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# taz.de -- Ex-Investor René Benko vor Gericht: Riesige Summen beiseitegeschaf…
> Der frühere Immobilienunternehmer René Benko muss sich in Österreich vor
> Gericht verantworten. Ihm drohen zehn Jahre Haft. Die großen Brocken
> kommen erst noch.
Bild: Der Immobilienunternehmer und Ex-Milliardär René Benko vor dem Landgeri…
Translator
Um 9.02 Uhr kommt er rein in den größten Verhandlungssaal des Innsbrucker
Landesgerichts, von einer Menschentraube umringt. René Benko ist korrekt
gekleidet in Anzug und mit roter Krawatte, das schwarze Haar gegelt,
Undercut-Schnitt. Schmaler ist er geworden in neun Monaten
Untersuchungshaft.
Fünf ziemlich martialisch aussehende Männer von der Justizwache umringen
ihn, schirmen ihn ab: René Benko, Österreichs Mega-Immobilienunternehmer
und Maxi-Pleitier, steht vor Gericht. Die Vorsitzende Richterin Andrea
Wegscheider nimmt knapp die Personalien ab: 48 Jahre alt, derzeit kein
Einkommen, vier Kinder. Keine Angaben zu Vermögen oder Schulden. Und auch
sonst nichts, er verweist knapp auf seinen Verteidiger.
Erstmals seit dem Konkurs seines Signa-Imperiums Anfang 2024, der sehr
viele und sehr große Bauprojekte in den Abgrund gerissen hatte, muss sich
Benko vor der Öffentlichkeit verantworten. Das Interesse ist groß, mehr als
70 Journalisten sind angemeldet. Benko wird „betrügerische Krida“
vorgeworfen, in Deutschland ist das ein Insolvenzvergehen – jemand legt
Geld zur Seite, obwohl er weiß, dass er pleitegehen wird.
## Hinter ihm die Sintflut
Benko hat einen Scherbenhaufen hinterlassen. Die [1][Warenhauskette Galeria
Kaufhof] ist ein prominentes Beispiel: Im Mai 2024 wurde sie an die
US-Investmentgesellschaft NRDC und den deutschen Unternehmer Bernd Beetz
verkauft. Es folgte ein massiver Stellenabbau, doch von den 92 Filialen in
Deutschland werden immerhin 83 weiter betrieben. Dichtmachen mussten Häuser
unter anderem in Berlin, Chemnitz, Essen, Augsburg oder Regensburg.
Von den Signa-Immobilienprojekten ist der Hamburger Elbtower der
bekannteste Unfall. Das Bauwerk sollte 245 Meter hoch werden und 64
Stockwerke haben. Architektonisch war es als Abschluss der Hafen-City
geplant. Es hat aber nur seine halbe Höhe erreicht, als die Arbeiten
gestoppt wurden. Der Elbtower steht leer und wird mehr und mehr zur Ruine.
Am Dienstag verkündete Hamburgs SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher,
[2][die Stadt wolle Teile des Gebäudes für das geplante Naturkundemuseum
nutzen]. Die Hamburger Bürgerschaft muss die Pläne allerdings noch
absegnen.
Insgesamt wurden in Deutschland [3][21 Signa-Projekte eingestellt, die im
Bau oder in der Sanierung waren.] Benko-Hinterlassenschaften gibt es unter
anderem [4][in Berlin], München, Frankfurt, Nürnberg und Stuttgart. Meist
stehen erst einmal die Städte in der Pflicht, sich um die
Hinterlassenschaften zu kümmern. Sie wollen, dass die Flächen genutzt
werden und nicht die Innenstädte verschandeln.
René Benkos Geldgeber werden nur sehr wenig von dem zurückerhalten, was sie
investiert hatten. Es handelt sich dabei um Milliarden von Euro. Neben
privaten Investoren zählen zu den Geschädigten Versicherungen und Banken.
Auch landeseigene Banken wie die Bayern-LB und die Landesbank
Baden-Württemberg sind dabei. Obwohl das öffentlich getragene Institute
sind, verweigern sie Angaben darüber, wie viel Geld sie Benko gegeben
hatten.
## U-Haft zu regulärer Haft
Bei der jetzt angeklagten Summe von insgesamt 660.000 Euro steht Benko eine
Haftstraße von bis zu zehn Jahren in Aussicht. In den Dimensionen des
Benko-Komplexes ist das allerdings erst einmal nur ein kleiner
Zwischenschritt. Denn die Strategie der Wiener Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist klar, wie ein Sprecher erläutert:
Benko soll durch diesen Teil-Prozess regulär hinter Gitter gebracht werden
und nicht länger in U-Haft bleiben, die immer wieder verlängert werden
muss. Derweil werde dann weiter ermittelt zu den ganz großen Brocken, etwa
zur Täuschung von Investoren. Weitere Prozesse sollen folgen.
An diesem Dienstag im Innsbrucker Landgericht geht es aber zunächst mal um
360.000 Euro, die er für Miet- und Nebenkostenzahlungen seiner Villa auf
dem Innsbrucker Hungerberg verwendet haben soll. Das Anwesen gehört
rechtlich nicht Benko, sondern einer seiner Familienstiftungen, die er
gegründet hat. Und bei denen ist er de facto der Chef. Benko ist also sein
eigener Vermieter.
Er habe „Gelder beiseitegeschafft“, ist sich die Staatsanwältin bei ihrem
Vortrag sicher, das „zur Befriedigung der Gläubiger“ hätte verwendet
müssen. Benko soll gewusst haben, dass ihm die Pleite bevorstand, er sei
eigentlich „mehr als knapp bei Kasse“ gewesen. Laut WKStA wollte er mit dem
Geld aber „trotz des Konkurses den luxuriösen Lebensstil von sich und
seiner Familie sichern“.
Der zweite Anklagepunkt: 300.000 Euro soll er einer Familienstiftung
zugeschanzt haben – auch, um nach einer Pleite flüssig zu bleiben. Seine
Mutter Ingeborg ist als Chefin der Stiftungen eingesetzt, als Strohfrau,
wie vermutet wird. Benkos Verschiebungen von Geldern, seine komplizierten
Konstruktionen, nennt die Staatsanwältin „Verschleierungen“. Doch man solle
sich „nicht von künstlich geschaffener Komplexität verwirren lassen“.
## Dachböden zu Penthouses
Ein völlig gegensätzliches Bild zeichnet der Verteidiger Norbert Wess von
seinem Mandanten. Die Anklage liege „völlig daneben“, meint er, der sich
heroisch als Benkos „vielleicht letzten Mitstreiter“ bezeichnet. Wess sieht
ihn als Macher, als Kämpfer, als eine Art Visionär, der unermüdlich an
seinen Immobilienprojekten arbeitete. Mit 17 Jahren hatte er angefangen,
alte Innsbrucker Dachböden in Luxus-Penthouses umzubauen.
Im Herbst 2023 allerdings „war das Marktumfeld eine Katastrophe“, so der
Anwalt. Die Corona-Krise lag in den letzten Zügen, Baustoffe und Energie
wurden immens teuer, die Immobilienpreise bröckelten. Schlechte
Geschäftsbedingungen für Benko und Signa.
Dieser aber, so Wess, „hat um sein Lebenswerk gekämpft, rund um die Uhr“.
Er habe den „Turnaround“ erreichen wollen. Hatte mit Investoren und Geld
hin und her jongliert. Norbert Wess scheint Mitleid mit Benko zu haben:
„Aber der Kampfgeist hat nichts gebracht.“
Mit seinen gewaltigen und hochfliegenden Signa-Projekten ist René Benko zum
größten Pleitier der österreichischen Nachkriegsgeschichte geworden. Laut
Berichten wurden 27 Milliarden Euro versenkt, von denen seine Geldgeber in
den laufenden Insolvenzverfahren nur wenig zurückbekommen dürften. Das ist
zuerst einmal nicht strafbar. Unternehmen dürfen scheitern, wenn sie sich
an die Gesetze halten. Doch laut WKStA hat sich Benko an viele Gesetze
nicht gehalten und damit einen strafrechtlich relevanten Schaden von 300
Millionen Euro verursacht.
Dem Phänomen Benko kann man sich über zwei Zugänge nähern. Der eine ist der
persönliche. Es ist die Geschichte vom unglaublichen Auf- und noch
unglaublicheren Abstieg. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, wurde zum
„Wunderwuzzi“ und einem der reichsten Männer der Alpenrepublik. Sein
Reichtum wurde nach der Insolvenz regelrecht ausgestellt: Das Büroinventar
in Wien wurde versteigert. Seine Villa in Sirmione am Gardasee wurde sogar
samt allen Gegenständen darin der Öffentlichkeit gezeigt.
Auktions-Interessenten konnten sich vor Ort alles anschauen – große Lampen,
alte Sessel, das Inventar der Küche. Alles musste raus.
Benko schaffte sich zwei Villen in Innsbruck an, jene am Lago di Garda, ein
Chalet im Nobelskiort Lech am Arlberg, eine Penthouse-Wohnung in Wien,
Hubschrauber und Yacht. Er gilt als prunksüchtig. Nun jagen die
Insolvenzverwalter nach jedem Cent.
Der andere Zugang ist der systemische. Wie konnte es überhaupt dazu kommen,
dass Benko mit einem offensichtlich wackligen Finanzierungsmodell dennoch
so lange Geldgeber fand? In seinem Arbeitszimmer an der Uni Innsbruck hat
sich der Wirtschaftsprofessor Leonhard Dobusch Gedanken dazu gemacht.
## Benko-Modell nicht nachhaltig
Er sagt, das Benko-Modell sei „nicht nachhaltig“. Es habe auch bereits
verschiedene Vorläufer gegeben, wie etwa den Frankfurter
Immobilienentwickler Jürgen Schneider, der eine Milliardenpleite hinlegte
und in Haft musste. Bei niedrigen Zinsen, einer boomenden Nachfrage und
steigenden Preisen sind mit solchen Geschäftsmodellen Milliarden zu holen.
Dreht sich der Wind, droht der Sturz.
Und Benko hat sehr reiche Menschen – dazu auch Banken und Versicherungen –
um den Finger gewickelt. Dobusch bezeichnet solche Leute als „Geldadel“.
„Das alte Geld verachtet Aufsteiger wie Benko zwar“, sagt er, „die Rendit…
von 8 oder mehr Prozent nahm man aber gerne.“
Verzückt von der Aussicht auf mehr und mehr waren Milliardäre, die nicht so
in der Öffentlichkeit stehen: etwa Hans-Peter Haselsteiner, ehemaliger Chef
des österreichischen Baukonzerns Strabag und Benko-Investor. Oder
Klaus-Michael Kühne, aus Hamburg stammender Logistik-Unternehmer, der nun
sagt: „Ich bin einem Ganoven ersten Ranges auf den Leim gegangen.“ Der von
ihm selbst bezifferte Verlust: eine halbe Milliarde Euro.
In Innsbruck sagt Richterin Wegscheider im Gerichtssaal, dass sich ein
Geständnis strafmildernd auswirken könne. Doch Benko plädiert auf
„unschuldig.“ Am Mittwoch werden Zeugenaussagen erwartet, schon am Abend
könnte ein Urteil fallen.
14 Oct 2025
## LINKS
[1] /Glaeubiger-stimmen-fuer-Sanierungsplan/!6013720
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/hamburger-plant-teilnutzung-des-elbt…
[3] /Spekulation-mit-Immobilien/!5925353
[4] /Gruene-fuer-Jugendzentrum-am-Hermannplatz/!6099681
## AUTOREN
Patrick Guyton
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