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# taz.de -- Malawi vor den Wahlen: Unzufriedene Jugend gegen unfähige Alte
> Am Dienstag will Malawis 70-jähriger Präsident gegen seine 85-jährigen
> und 75-jährigen Vorgänger bestehen. Die Bevölkerung ist mehrheitlich
> unter 30.
Bild: Bauernversammlung im Distrikt Mulanje. Das Gebiet im Südosten Malawis is…
Lilongwe taz | Am 16. September geht Malawi an die Wahlurnen, und
Beobachter sprechen von einer Schicksalswahl. 7,2 Millionen registrierte
Wähler können sich zwischen 17 Präsidentschaftskandidaten entscheiden – ein
Rekord und ein Scheideweg für ein Land, das mit einer stagnierenden
Wirtschaft, wiederkehrender Lebensmittelknappheit, zunehmenden Klimaschocks
und wachsendem Frust in der Bevölkerung zu kämpfen hat.
Nicht nur [1][Präsident Lazarus Chakwera] will sich wiederwählen lassen,
auch 229 Sitze im Parlament und 509 kommunale Ämter stehen zur Disposition.
Entscheidend wird die Haltung der zunehmend unruhigen Jugend, die zwei
Drittel der rund 21 Millionen Einwohner ausmacht.
Malawi ist eines der ärmsten Länder der Welt, abhängig von
Subsistenzlandwirtschaft und Entwicklungshilfe. In drei Jahrzehnten
Demokratie nach Ende der Einparteienherrschaft 1994 ist es keiner Regierung
gelungen, die Strukturprobleme des Landes zu lösen.
Das wirkt sich unmittelbar auf das Leben der Menschen aus. Die
Inflationsrate lag laut Zentralbank im Durchschnitt des Jahres 2024 bei 25
Prozent.
## Dürren und Überschwemmungen
Die Staatsschulden betragen fast 20 Milliarden US-Dollar, über 70 Prozent
des BIP. Auslandsinvestitionen bleiben zu niedrig. Nach Angaben des
UN-Welternährungsprogramms WFP sind 4,4 Millionen Menschen in Malawi, mehr
als ein Fünftel der Bevölkerung, zum Überleben auf Nahrungsmittelhilfe
abhängig – Ergebnis wiederholter Dürren und Überschwemmungen im
Zusammenhang mit dem Klimawandel, was Ernten vernichtet und die ländlichen
Lebensgrundlagen zerstört.
Das Ergebnis: eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit von rund 40 Prozent,
die nicht sinkt trotz hoher Alphabetisierung und einem Ausbau des
Hochschulwesens. Dieser Umstand nährt Zynismus über die Politik und die
Fähigkeit der Regierenden, etwas zu verändern.
Ob in der Hauptstadt Lilongwe, der anderen großen Stadt Blantyre oder in
mittelgroßen Städten wie Mzuzu – junge Malawier äußern sich vor den Wahlen
desillusioniert.
„Wenn ich mir das Kaliber der Präsidentschaftskandidaten anschaue, bin ich
ganz ehrlich überhaupt nicht beeindruckt“, sagt Chiso Kambale, studierter
Kaufmann. „Ich bin mir nicht sicher, dass irgendeiner davon in der Lage
sein wird, Malawis Probleme anzugehen.“
Takondwa Mkandawire, ein weiterer Hochschulabsolvent, vermisst eine
Erneuerung der politischen Klasse. „Diese Kandidatenliste sieht so aus, als
seien Malawi die fähigen Anführer ausgegangen. Wir recyceln dieselben müden
alten Gesichter. Wenn ich könnte, würde ich das Land davon überzeugen, für
frische Gesichter zu stimmen, damit sich etwas ändert.“
Landwirtschaftsexpertin Mayamiko Nyirenda ist ähnlich direkt: „Was sollen
wir von diesen alten Leuten erwarten? Diese Kandidatenliste ist
uninspirierend. Ich finde, die Malawier sollten die unbekannten Kandidaten
wählen, denn die alte Garde hat versagt“.
## Ein gealtertes politisches Establishment
Aus Sicht der Jugend klebt in Malawi ein gealtertes politisches
Establishment an der Macht zum Zweck der persönlichen Bereicherung und
vernachlässigt dringende Herausforderungen wie die Schaffung von
Arbeitsplätzen, die Herstellung von Klimaresilienz oder der Umgang mit
technologischen Innovationen.
Alle wichtigen Kandidaten versprechen ähnliche Dinge, etwa massive
Arbeitsbeschaffungsprogramme – aber die Details bleiben vage. Nur die
Probleme sind konkret, aber auch darüber sind sich alle einig. Malawi hat
ein chronisches Defizit in der Produktion des Grundnahrungsmittels Mais.
Bessere Bewässerungs- und Düngesysteme sowie Diversifizierung des Anbaus
wären nötig. Aber auch klimawandelbedingte Extremwetterereignisse wie
Wirbelstürme und schwere Überschwemmungen, abwechselnd mit schweren Dürren,
nehmen zu und müssen bewältigt werden.
Malawi muss zugleich seine Abhängigkeit von zunehmend unzuverlässigen
internationalen Geldgebern verringern – externe Hilfsgelder machen 40
Prozent des Staatshaushalts aus, was Malawis Souveränität einschränkt. Die
Wut der Öffentlichkeit über korrupten Umgang mit diesen Geldern durch
Politiker ist riesengroß.
Unter den 17 Präsidentschaftskandidaten gelten nur drei als aussichtsreich:
der 70-jährige Amtsinhaber [2][Lazarus Chakwera] von der MCP (Malawi
Congress Party), der seit 2020 regiert; sein 85-jähriger Vorgänger
[3][Peter Mutharika] von der DPP (Democratic Progressive Party), der von
2014 bis 2020 regierte; und dessen 75-jährige Vorgängerin [4][Joyce Banda]
von der PP (People’s Party), die von 2012 bis 2014 im Amt war.
Chakwera kam unter kuriosen Umständen an die Macht. Die [5][Wahlen 2019],
bei denen der damalige Amtsinhaber Mutharika gewonnen hatte, wurden von der
Justiz [6][annulliert]. Bei der [7][Wahlwiederholung 2020] siegte dann
Chakwera und brachte dann die MCP, die Malawi vor 1994 dreißig Jahre lang
als straffe Einparteiendiktatur geführt hatte, zum ersten Mal seit Ende der
Diktatur an die Macht zurück.
Seinen Wahlkampf führt der Präsident nun mit seiner Bilanz institutioneller
Reformen. Mit dem Slogan „Build Malawi“ verspricht er Investitionen:
Bewässerungssysteme gegen die Lebensmittelknappheit, Computerisierung der
öffentlichen Dienste und der Bildung, Ausbau von Industrie. „Malawi kann
sich nicht länger auf Subsistenzwirtschaft und milde Gaben verlassen,“
sagte Chakwera auf einer Wahlkampfveranstaltung in Lilongwe. „Wir müssen
unsere Wirtschaft modernisieren, Arbeitsplätze für unsere Jugend schaffen
und Malawi in ein produktives, innovatives und wettbewerbsfähiges Land
verwandeln.“
Seine Anhänger auf der Kundgebung finden, dass Chakwera eine zweite
Amtszeit verdient. „Wenn er Touristen anlockt, Computertechnologie
bereitstellt und auf Industrialisierung setzt, wird Malawi aufsteigen“,
glaubt Lumbani Chriwa.
Andererseits weist sein Vorgänger Mutharika darauf hin, dass Chakwera in
seinen bisherigen fünf Jahren im Amt zu wenig getan habe. Die aktuelle
Regierung sei „richtungslos“ und gehe Probleme wie Hunger und Verschuldung
nicht an. Unter ihm, Mutharika, habe Malawi hingegen ein durchschnittliches
Wirtschaftswachstum von 4 Prozent erzielt und die Inflation sei nicht
zweistellig gewesen. Nun will er zurück an die Macht, „Stabilität“
wiederherstellen und vor allem die Infrastruktur modernisieren.
„Als ich aus dem Amt schied, war Malawi auf dem richtigen Weg“, behauptete
Mutharika auf einer Kundgebung in Blantyre. „Heute leiden die Menschen mehr
denn je. Ich komme wieder und werde Ordnung, Ernährungssicherheit und
Arbeit zurückbringen!“
Aber bei manchen ist Mutharikas Zeit an der Regierung durch Vorwürfe von
Willkür, Korruption und Vetternwirtschaft in Erinnerung geblieben. Wählerin
Mkandawire äußert sich skeptisch. „Diese Rentner kommen nur wieder, um das
Land auszuplündern.“
Für Malawis [8][bisher einzige Präsidentin Joyce Banda] ist diese Wahl eine
Gelegenheit, Inklusion und Frauenförderung als Wahlkampfthemen zu setzen.
Sie will gegen Korruption vorgehen und vor allem soziale Sicherungssysteme
verbessern und die Müttersterblichkeit verringern. In ihrer kurzen Amtszeit
2012-14 habe Malawi das Vertrauen internationaler Geber wie dem IMF
zurückgewonnen, sagt sie.
Aber Bandas Zeit ist vor allem durch den Korruptionsskandal „Cashgate“ in
Erinnerung geblieben, als bei mehreren Ministern große Mengen
offensichtlich aus den Staatskassen abgezweigten Bargeldes gefunden wurden.
Banda selbst wurde nie angeklagt, aber sie verlor die [9][Wahlen 2014]
deutlich und ist immer noch angreifbar.
## Straßenumbenennungen als Wahlkampfmanöver
Im Wahlkampf hat Präsident Chakwera versucht, seine Hauptrivalen
einzubinden. Er verblüffte im August die Öffentlichkeit, indem eine
wichtige Straße in der Hauptstadt Lilongwe jetzt „Joyce Banda Highway“
heißt und der zentrale Kreisverkehr Cloverleaf Interchange den Namen von
Peter Mutharika bekam. In Blantyre ist der Flughafen jetzt nach [10][Bakili
Muluzi] benannt, Malawis Präsident von 1994 bis 2004, dessen Sohn
[11][Atupele Muluzi] Vizepräsident unter Mutharika war und jetzt auch zu
den Wahlen antritt.
Die präsidialen Umbenennungen seien ein billiger Wahlkampftrick, fanden
viele Kritiker. „Der Zeitpunkt ist verdächtig. Das soll unentschlossene
Wähler anlocken und Chakwera als Vereiniger dastehen lassen“, sagte der
Analyst Yamikani Masamba. „Aber es könnte dafür zu spät sein. Diese Wahl
wird von der Wirtschaftslage entschieden.“
Viele Wähler sagen, sie würden jetzt eher für ein unbekanntes Gesicht
stimmen, nicht für einen der drei bekannten Alten. „Wir wissen, was die
Alten können. Wir müssen die Neuen ausprobieren, vielleicht können sie
liefern“, sagt Wählerin Tamanda Mwanza.
Zu den Neuen gehört der ehemalige Zentralbankchef [12][Dalitso Kabambe].
Der 51jährige punktet mit Appellen an fiskalische Disziplin und ökonomische
Modernisierung bei der jungen städtischen Mittelschicht.
Zwei Drittel der Malawier sind unter 30 Jahre alt. Sie suchen innovative
Lösungen und Politiker, die verantwortungsbewusst regieren. Diese Wahl in
Malawi reflektiert eine Spaltung, die in ganz Afrika die Politik immer
stärker prägt: zwischen einer politischen Elite, die fest im Sattel sitzt
und immer älter wird, und einer unruhigen jungen Bevölkerung, die nach
neuen Führern mit neuen Ideen ruft.
Zur Wahl steht jetzt Kontinuität mit Chakwera, eine Rolle rückwärts mit
Mutharika oder Banda, – oder ein Sprung ins Ungewisse mit einem ganz neuen
Gesicht.
16 Sep 2025
## LINKS
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Lazarus_Chakwera
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Lazarus_Chakwera
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Peter_Mutharika
[4] https://en.wikipedia.org/wiki/Joyce_Banda
[5] /Wahlen-in-Malawi/!5596999
[6] /Wahlfaelschung-in-Malawi/!5658063
[7] /Wahlen-in-Malawi/!5691204
[8] /Portraet-Joyce-Hilda-Banda/!5096545
[9] /Wahlen-in-Malawi/!5040981
[10] https://en.wikipedia.org/wiki/Bakili_Muluzi
[11] https://en.wikipedia.org/wiki/Atupele_Muluzi
[12] https://en.wikipedia.org/wiki/Dalitso_Kabambe
## AUTOREN
Mavhuto Banda
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