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# taz.de -- Warten auf den Frieden in Gaza: Mit Stethoskop und Telefon in den H…
> Die Gegend um das Al-Shifa-Spital in Gaza muss evakuiert werden. Doch
> Arzt Abu Salmiya wartet auf Ergebnisse der Verhandlungen um ein
> Kriegsende.
Bild: Dialysebehandlung im Al-Shifa-Krankenhaus während einer israelischen Mil…
Gaza/Berlin taz | Der Arzt Mohammad Abu Salmiya fühlt sich derzeit wie der
Kapitän eines sinkenden Schiffes. Er eilt in den Gängen des
Al-Shifa-Spitals in Gaza-Stadt hin und her; in der einen Hand hält er sein
Stethoskop, in der anderen sein Telefon. Das ist überlebenswichtig dieser
Tage. Denn Abu Salmiya muss stets auf dem Laufenden bleiben: Rückt das
israelische Militär weiter vor, und er muss das Krankenhaus räumen, mit den
Patienten und Mitarbeitern? Oder kommt der Waffenruhe-Geisel-Deal, und sie
alle können bleiben?
Das Al-Shifa-Spital liegt im Westen von Gaza-Stadt – und tief in dem
Gebiet, zu dessen Verlassen das israelische Militär im Rahmen seiner
Offensive auf Gaza-Stadt wiederholt aufgerufen hat. Begonnen hatte sie
bereits vor Wochen: Lange gab es vor allem Luftangriffe, die Truppen
standen in den Außenbezirken. Mitte September begann dann die großangelegte
Bodenoffensive nach Gaza-Stadt hinein. Zuvor lebten in und um die Metropole
im nördlichen Gazastreifen etwa eine Million Menschen. Nach Angaben der
israelischen Armee sind seitdem etwa 870.000 von ihnen [1][in den Süden
geflohen]. Doch einige Menschen harren noch immer in Gaza-Stadt aus.
Darunter sind Kämpfer der Hamas, aber auch viele Zivilistinnen und
Zivilisten, die sich etwa eine Flucht gen Süden nicht leisten können.
Unter den Gebliebenen ist auch Doktor Abu Salmiya. Er ist der Direktor des
Al-Shifa-Krankenhauses – und mittlerweile international bekannt. Im
November 2023 nahm ihn das israelische Militär fest, unter dem Vorwurf, er
habe der Hamas erlaubt, das Krankenhaus als Kommandozentrale zu nutzen.
Eine konkrete Anklage wurde jedoch nie erhoben, etwa sieben Monate später
kam er wieder frei.
Abu Salmiya ist an diesem Tag in Zivil gekleidet: Wegen des vielen Blutes,
mit dem er ständig in Berührung komme, trage er seinen weißen Arztkittel
nicht mehr, erzählt er. Teils ist es das Blut seiner eigenen Familie: Im
September wurden, so berichtete es die Times of Israel, sein Bruder und
weitere Verwandte in das Al-Shifa-Spital eingeliefert – tot. Israel
erklärte damals, der Bruder sei ein Scharfschütze in einer Hamas-Einheit
gewesen. Er selbst bestreitet das.
Das größte Krankenhaus im Gazastreifen
Das Al-Shifa wurde bereits zweimal von der israelischen Armee eingenommen:
Einmal kurz nach [2][dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 in
Südisrael]. Und dann erneut im März 2024. Nach zwei Wochen zogen die
Truppen damals wieder ab – und hinterließen Massengräber auf dem Gelände.
[3][So berichtete es damals etwa die britische BBC] unter Berufung auf
Augenzeugen. Unter den Toten in den Gräbern, schreibt sie, hatten sich
augenscheinlich auch Patienten befunden, „manche mit Infusionszugängen“.
Abu Salmiya erinnert sich daran, wie er nach seiner Freilassung in das erst
Wochen zuvor wieder vom Militär freigegebene Krankenhaus zurückkehrte: Der
Zustand sei „herzzerreißend“ gewesen. Das Al-Shifa-Spital, sagt er heute,
sei nicht einfach eine medizinische Einrichtung. Sondern das größte
Krankenhaus im Gazastreifen – und der einzige Ort, an dem unter den
derzeitigen Bedingungen im abgeriegelten nördlichen Teil des Gazastreifens
noch eine zumindest grundlegende medizinische Versorgung angeboten werde.
Deswegen bleibt er.
In den Inkubatoren für Neugeborene, erzählt er, lägen derzeit 15 Säuglinge.
Sie seien auf Sauerstoff und [4][die wenige Nahrung angewiesen], die das
Spital ihnen zuführen könne. Sie seien in echter Gefahr, betont er, sollte
das israelische Militär das Krankenhaus angreifen. „Wir würden sie
zweifellos verlieren“, sagt er.
Nahrung, Sauerstoff und Medikamente seien äußerst knapp, die Ärzte
gezwungen, zu entscheiden, wer behandelt wird. Darüber hinaus seien die
MRT- und Röntgengeräte seit Monaten außer Betrieb, sodass es unmöglich sei,
Verletzungen genau zu diagnostizieren. Das sei insbesondere ein Problem,
weil eine große Anzahl von Patienten mit Metallsplittern – etwa durch nach
Luftangriffen herumgeschleuderte Trümmerteile – eingeliefert wird. Und auch
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden immer weniger – viele
flüchteten derzeit in den Süden.
## Im Al-Shifa-Spital liegt auch die sechsjährige Suwar
Am Dienstag der vergangenen Woche besuchte ein Team des Internationalen
Roten Kreuzes das Spital, darunter Sarah Avrillaud, Leiterin der
Unterdelegation des Internationalen Komitees des Roten Kreuz im
Gazastreifen. Das Team, erzählt Abu Salmiya, habe ihnen einige medizinische
Hilfsgüter und Verbrauchsmaterialien geliefert. Am vergangenen Mittwoch
[5][erklärte das Rote Kreuz dann in den sozialen Medien]: Die intensivierte
Offensive des Militärs in Gaza-Stadt zwinge sie dazu, alle Aktivitäten in
Gaza-Stadt vorübergehend einzustellen und in den Süden zu ziehen. Damit
bleiben den verbliebenen Bewohnerinnen und Bewohnern in Nordgaza noch
weniger Versorgungsstellen.
Unter den Patientinnen im Al-Shifa-Spital ist auch die Tochter von Sally
Al-Muqayed. Sie stammt aus dem Gebiet Tel Al-Hawa im Nordosten Gazas. Eines
Tages, erzählt sie, standen die Panzer in ihrem Wohnviertel. Sie sei
gezwungen gewesen, unter schwerem Beschuss zu fliehen, mit den beiden
Töchtern im Alter von sieben und sechs Jahren. Während dieser Flucht habe
sie ein Geschoss getroffen, es habe das Bein der Siebenjährigen zerfetzt
und ihren Bauchraum aufgerissen. Sie sei sofort tot gewesen. Die
Sechsjährige sei dabei am Kopf von einem Granatsplitter getroffen worden.
Sie überlebte – sei aber teilweise gelähmt, erzählt Al-Muqayed. Es gebe
Hoffnung für eine erfolgreiche Behandlung der kleinen Suwar Al-Muqayed,
sagt sie. Aber nur außerhalb des Gazastreifens.
Doch wie sollen sie mit ihrer Tochter vom Norden in den Süden des
Gazastreifens kommen, fragt Al-Muqayed sich. Das Kind ohne Sauerstoff oder
eine medizinische Trage über eine lange Strecke zu transportieren, gleiche
einem Todesurteil. Und neben dem Roten Kreuz ist auch das Team von Ärzte
ohne Grenzen mittlerweile in den südlichen Teil des Gazastreifens geflohen.
Also bleiben sie im Al-Shifa-Spital und hoffen.
## Wie steht es um die Verhandlungen in Ägypten?
Die Hoffnungen vieler – der Menschen im Gazastreifen, wie auch der
Angehörigen der noch immer dort festgehaltenen 48 Geiseln – ruhen auf den
Verhandlungen zwischen Israel und Hamas, die derzeit in Ägypten
stattfinden. Sie basieren auf dem [6][von US-Präsident Donald Trump
vorgelegten 20-Punkte-Plan]. Darin ist unter anderem festgehalten: Alle
Geiseln müssen auf einmal nach Israel zurückgebracht werden, dafür stellt
das Militär den Krieg ein und zieht sich zurück – allerdings auf
Positionen, die weiter innerhalb des Küstenstreifen liegen.
Dieser Abzug ist Diskussionsthema – wie auch die Entwaffnung der Hamas und
die Personalien palästinensischer Gefangener, die freikommen sollen. Nach
Angaben des an den Verhandlungen beteiligten Katar sei es „für Pessimismus
oder Optimismus“ noch zu früh. Denn über „viele Teile“ des Trump-Plans
müsste noch eine Einigung erzielt werden.
Auch das Schicksal des Al-Shifa-Spitals in Gaza-Stadt hängt an den
Verhandlungen in Ägypten. Vielleicht wird bald das Telefon Abu Salmiyas
klingen. Und er wird endlich erfahren, [7][ob der Frieden kommt – oder
weiter Krieg herrscht.]
7 Oct 2025
## LINKS
[1] /Gaza-Stadt/!6109262
[2] /7-Oktober---ein-Jahr-danach/!6034819
[3] https://www.bbc.com/news/articles/c511k1nqx81o
[4] /Hungersnot-in-Gaza/!6102490
[5] https://x.com/ICRC/status/1973372327988543806
[6] /Friedensplan-fuer-Gaza/!6114978
[7] /Warten-auf-den-Waffenstillstand/!6117928
## AUTOREN
Lisa Schneider
Hisham Al-Masri
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