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# taz.de -- Nach Blockade durch Taliban-Regime: Afghanistan langsam wieder onli…
> Das Internet sei nie blockiert worden, vielmehr seien Glasfaserkabel
> verschlissen gewesen, sagen die Taliban. Warum das wenig glaubwürdig ist.
Bild: Straßenhändler in der nordöstlichen Großstadt Dschalalabad, von denen…
Berlin taz | Die Erleichterung in den Social-Media-Postings von Afghaninnen
und Afghanen im Exil und im Land selbst war greifbar, als am späten
Montagnachmittag nach 48 Stunden das Internet und der Mobilfunk wieder
funktionierten. Entsprechende Meldungen kamen aus immer mehr Provinzen
sowie aus den Großstädten Kabul, Masar-e Scharif – [1][wo das Internet
Mitte September zuerst abgeschaltet worden war] –, Herat und der
Taliban-Quasihauptstadt Kandahar.
Vorausgegangen war ein obskures Statement der Taliban, es habe überhaupt
weder einen Blackout gegeben noch ein [2][Verbot]. Zunächst hatte das
Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed in einer WhatsApp-Gruppe
pakistanischer Journalisten gepostet. „Die Glasfaserkabel waren
verschlissen und werden jetzt repariert“, habe es geheißen. Technische
Teams seien mit der Reparatur der Leitungen beschäftigt. Alles andere seien
„Gerüchte“.
Ein afghanischer BBC-Journalist postete derweil, „eine zuverlässige Quelle“
habe der BBC mitgeteilt, „dass die Telekommunikations- und Internetdienste
auf Basis eines Sonderdekrets des Premierministers der Taliban-Regierung
wiederhergestellt“ worden seien. Afghanen teilten aber mit, dass die
Geschwindigkeit des Internets weiterhin langsam sei.
Die Reparatur-Begründung der Taliban ist angesichts bisher bekannt
gewordener Details fadenscheinig. Daten von Internet-Analyse-Diensten
hatten einen landesweiten Blackout gezeigt und dass alle Netze, also
staatliche wie private Anbieter, abgeschaltet waren und die
Internetabdeckung landesweit gegen null gesunken war.
## Kehrtwende könnte auf Druck der Wirtschaft erfolgt sein
Einer dieser Dienste, NetBlocks, erklärte am Montag: „Telemetrische Daten
bestätigen, dass die Taliban in den vergangenen Wochen mit verschiedenen
Zensurmechanismen experimentiert haben, was ihren Behauptungen über ein
angebliches Glasfaserersetzungsprogramm widerspricht.“ Ebenso waren die
Abschaltungen ab Mitte September in mehreren Provinzen eindeutig belegt.
Der Argumentation der Taliban kommt entgegen, dass das angebliche
Verbotsdekret ihres Chefs Hebatullah Achundsada nie veröffentlicht wurde.
Doch ist bekannt, dass er sowieso meist zunächst mündliche Anweisungen
gibt. Diese werden dann weitergeben und manchmal schrittweise von Provinz
zu Provinz und manchmal auch gar nicht oder unvollständig landesweit
umgesetzt.
Jetzt hatten die Taliban wohl nicht mit Gegenwind gerechnet: aus der
Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft (was sie normalerweise kalt
lässt), aus den eigenen Reihen (auch das haben sie bisher – siehe
Mädchenschulverbot – ausgehalten) und aus der Wirtschaft. Auch die UNO
protestierte, weil durch die Abschaltung ihre humanitäre Hilfe für die
Opfer des September-Erdbebens behindert wurde.
Das kann als Argument bei der Taliban-Führung in Kandahar gewirkt haben.
Aber vor allem konnten sie die Wirtschaft nach dem Zusammenbruch des
Online-Bankings nicht ignorieren. Die ist ihre Achillesferse, denn davon
hängt ein Großteil ihrer Steuereinnahmen und damit das Überleben ihres
Regimes ab.
## Erstmals revidierten die Taliban eine zentrale Entscheidung
Bemerkenswert ist, dass die Taliban erstmals in einer zentralen
Politikentscheidung zurückrudern. Zugleich wäre aber ihr Reislamisierungs-
und Umerziehungsprojekt für die in ihren Augen westlich kontaminierten
Teile der Bevölkerung nicht beendet.
Die Taliban könnten Wege finden, den Internetzugang stärker zu
reglementieren und zu überwachen, wenn etwa Verbündete wie China, Iran oder
Russland ihre beste Überwachungstechnologie mit ihnen teilen. Das ist aber
nicht ausgemacht. Denn zu groß ist dort bei allen noch das Misstrauen
gegenüber dem Regime in Kandahar und Kabul, das nach wie vor
terroristischen Gruppen aus diesen Ländern Schutz gewährt, auch wenn es sie
nicht zu Terrortaten ermutigt.
2 Oct 2025
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## AUTOREN
Thomas Ruttig
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