| # taz.de -- Leben mit Bürgergeld: Her mit der Sozialpolitik für Kinder | |
| > Bürgergeldempfänger:innen leben in Armut, manche können sich nicht | |
| > einmal richtiges Essen leisten. Besonders dramatisch ist das für Kinder. | |
| Bild: Besonders für Kinder ist das Leben in Armut eine Belastung | |
| Wissen Sie, wie viel Paar Schuhe Sie besitzen? Wie viele Hosen, T-Shirts, | |
| Jacken? Ich weiß es nicht genau, auf jeden Fall sind es mehr als genug. Hat | |
| sich an einem Schuh eine Sohle gelöst und ist der Reißverschluss der | |
| Winterjacke kaputt, kann ich andere Schuhe und eine andere Jacke anziehen. | |
| Kein Problem. Dieses Privileg haben andere Menschen in der Republik nicht. | |
| Um genau zu sein: Mehr als 2 Millionen Menschen leben in finanziell derart | |
| prekären Verhältnissen, dass manche nicht einmal ein zweites Paar Schuhe | |
| besitzen. | |
| Ein Drittel der 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger:innen, um die es in | |
| diesen Fällen geht, kann sich einer Studie des [1][Paritätischen | |
| Wohlfahrtsverbandes] zufolge nur jeden zweiten Tag ein richtiges Essen | |
| leisten: gekocht, mit Gemüse, genügend Kohlehydraten, Eiweiß. Mehr als 16 | |
| Prozent der Menschen, die von Sozialgeld leben, heizen im Winter nicht, | |
| weil dafür das Geld fehlt, ein Drittel kann alte Kleidung nicht ersetzen. | |
| Manchen sieht man es an, andere frieren unbemerkt. | |
| Zugegeben, es gibt Menschen, die Offerten vom Jobcenter ablehnen, und | |
| einige wenige, die sich allen möglichen Angeboten verweigern. Sie sollen | |
| künftig stärker sanktioniert werden, so will es die Bundesregierung. | |
| Kindern bedürftiger Eltern indes kann man mitnichten vorwerfen, dass sie | |
| schuld sind an ihrer Situation. Vor allem bei ihnen erzeugt das Leben in | |
| Armut Stress, Scham, Versagensgefühle. Sie schämen sich für den abgeranzten | |
| Pulli, den schon der große Bruder abgetragen hat. Sie wagen nicht, Freunde | |
| zu sich nach Hause einzuladen. Und sie sind nicht selten schlechter in der | |
| Schule, weil ihnen echte Freundschaften und soziale Kontakte fehlen. In | |
| Deutschland leben laut [2][Unicef rund 800.000 Kinder dauerhaft in Armut]. | |
| Es mag wie ein Mantra klingen, das man nicht mehr hören will, und doch muss | |
| man erneut beklagen, dass ein – immer noch – reiches Land wie die | |
| Bundesrepublik nichts dagegen tut. Armut, insbesondere bei jenen, die von | |
| der Grundsicherung, wie das Bürgergeld künftig heißen soll, leben, ist | |
| nicht Gegenwart, es ist mehr denn je die Zukunft. | |
| Die Folgen von Wirtschaftsstagnation, steigender Arbeitslosigkeit, | |
| Dauerkrisen und höheren Lebenshaltungskosten spüren viele Menschen, jene | |
| mit sehr wenig Geld aber besonders. Will die Bundesregierung nicht nur den | |
| Frieden in Europa sichern, sondern auch den sozialen Frieden im eigenen | |
| Land, sollte sie sich (wieder) auf eine [3][echte Sozialpolitik besinnen – | |
| mindestens im Sinne der Kinder]. | |
| 17 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.der-paritaetische.de/ | |
| [2] https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/-/kinderarmut-deutschland/… | |
| [3] /Arbeitsgruppe-zur-Kindergrundsicherung/!5841580 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
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