen. So soll die
europäische Verteidigungsindustrie gestärkt werden. Die Türkei will
einbezogen werden.
Die Bundesregierung hat im Sommer den Weg für den [5][Export von
Eurofighter-Kampfjets in die Türkei frei gemacht]. Weil Deutschland an dem
europäischen Gemeinschaftsprojekt beteiligt ist, muss es die Zustimmung zum
Verkauf erteilen.
Ganz anders als der freundliche gemeinsame Presseauftritt von Wadephul und
Fidan war 2022 übrigens der Antrittsbesuch von [6][Wadephuls Vorgängerin
Annalena Baerbock von den Grünen verlaufen]: Sie hatte einen deutlich
schärferen Ton angeschlagen und sich mit ihrem Kollegen, dem damaligen
Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, vor laufenden Kameras eine Kontroverse
geliefert.
Zudem hatte sich Baerbock auch mit Vertretern der unter staatlicher
Repression leidenden Opposition und der Zivilgesellschaft getroffen.
Wadephul sprach am Freitag nur mit Fidan, dem türkischen Außenminister, und
dem Geheimdienstchef. Also allein mit Vertretern der Regierung.
17 Oct 2025
## LINKS
[1] /-Nachrichten-im-Nahost-Krieg-/!6119500
[2] /Proteste-gegen-mamolu-Festnahme/!6074351
[3] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!6111045
[4] /Europaeische-Verteidigungspolitik/!6090760
[5] /Eurofighter-fuer-die-Tuerkei/!6099028
[6] /Annalena-Baerbock-in-der-Tuerkei/!5871237
## AUTOREN
Sabine am Orde
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