| # taz.de -- Anna Prizkaus Debütroman: Falsche Fährten | |
| > Wahr oder falsch, Glück oder Unglück? „Frauen im Sanatorium“ von Anna | |
| > Prizkau kreist um die wichtigen Fragen des Lebens in einem klugen Roman. | |
| Bild: „Die Seele besiegt den Körper. Immer“ | |
| „Frauen im Sanatorium“ ist ein Titel, der nach einem Roman des frühen 20. | |
| Jahrhunderts klingt. Er beschreibt gut, worum es geht, um einige | |
| Frauenfiguren im Deutschland der Gegenwart, die sich während des | |
| Aufenthalts in einer Klinik begegnen. Weil es das Deutschland der Gegenwart | |
| ist, haben einige dieser Frauen eine Migrationsgeschichte, die ihre | |
| spezifischen Traumata mit sich bringt. Aber auch eine Truppe von | |
| Bundeswehrsoldat*innen versucht sich in der Klinik nach einem | |
| Auslandseinsatz wieder ins Lot zu bringen. | |
| Im Zentrum dieses ersten Romans von [1][Anna Prizkau] steht eine | |
| Ich-Erzählerin, die ebenfalls Anna heißt und mit der Autorin außerdem | |
| gemein hat, dass auch sie ihre Mutter oft in Kliniken besuchen musste. Im | |
| Laufe der Erzählung entwirrt sich etwas, denn bald kommt der Verdacht auf, | |
| dass die Lesenden auf falsche Fährten gelockt wurden und ihnen womöglich | |
| etwas vorenthalten wird: Je weiter die Story voranschreitet, desto | |
| deutlicher wird, dass nicht klar ist, ob die Geschichten, die sich die | |
| handelnden Personen erzählen, wahr oder falsch sind. | |
| „Frauen im Sanatorium“ ist ein trauriges und lustiges Buch, was nicht | |
| verwunderlich ist, kann Humor doch nur entwickeln, wer sich angesichts der | |
| Erkenntnis der wunderbaren Sinnlosigkeit des Lebens selber nicht ganz ernst | |
| nimmt. So kreist der Roman um die Frage, was Glück ist, ob es überhaupt | |
| welches geben kann, und wie sich das eigene Unglück erklären und erzählen | |
| lässt. | |
| ## „Philosophie für Irre“ | |
| Elif, eine der Figuren, wünscht sich ihr Unglück, bei anderen kommt es von | |
| ganz allein. Unglück und Glück haben ihre Eltern den Figuren mitgegeben. | |
| Und doch sind die es am Ende selbst, die sich das eine oder andere | |
| bescheren. Eine der Krankenschwestern erklärt Anna zwar: „Die gute | |
| Nachricht ist, dass es, weil es kein Glück gibt, auch kein Unglück gibt.“ | |
| Die aber hält das für eine „Philosophie für Irre“. | |
| Die Menschheit, das exemplifizieren die Frauen im Sanatorium, ist eine so | |
| soziale wie brutale Spezies, und eins bedingt das andere. Es stehen viele | |
| einfache und kluge Sätze in diesem elegant erzählten und bewegenden Roman, | |
| dessen Figuren in ihren Gebrochenheiten sehr real und gegenwärtig | |
| erscheinen. Darunter dieser: „Die Seele besiegt den Körper immer.“ | |
| Ulrich Gutmair | |
| 17 Oct 2025 | |
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| Ulrich Gutmair | |
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