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# taz.de -- Seenotrettung im Mittelmeer: Ein Schuss in der Nacht
> Die libysche Küstenwache soll während eines Rettungseinsatzes der
> Sea-Watch 5 gefeuert haben, sagt die Crew. Ein Reporter der taz war
> dabei.
Bild: Rettungseinsatz der Sea-Watch 5, vor dem Schuss. Die Crew rettete 66 Mens…
Mittelmeer taz | „Ich sah gerade, wie die letzten Menschen in den Hangar
kamen, und wollte noch die Tür der Deckwerkstatt schließen, da hörte ich
einen sehr lauten Schuss“, erklärt Bootsmann Dan Bebawi. Ein Schiff der
libyschen Küstenwache sei seitlich neben der [1][Sea-Watch 5] hergefahren,
sagt Bebawi gegenüber dem mitreisenden taz-Reporter. Er habe sich flach auf
den Boden gelegt und dort etwa zwanzig Minuten gewartet, bis die
Information kam, dass die Lage wieder sicher sei.
Der Vorfall auf dem [2][Seenotrettungsschiff] ereignete sich früh am
Freitagmorgen. Crew und Schiffsführung sind sich einig: Ein Schuss wurde
abgegeben. Verletzte gab es keine. Es werde dringend vermutet, dass das
Schiff der libyschen Küstenwache angehöre, hieß es weiterhin.
Dabei war die Sea-Watch 5 gerade mitten in einer Rettungsaktion. Kurz vor
drei Uhr morgens hatten die Alarmglocken an Bord geläutet: „Close contact
rescue, this is not a drill“. Die Crew des Schiffs, welches von der
deutschen NGO [3][Sea-Watch e.V.] betrieben wird, sprang aus ihren Betten
und eilte auf ihre Positionen.
Ein Boot wurde von der Brücke aus in nächster Nähe gesichtet. Zu dieser
Zeit befand sich die Sea-Watch 5 in internationalen Gewässern. Diese sind
aber gleichzeitig Teil der libyschen Search and Rescue Region (SRR), wo die
libysche Küstenwache operiert, etwas mehr als 40 Seemeilen vor der
libyschen Küste.
## Erste Alarmstufe: Crew und Gerettete werden ins Innere des Schiffs
gebracht
65 Männer und eine schwangere Frau gelangten mithilfe der beiden
Rettungsboote lebendig an Bord. Die zwei vermummten Fahrer des
Glasfaserbootes, welches mit starken Motoren ausgestattet gewesen sein
soll, lehnten laut Angaben des Rettungsteams ab, mit auf das Mutterschiff
zu kommen. Sie seien stattdessen zurück in Richtung Süden davongefahren.
Der Zustand der Geretteten sei stabil, erklärte das medizinische Team.
Während dieser Rettungsaktion sei es laut der Crew zu dem Vorfall mit einem
Schiff der libyschen Küstenwache gekommen. Während des Einsatzes habe sich
die Brücke „in Funkkontakt mit einem Schiff befunden, das sich als libysche
Küstenwache identifiziert“ habe, sagt Einsatzleiterin Eliora Henzler. Die
Küstenwache habe der Sea-Watch 5 befohlen, nach Norden zu fahren. Man habe
geantwortet, dass eine Rettungsaktion laufe und man danach abdrehen werde.
Der taz-Reporter sah, wie ein graues, etwa dreißig Meter langes Metallboot
in nächster Nähe des Schiffs vorbeifuhr – ein Fahrzeug der Corrubia-Klasse,
welches laut Sea-Watch häufig von der libyschen Küstenwache verwendet wird.
Die Schiffsführung schätzte die Entfernung zwischenzeitlich auf weniger als
fünfzig Meter und damit als „sehr unsicher“ ein – erste Alarmstufe. Sowo…
Gerettete als auch die Crew wurden daraufhin ins Innere des Schiffes
gebracht.
Kurz darauf, als das Schiff bereits auf Kurs Nord war, etwa um vier Uhr,
vernimmt Bootsmann Bebawi den Schuss. Ein Notruf wird abgesetzt. „Ich habe
nicht gehört, dass sie das Schiff getroffen hätten, und sie waren sehr
nahe, also nehme ich an, dass sie in die Luft geschossen haben“, sagt er.
Einen Vorfall wie diesen habe er während seiner siebenjährigen Arbeit in
der Seenotrettung noch nicht erlebt. Ob es wirklich zu keinem Treffer kam,
wird sich erst im Hafen herausfinden lassen.
## Kurs auf Süditalien
Das graue Boot sei der Sea-Watch 5 weitere 20 Minuten gefolgt, sei dann
aber abgedreht. Daraufhin wurde auch die Alarmbereitschaft wieder
aufgehoben.
Die meisten der am Freitag Geretteten kommen laut eigenen Angaben aus
Bangladesch, andere gaben an, aus Ägypten, Pakistan, Somalia oder Eritrea
zu stammen. Ein Mann aus Bangladesch erklärte gegenüber der taz, ihr Ziel
sei die italienische Insel Lampedusa gewesen. Nach weniger als der Hälfte
des Weges dorthin sei jedoch Wasser ins Boot gelaufen. Es habe ihm bis zu
den Knien gereicht. „Ich hatte große Angst, dass wir es nicht schaffen“,
sagte er.
Die Sea-Watch 5 hält momentan Kurs auf Neapel in Süditalien. Der dortige
Hafen wurde der Schiffsführung von der italienischen Küstenwache als sicher
zugewiesen. Dort sollen die Geretteten an Land gehen. Die libysche
Seenotrettungsleitstelle ließ eine taz-Anfrage zu den Vorfällen von
Freitagmorgen bislang unbeantwortet. [4][Erst Ende August war das von der
Organisation SOS Méditerranée betriebene Seenotrettungsschiff Ocean Viking
unter starken Beschuss durch die libysche Küstenwache geraten.]
26 Sep 2025
## LINKS
[1] /Mit-der-Seawatch-im-Mittelmeer-3/!6115933
[2] /Mit-der-Seawatch-im-Mittelmeer-2/!6114588
[3] https://sea-watch.org/
[4] /Seenotrettung-im-Mittelmeer/!6106586
## AUTOREN
Fabian Schroer
## TAGS
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