# taz.de -- Jahrestag Überfall auf Israel: Über 8.000 antisemitische Vorfäll… | |
> Laut Dokumentationsstelle RIAS gab es 2024 ein Rekordhoch an | |
> judenfeindlichen Vorfällen. Vor allem der israelbezogene Antisemitismus | |
> hat zugenommen. | |
Bild: Antisemitische Vorfälle in Deutschland haben stark zugenommen | |
Zwei Jahre ist es her, dass Milizen der islamistischen Organisation Hamas | |
den Grenzzaun zwischen dem Gazastreifen und Israel überwanden und im Land | |
ein präzedenzloses Massaker anrichteten. Etwa 1.200 Menschen starben am | |
[1][7. Oktober 2023] in Israel, weitere 250 wurden als Geiseln in den | |
Gazastreifen verschleppt. 48 waren am 6. Oktober 2025 immer noch dort. | |
Dass jüdische Menschen und Institutionen infolge von Konflikten in Israel | |
bedroht oder angegriffen werden, hat weltweit eine tragische Kontinuität. | |
Wie stark die Bedrohungslage im Hinblick auf Deutschland und den 7. Oktober | |
2023 zugenommen hat, zeigt ein neuer Bericht des Bundesverbandes der | |
Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS). Die 2018 | |
gegründete Nichtregierungsorganisation sammelt und dokumentiert | |
antisemitische Vorfälle. Dabei erfasst RIAS ausdrücklich Vorfälle auch | |
abseits der Strafbarkeit nach deutschem Recht. [2][Der jüngst | |
veröffentlichte Bericht trägt den Titel „Politischer Antisemitismus in | |
Deutschland seit dem 7. Oktober“.] | |
Für 2024 dokumentiert RIAS 8.627 antisemitische Vorfälle, ein neuer | |
Negativrekord. Die Natur dieser Vorfälle habe sich aber verändert: „Bis | |
einschließlich 2022 war der Post-Schoa-Antisemitismus die am häufigsten von | |
RIAS erfasste Erscheinungsform. Das galt bis zum 7. Oktober 2023. Seither | |
ist der israelbezogene Antisemitismus die am häufigsten dokumentierte | |
Erscheinungsform im Vorfallgeschehen in Deutschland.“ Unter | |
„Post-Schoa-Antisemitismus“ versteht RIAS unter anderem die „Leugnung, | |
Bagatellisierung oder Verherrlichung“ des Holocaust, auch Schoa genannt. | |
Als „israelbezogenen Antisemitismus“ fasst RIAS gemäß der Arbeitsdefiniti… | |
Antisemitismus der International Holocaust Rememberance Association (IHRA) | |
ein Spektrum an Aussagen, Haltungen und Symbolen – unter anderem die | |
Haftbarmachung von Jüdinnen und Juden für Handlungen des Staates Israel. | |
Für seinen Bericht hat RIAS 2.225 Versammlungen von Oktober 2023 bis Ende | |
2024 ausgewertet. Eine übergroße Mehrheit fällt in die Kategorie | |
„antiisraelischer Aktivismus“, andere Kategorien heißen etwa | |
„links-antiimperialistisch“, „islamisch/islamistisch“ oder | |
„rechtsextrem/rechtspopulistisch“. | |
Laut der Analyse ist das Vorkommen antisemitischer Inhalte auf | |
Versammlungen dieser Art stark gestiegen. Auf 89 Prozent der Versammlungen | |
seien antisemitische Inhalte geäußert worden, im Vergleich zu etwa 20 | |
Prozent im Zeitraum vor dem 7. Oktober 2023. Der Bericht enthält neben | |
etlichen Zitaten auch Fotos von Plakaten, Stickern oder Schmierereien. So | |
huldigen Abbildungen etwa Führungspersönlichkeiten der Hamas oder | |
vergleichen die israelische Kriegsführung mit den Vernichtungspraktiken der | |
Nationalsozialisten. | |
Auch die auf vielen pro-palästinensischen Demonstrationen verwendete Parole | |
[3][„From the river to the sea, Palestine will be free“] wird seitens RIAS | |
als implizite Aberkennung des Existenzrechts Israels und damit als | |
antisemitisch eingestuft. | |
Die Einschätzung des RIAS-Berichts deckt sich mit den Erfahrungen | |
Betroffener. Joshua Schultheis, Redakteur der Jüdischen Allgemeinen in | |
Berlin, sagt zu den Ergebnissen des Berichts: „Der Hass auf Israel und | |
seine jüdischen Bewohner sowie auf echte und vermeintliche Zionisten ist | |
ohne Frage die häufigste Form des Antisemitismus, den dem Juden in | |
Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 betroffen sind.“ | |
Er als Journalist bei einer jüdischen Zeitung werde seit dem 7. Oktober | |
häufiger unter Bezugnahme auf den Nahost-Konflikt angefeindet. „Dabei macht | |
es interessanterweise keinen Unterschied, wie differenziert und kritisch | |
ich mich in meinen Texten mit der israelischen Kriegsführung in Gaza | |
auseinandersetze.“ | |
Die Auslegung des Antisemitismusbegriffs von RIAS ist umstritten. Die | |
derzeit unter anderem von der Partei Die Linke verwendete [4][„Jerusalemer | |
Erklärung“] – eine alternative Antisemitismusdefinition mit anders | |
gelagerten Schwerpunkten, die insbesondere den Rahmen für kritische | |
Aussagen gegenüber Israel weiter öffnen möchte – wird von RIAS als „von | |
Widersprüchen, Inkohärenzen und Leerstellen“ geprägt“ beschrieben. | |
Auch der israelische Journalist Itay Mashiach kritisierte im Juni dieses | |
Jahres in einem Bericht die Arbeit von RIAS stark. Methodik und | |
Perspektive, so Mashiach, diene den Interessen der israelischen Rechten, | |
die versuche, Kritik am Staat Israel mit Antisemitismusvorwürfen | |
abzuwehren. [5][Dem widersprach Daniel Poensgen, wissenschaftlicher | |
Referent bei RIAS, in der taz] und sprach von einer verzerrten Wiedergabe | |
und einer falschen Generalisierung der RIAS-Berichte. | |
Laut Joshua Schultheis ist die antisemitische Mobilisierung auf | |
Protestveranstaltungen zum Krieg im Nahen Osten ein wesentlicher Treiber | |
der von RIAS erfassten Dynamik: „Wie auch der RIAS-Bericht zeigt, sind | |
antisemitische Vorfälle häufig anlassbezogen. Antisemiten haben mit dem | |
Gazakrieg seit zwei Jahren einen Anlass, ihrem Hass freien Lauf zu lassen. | |
Sie kapern dabei häufig auch Demonstrationen gegen die israelische | |
Kriegsführung, deren Teilnehmer in der Mehrheit wahrscheinlich gar nicht | |
durch Antisemitismus motiviert sind.“ | |
Ein Ende des Konflikts könne zwar zu einer Beruhigung der Lage beitragen, | |
aber: „Die Vernetzung gewaltbereiter antisemitischer Akteure aus | |
verschiedenen aktivistischen Milieus wird das Kriegsende überdauern und | |
weiterhin ein Bedrohungspotenzial für Juden darstellen.“ | |
6 Oct 2025 | |
## LINKS | |
[1] /7-Oktober-2023/!t6117531 | |
[2] https://report-antisemitism.de/documents/25-10-06_BVRIAS_Politischer-Antise… | |
[3] /Umgang-mit-Palaestina-Parole/!6104185 | |
[4] /Antisemitismus-Definition/!6088799 | |
[5] /Antisemitismus-NGO-Rias-ueber-Vorwuerfe/!6088525 | |
## AUTOREN | |
Konstantin Nowotny | |
## TAGS | |
7. Oktober 2023 | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Antisemitismus | |
Israel | |
Juden | |
GNS | |
Nahost-Debatten | |
Antisemitismus | |
Antisemitismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Anti-Israelische Plakataktion in Berlin: Mordaufruf gegen linke Kneipenwirte ke… | |
In Berlin kursieren anti-israelische „Fahndungsplakate“ gegen Betreiber der | |
linken Schänke „Bajszel“. Kein Einzelfall: Ein weiteres betraf einen | |
taz-Redakteur. | |
Linkenpolitikerin über Antisemitismus-AG: „Das Thema begleitet linke Struktu… | |
Weil es antisemitische Tendenzen in ihrer Partei gebe, hat die Lüneburger | |
Linke Marianne Esders die AG „Gegen jeden Antisemitismus“ mitgegründet. | |
Antisemitismus-NGO Rias über Vorwürfe: „Unsere Ergebnisse sollen abgewertet… | |
Ein Bericht der Diaspora Alliance kritisiert die Arbeit der | |
Antisemitismusmeldestelle Rias. Ein Sprecher weist die Vorwürfe als | |
„bizarr“ zurück. |