# taz.de -- Ex-Fußballer Jérôme Boateng: So viele gute Freunde | |
> Vincent Kompany bietet seinem „guten Freund“ Boateng eine Hospitation | |
> beim FC Bayern. Die großen Player geben sich von den Gewaltvorwürfen | |
> ungerührt. | |
Bild: Beim FC Bayern wieder willkommen: Jérôme Boateng | |
Gute Freunde kann niemand trennen, hat ein gewisser Bayern-Spieler zu einer | |
anderen Zeit gesungen. Es ist ein Motto, das beim FC Bayern heute noch | |
gilt. „Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit und sind gute Freunde“, gab | |
[1][Männer-Coach Vincent Kompany] zu Protokoll. Gemeint hat er niemand | |
anderen als Jérôme Boateng, Ex-Weltmeister mit Trainerambitionen – und | |
lädiertem Ruf, seit es [2][mehrere Gerichtsverfahren] wegen des Vorwurfs | |
der Körperverletzung an Frauen, Nötigung und Verleumdung gegen ihn gab. Im | |
September 2024 hat ein Gericht Boateng wegen vorsätzlicher Körperverletzung | |
an einer Ex-Freundin schuldig gesprochen. | |
Vincent Kompany hat nichts davon thematisiert. Und weil gute Freunde | |
niemand trennen kann, hat er Boateng zu einer Hospitation beim FC Bayern | |
eingeladen. „Seine Erfahrung als Top-Verteidiger teilen? Natürlich! Ich | |
würde immer dazu einladen, hundertprozentig.“ Und: „Ich bin extrem stolz | |
auf ihn und glücklich darüber, was er alles erreicht hat.“ Damit kann er | |
hoffentlich nur das Leben auf dem Platz gemeint haben. Er traue Boateng zu, | |
ein „Top-Coach“ zu werden. | |
Dass Kompany, der mit Boateng 41 Pflichtspiele beim HSV und Manchester City | |
absolviert hat, so weit die Arme ausbreitet, zeigt, dass die Proteste rund | |
um [3][misogyne Gewalt durch Fußballprofis] an Grenzen stoßen. Durchaus ist | |
es ihnen gelungen, Teile der Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Auch macht | |
man sich bei manch progressivem Klub mehr Gedanken. Doch die dicken Player | |
einer Milliardenbranche, wo jeder jeden kennt und der Boy’s Club wie eine | |
Wagenburg zusammensteht, geben sich ungerührt. | |
Etwas überraschend ist der Vorstoß dabei strategisch. Schließlich ist es | |
noch nicht allzu lange her, dass massive Fanproteste ein [4][Comeback von | |
Jérôme Boateng] beim FC Bayern verhinderten. „Misogyne Gewalt ist keine | |
Privatsache“, war damals auf Bannern in der Südkurve zu lesen. Der FC | |
Bayern musste zurückrudern. Und Präsident Herbert Hainer erklärte, man habe | |
„klare Werte und die verfolgen wir auch“. Nun, nachdem die | |
Gerichtsverfahren abgeschlossen sind, hält der Klub offenbar die Zeit für | |
reif, erneut das Wasser zu testen. | |
## Viele Imagewandel | |
Das Image von Jérôme Boateng hat sich in den letzten Jahrzehnten | |
atemberaubend oft gewandelt: Vom vermeintlichen Berliner Bad Boy zum | |
Lieblingsnachbar und [5][vorzeigeintegrierten „bürgerlichen“ Bruder], | |
weiter zur internationalen Modeikone und schließlich zur Persona non grata. | |
Nun schreitet die Rehabilitation schnell voran. Ex-Bayerncoach Hansi Flick, | |
der wie Kompany gemeinhin eher nicht als Obermacho gilt, hat ihm eine | |
Hospitation beim FC Barcelona zugesagt. Beim Hausblatt Bild darf Boateng | |
ohnehin ohne Gegenstimme seine Version der Ereignisse verbreiten. „Es ging | |
um eine Rangelei, bei der wir uns im Streit gegenseitig verletzt haben“, | |
ordnete er jüngst die gerichtliche Verwarnung wegen vorsätzlicher | |
Körperverletzung ein. | |
Wie mit Profis umzugehen ist, die der misogynen Gewalt beschuldigt wurden, | |
ist eine komplexe Frage. Die meisten Engagierten sagen: Es hängt vom | |
Einzelfall ab. Pauschale Berufsverbote oder Sanktionen fordert kaum jemand. | |
Auch im Fall Boateng, wo die Vorsitzende Richterin bei der Verurteilung von | |
einer langjährigen „toxischen Beziehung“ mit wechselseitigen körperlichen | |
Übergriffen sprach, gibt es Grautöne. | |
## Schweigen wiegt schwer | |
Und doch wiegt das Schweigen des Fußballs besonders schwer bei diesem | |
Profi: Einer, gegen den es Gewaltvorwürfe aus mehreren Partnerschaften gab, | |
wo Medien im Fall Kasia Lenhardt [6][zahlreiche Indizien für Gewalt fanden] | |
und der nie Reue gezeigt hat, sich im Gegenteil jüngst [7][mit | |
Rammstein-Sänger Till Lindemann zynisch inszenierte]. Dennoch fällt der | |
Branche nichts anderes ein, als stillschweigend zum Alltag überzugehen. Der | |
Einzige, der sich distanzierte, Halbbruder Kevin-Prince, hat sich für seine | |
Aussagen inzwischen entschuldigt und sie mit Eifersucht begründet. | |
Vielen Betroffenen wäre dabei vor allem eines wichtig: dass Profis und | |
Trainer das Thema eigeninitiativ ansprechen. Dass sie deutlich machen, dass | |
es ihnen nicht egal ist. Oder ganz öffentlich auf Distanz gehen, statt | |
vielleicht nur schweigend von einer Verpflichtung abzusehen. Im | |
Amateurfußball wäre Boatengs Trainerlaufbahn nicht so einfach. Dort | |
verlangen viele Vereine, gerade im Umgang mit Minderjährigen, ein | |
erweitertes Führungszeugnis. Doch für Stars gelten eben andere Spielregeln. | |
Sie haben viele gute Freunde. | |
28 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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