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# taz.de -- Politologe über Politik in Tschechien: „Keine prorussische Wende…
> Die Wähler von Andrej Babiš in Tschechien handelten nicht aus EU-Skepsis,
> sagt Vít Dostál. Im Gespräch verrät er, welche Sorgen er trotzdem hat.
Bild: Der Vorsitzende der ANO-Partei, Andrej Babiš, feiert in Prag, am 4. Okto…
taz: Herr Dostál, [1][Andrej Babiš hat mit seiner rechtspopulistischen ANO
die Parlamentswahlen in Tschechien klar gewonnen.] Warum?
Vít Dostál: Seine Wähler trieben sozioökonomische Motive an, nicht
EU-Skepsis. In den letzten vier Jahren stagnierten die Reallöhne im Land
bei gleichzeitig hoher Inflation, steigenden Energiepreisen und einer
Wohnungskrise. Viele Menschen erinnerten sich vor der Wahl, dass es ihnen
unter Babiš’ erster Amtszeit von 2017 bis 2021 wirtschaftlich besser ging.
Besonders Wechselwähler und Beschäftigte im öffentlichen Dienst – Lehrer,
Polizisten, Ärzte – kamen zu dem Schluss, dass sie mit ihm besser fahren.
taz: Wie beurteilen Sie das Abschneiden der Links- und Rechtsradikalen?
Dostál: Die Parteien an den Rändern haben viel schlechter abgeschnitten als
erwartet. Zusammen kommen sie auf weniger als 20 Prozent. Mit Blick auf
andere Länder, auch Deutschland, ist das ein guter Wert. Die
kommunistisch-nationalistische Stačilo!, die einen Austritt aus EU und Nato
fordert, verfehlte gar den Einzug ins Parlament. ANO ist zwar eine
populistische Partei, aber sie will nicht das System sprengen.
taz: Wie könnte die neue Regierung aussehen?
Dostál: Klar ist: ANO wird definitiv regieren. Babiš kündigte bereits eine
Minderheitsregierung mit Unterstützung der rechtsradikalen SPD und der
Motoristen-Partei an. Die Motoristen müssen überlegen, ob sie ihre
Protestattraktion bewahren oder riskieren wollen, von Babiš vereinnahmt zu
werden. Denn bisher endeten alle Koalitionspartner entweder außerhalb des
Parlaments oder stark geschwächt.
taz: Welche Rolle spielt [2][Präsident Petr Pavel] nun?
Dostál: Eine sehr wichtige. Er signalisierte, dass er niemanden ernennt,
der gegen Nato oder EU ist. Gegen Babiš hegt er zudem weitere Vorbehalte.
Die starke Fragmentierung des Parlaments erschwert stabile
Regierungsarbeit. Deshalb werden Präsident und Senat mehr Einfluss
gewinnen. Scheitert die Regierung, könnten vorgezogene Neuwahlen folgen.
taz: Was ist von Babiš außenpolitisch zu erwarten?
Dostál: Er ist kein prinzipieller EU-Gegner und hat nicht vor, sie
absichtlich zu sabotieren. Bei der Klimapolitik könnte er aus
innenpolitischen Gründen Widerstand leisten. Entscheidend werden jene sein,
die mit ihm zusammenarbeiten: Eine Kooperation mit Rechtsradikalen würde
westeuropäische Staatschefs abschrecken. Eine mit Mainstream-Parteien wäre
handhabbarer.
taz: Was ist seine Position bezüglich [3][der Ukraine]?
Dostál: ANO ist zwar eine populistische Partei, aber Teil des Systems. Sie
ist keine Partei, die alles auf den Kopf stellen will. Ich würde keine
prorussische Wende erwarten. Auch die Motoristen haben in einer der
Wahldebatten klar die tschechische Munitionsinitiative für die Ukraine
unterstützt.
taz: Wie blicken Sie auf die langfristige Zukunft?
Dostál: Meine Sorge ist fehlende inhaltliche Kompetenz, wenn die Populisten
regieren. Die bisherige Koalition war außenpolitisch solide, aber
innenpolitisch schwach. Viele fühlten sich zurückgelassen. Wenn die neue
Regierung bei den großen Krisen unserer Zeit, von Wettbewerbsfähigkeit bis
Sicherheit, scheitert, könnten viele zu den Extremisten wechseln. Das ist
meine größte Befürchtung.
5 Oct 2025
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## AUTOREN
Florian Bayer
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Schwerpunkt LGBTQIA
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