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# taz.de -- Tübinger OB diskutiert mit AfD-Politiker: Die Boris-Palmer-Show
> Das Stadtoberhaupt hat sich am Freitag mit dem Spitzenkandidaten der
> Südwest-AfD Marcus Frohnmaier öffentlich duelliert. Dabei machte er
> Punkte, doch der Nutzen der Veranstaltung blieb fraglich.
Bild: Boris Palmer verfolgt vor seiner Diskussionsrunde mit dem AfD-Landesvorsi…
Tübingen taz | Sterile Erregung nennt man es, wenn Konflikte nur noch den
bekannten Ritualen folgen. Wenn [1][Boris Palmer], wie am Freitagabend
geschehen, mit dem [2][AfD-Mann Markus-Cornel Frohnmaier] verbal die
Klingen kreuzt, kriegen die rechten Kanäle von Welt bis „Nius“ feuchte
Finger. Alles links vom Bürgertum schäumt dagegen. Und Palmer sonnt sich
tagelang in seiner Heldenrolle, weil er – vermeintlich als erster – mit
AfD-Politikern streitet. Und Frohnmaier freut sich, dass ihn mal endlich
jemand als Spitzenkandidaten im heraufziehenden Wahlkampf von
Baden-Württemberg wahrnimmt.
Viel Wind also. Im Vorfeld und am Abend selbst. Mehrere
Gegendemonstrationen mit 2000 Teilnehmern, ein großes Polizeiaufgebot. Die
800 Plätze in der Hermann-Hepper-Halle wurden nach strengen Regeln vergeben
und waren schnell weg. Es gab sogar eine Liste mit Nachrückern. Trotzdem
waren die Zuschauerreihen, so sah man’s im Stream, höchstens zu 70 Prozent
besetzt und wurden, nachdem Protestierende von der Polizei aus der Halle
hinausgeleitet worden waren, noch leerer.
Obwohl den meisten noch das [3][Streitgespräch zwischen Mario Voigt und
Björn Höcke] in schlechter Erinnerung sein dürfte, sei das hier in Tübingen
schrecklich innovativ, versicherte der Rhetorikprofessor Joachim Knape, der
den Abend etwas unbeholfen moderierte. Und auch ein Verweis auf Habermas
durfte nicht fehlen. Doch man musste schon sehr viel Leidenschaft für den
zwanglosen Zwang des besseren Arguments aufbringen, um der Debatte vor
einem merkwürdig fleischfarbenen Vorhang bis zum Ende zu folgen. Denn das
Format mit lächerlichem Zeitstoppen per Wecker und ritualisierten
Zufallsfragen aus dem Publikum hemmte die Diskussion, ebenso wie die
Zwischenrufe aus beiden Lagern.
Palmer machte an dem Abend etwas, was selbst Anhänger der AfD nicht tun –
und vielleicht nicht mal ihre Funktionäre: Er nahm das AfD-Parteiprogramm
ernst. Er zeigte auf, dass damit Wohlstand vernichtet wird und den Kommunen
massiv Steuereinnahmen wegbrechen. Dass Wohnraum für Normalverdiener
unbezahlbar werde, wenn sozialer Wohnungsbau abgeschafft würde, wie es die
AfD will. Und er rechnete vor, wie die Partei Millioneninvestitionen einer
Stadt wie Tübingen in die Tonne treten würde, wenn sie Windräder und
Solaranlagen abreißen wollte. Sein Refrain: Deshalb hat die AfD in Tübingen
bisher nicht mehr als 6,5 Prozent der Wählerschaft erreicht – und das sei
gut so.
Palmer schlug sich gut. Er nannte gute Gründe, warum sozial Schwache,
Unternehmer und Migranten Angst vor der AfD haben müssen. Nagelte
Frohnmaier auf sein Versprechen fest, dass er Rechtsextreme aus der Partei
werfen wolle. Viele Antworten von Frohnmaier verloren sich dagegen im
Ungefähren. Wo ihm Fakten fehlten, griff er zu rhetorischen Tricks. Fazit:
Was Palmer an diesem Abend tut, können auch andere Politiker – aber sie tun
es zu selten: der AfD die Regeln des demokratischen Diskurses aufzwingen.
Und immerhin hat Palmer seiner Stadt und den dort ansässigen Einwohnern und
Ladenbesitzern mit der Debatte eine Demonstration der AfD erspart. Was auch
auf der Antifa-Seite einige Enttäuschte zurückließ. Wie ein junger Mann am
Mikrofon sagte: „Sie haben uns die Gelegenheit zum Protest genommen, hier
im Saal wirken wir nur als Störer.“
Am Ende der großen Palmer-Show in Tübingen ist man trotzdem etwas ratlos.
Denn der Zweifel, den Sozialbürgermeisterin Gundula Schäfer-Vogel im
Vorfeld öffentlich formuliert hat, ist ja nicht von der Hand zu weisen:
Sind die [4][Anhänger der AfD überhaupt noch für Argumente erreichbar]?
Vielleicht hat die Veranstaltung also weniger dazu gedient, die AfD zu
entlarven, als der Vergewisserung, wo der Quartals-Populist Boris Palmer
steht: vielleicht nicht da, wo ihn Linke gerne hätten, aber zumindest mit
klarer Kante gegen die AfD.
6 Sep 2025
## LINKS
[1] /Tuebingens-OB-in-Ungarn/!5958652
[2] /Russischer-Einfluss-auf-AfD-Abgeordneten/!5586108
[3] /Schlagabtausch-zwischen-Hoecke-und-Voigt/!6004119
[4] /Studie-zu-AfD-Anhaengern/!6020136
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Boris Palmer
Rechtsextremismus
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