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# taz.de -- Mit der Seawatch im Mittelmeer (5): Ein Dank ist verdient
> Zwei Wochen war die Sea Watch mit einem taz-Reporter auf See. 124
> Menschen wurden gerettet. Doch die Strapazen sind für sie noch nicht
> vorbei.
Bild: Gut angelegt: Die Sea Watch 5 im Hafen von Neapel nach der Rettungsfahrt
Langsam aber stetig steigt die Gangway, die schmale Zugangsbrücke, von
Seilen hochgezogen in die Luft. Darunter kommt das grünliche Wasser des
Hafenbeckens zwischen Schiff und Kaimauer zum Vorschein. Matrose Clement
Barbet steuert den Kran, der die Gangway zurück an Bord hebt, damit die
Sea-Watch 5 ablegen kann. Nach etwa acht Stunden in Neapel wird sie sich
wieder auf den Weg machen. Auf zu ihrem nächsten Einsatz – diesmal
allerdings ohne mich.
Als die ersten Sonnenstrahlen am Montagmorgen hinter dem Vesuv erscheinen,
fährt das blauweiße Seenotrettungsschiff gerade gemächlich in den
weitläufigen Industriehafen ein. Ein graues Patrouillenboot der Guardia di
Finanza eskortiert die Einfahrt und durch die Dämmerung erkennt man die
Lichter der Kreuzfahrtschiffe, die uns auf dem Weg in die süditalienische
Metropole überholen.
Im Hafen wartet bereits ein Empfangskomitee. Zelte wurden aufgebaut,
Vertreter:innen verschiedener italienischer Behörden, Küstenwache,
Polizei, Carabinieri, rotes Kreuz stehen am Kai und blicken in Richtung des
einfahrenden Schiffes. Sogar einige Presseleute stehen etwas abseits hinter
einer Absperrung. Grund für das Aufgebot ist, dass nicht nur ich hier von
Bord gehen werde – sondern auch die 124 neuen Passagiere der Sea-Watch 5.
Zwei Wochen habe ich die Crew des Rettungsschiffs zuerst bei ihrer
Vorbereitung im Hafen von Taranto und dann bei ihrem 15. Einsatz im
Mittelmeer begleitet. [1][Dabei ist dieses Bordtagebuch entstanden]. Unter
den dazugehörigen Videos haben sich inzwischen die Kommentarspalten
gefüllt.
„#Held*innen!“, „Danke für eure Hilfe ❤️“, „Engel auf einem Plan…
Finsternis…“, heißt es da – gemeint ist die Besatzung der Sea-Watch 5. U…
was soll ich sagen, ein Dank ist verdient. Die 29-köpfige Crew war in der
vergangenen Wochen unermüdlich – im wahrsten Sinne des Wortes, denn
geschlafen wurde wenig: [2][Zwei Seenotrettungen in zwölf Stunden],
Navigation durch raue See und dann noch [3][ein Schuss durch die libysche
Küstenwache].
## Zehn Mal versucht, das Mittelmeer zu überqueren
Doch die wahren Held:innen dieser Fahrt sind die 124 Menschen aus Sudan,
Bangladesch, Ägypten, Pakistan, Somalia, Guinea, Südsudan und Eritrea, die
es nun über die Sea-Watch 5 nach Italien geschafft haben. Viele von ihnen
durch die Wüste, den libyschen Knast, durch unmenschliche
Arbeitsverhältnisse, auf der Flucht vor Krieg und Armut.
Manche von ihnen sagen, sie haben es zehn Mal oder öfter versucht, das
Mittelmeer zu überqueren. Immer wieder wurden sie aufgehalten oder erlitten
Schiffbruch. All das, weil Europa keine legalen Fluchtrouten gewährleistet.
Nun ist eine Etappe ihrer Reise geschafft. Doch die Strapazen sind nicht
vorbei, vor ihnen liegt ein Spießrutenlauf durch die Behörden, der Kampf
mit der Ungewissheit und die Angst, wieder zurückzumüssen. Trotz all der
Unbekannten, Fallstricke und Hindernisse haben sie den gefährlichen Weg auf
sich genommen und nun zumindest ein Teilziel erreicht. Dafür gebührt ihnen
größter Respekt.
Die Gangway ist inzwischen verstaut. Mit den Behörden lief diesmal alles
glatt und das Schiff ist bereit zum Ablegen. Ein Hafenangestellter fährt
mit dem Auto vor und macht die Leinen los. Auf der Brücke winken Leute zum
Abschied. Dann beginnen die gewaltigen Motoren wieder zu brummen.
Ich stehe auf dem Kai und sehe das Schiff, auf dem ich die letzten zwei
Wochen gelebt habe, zwischen den Kränen und Lagerhallen kleiner werden. Für
mich endet damit eine intensive und lehrreiche Reise, für die 124 Menschen,
die es aus Libyen rausgeschafft haben, beginnt hoffentlich eine bessere
Zukunft.
Für die Sea-Watch 5 und ihre Crew war es nur ein kurzer Zwischenstopp in
Neapel – denn der nächste Einsatz wird nicht lang auf sich warten lassen.
2 Oct 2025
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## AUTOREN
Fabian Schroer
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