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# taz.de -- Grand Ethiopian Renaissance Dam: Ein Monument für Afrikas Neuordnu…
> Äthiopiens Regierung eröffnet am 9. September den GERD. Jahrelang war der
> Nil-Staudamm ein Konfliktthema mit Ägypten, das um sein Wasser fürchtete.
Bild: Mitglied der „Republikanischen Blaskapelle“ Äthiopiens vor dem GERD-…
Wenn am 9. September Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed das größte
Wasserkraftwerk Afrikas einweiht, ist das ein historisches Ereignis. Man
habe einen „tausendjährigen Kampf“ gewonnen, jubelte der Regierungschef
schon Anfang des Monats in einer TV-Ansprache.
Es geht um den Grand Ethiopian Renaissance Dam, kurz GERD, am Blauen Nil,
der nach 14 Jahren Bauzeit jetzt endlich vollständig in Betrieb genommen
wird. 145 Meter in die Höhe ragt die 1.820 Meter lange Talsperre. Der
Stausee dahinter, genannt Nigat, Morgenröte, kann bei voller Befüllung bis
zu 140 Meter tief und 246 Kilometer lang sein und hält dann anderthalbmal
soviel Wasser wie der Bodensee. Es wird durch 13 Turbinen geleitet, die mit
einer Gesamtkapazität von 5.150 Megawatt mehr Strom produzieren können, als
ganz Äthiopien mit seinen über 120 Millionen Einwohnern bislang zur
Verfügung hatte.
Kein anderes Wasserkraftwerk auf dem afrikanischen Kontinent kommt an diese
Dimensionen heran; im weltweiten Vergleich liegt GERD jedoch am unteren
Ende der Megastaudämme in China, den USA, Russland und Brasilien. Äthiopien
sieht sich nun trotzdem in einer Liga mit diesen Mächten und lädt zur
feierlichen Eröffnung zu einem Gipfel mit dem Titel „Globale Klimalösungen
beschleunigen, Afrikas nachhaltige und grüne Entwicklung finanzieren“.
## Ein langer Fluss mit langer Geschichte
Der Nil ist ein Kuriosum. Er ist der längste Fluss der Welt, mit 6.850
Kilometern von seinem südlichsten Zubringer in Burundi bis zum Mittelmeer.
Aber er führt wenig Wasser – der mittlere Abfluss liegt bei gut 3.000
Kubikmetern pro Sekunde, kaum mehr als der Rhein.
Von seinem Wasser enthält der auf den Landkarten als Hauptstrom
ausgewiesene „Weiße Nil“, der aus Uganda nach Norden fließt, nur ein
Sechstel und ein Großteil davon verdampft im Sudd, dem gigantischen
sumpfigen Binnendelta im Herzen des heutigen Südsudan. Rund 85 Prozent des
Nilwassers kommen aus dem „Blauen Nil“, der im Hochland Äthiopiens
entspringt und dort Abay heißt, der Große.
Dort, wo der Weiße Nil auf den Blauen Nil trifft, liegt heute Sudans
Hauptstadt Khartum, und ab dort wälzt er sich als breites blaues oder
braunes Band durch die Weiten der Sahara. Der Pegel des Weißen Nils bleibt
über das ganze Jahr einigermaßen konstant, während der Blaue Nil in der
Regenzeit von Mai bis September stark anschwillt. Dann drängt er den Weißen
Nil flussaufwärts zurück, was regelmäßig für Überschwemmungen in Sudan
sorgt.
Kein anderes Flussbecken der Welt, sagen Experten, vereint so viele
Regionen und Länder mit mehrtausendjähriger Geschichte. Das altägyptische
Reich der Pharaonen entstand entlang des Nils, mit dem Nildelta als
Kornkammer und dem Fluss als Handelsweg in die fruchtbaren Tiefen Afrikas,
wo es Gold und Elfenbein gab. Das ebenso alte Kaiserreich Äthiopien, dessen
Wasserquellen das heiße Ostafrika bewohnbar machen, bewahrte als einziger
Staat Afrikas seine Unabhängigkeit gegen europäische Eroberungsgelüste im
19. Jahrhundert.
## Äthiopien strebt nach einer „afrikanischen Renaissance“
Die Suche nach den Nilquellen faszinierte europäische Forscher
jahrhundertelang, und am Ende gewann das britische Empire das Rennen.
Ägypten wurde im 19. Jahrhundert britisches Protektorat. Flussaufwärts
wurde Sudan, das „Land der Schwarzen“ und der arabischen Sklavenhändler,
von den Briten erobert und erweitert, über den Sudd hinaus bis hinunter zum
britischen Protektorat Uganda.
Die britische Imperialmacht sah im Nil den Schlüssel zur Kontrolle der
Region, Äthiopien blieb außen vor. Nach dem Rückzug des Empire übernahm
Ägypten seine Haltung. Im Jahr 1959 gewährten sich Ägypten und Sudan in
einem Abkommen exklusiv 88 Prozent des Nilwassers, mit dem Löwenanteil für
Ägypten. Weder Äthiopien noch irgendein anderer Anrainerstaat war an diesem
Vertrag beteiligt, sie erkennen ihn bis heute auch nicht an. Sie haben
inzwischen einen eigenen Vertrag geschlossen, von dem wiederum Ägypten und
Sudan nichts wissen wollen.
Aus äthiopischer Sicht ist der GERD-Staudamm eine Revanche des
antikolonialen Afrika gegen die imperiale Weltordnung. Noch in den 1960er
Jahren hatte Ägypten mit dem Assuan-Staudamm am Nil, mit sowjetischer Hilfe
gebaut und 1971 eröffnet, seine Vormachtstellung unterstrichen, während
Äthiopien in der Endphase seines Kaiserreichs vor sich hindämmerte. Zu
Beginn des 21. Jahrhunderts dann versank Ägypten in Stagnation, während
Äthiopien unter neuer Führung eine „afrikanische Renaissance“ anstrebte,
mit hohen Wachstumsraten und ehrgeizigen Zielen.
## Der Staudamm als Symbol einer neuen Zeit
Der Bau des GERD begann 2011. Strom für alle sollte ein Ende von Hunger und
Armut bringen. Nur 15 Prozent der äthiopischen Bevölkerung hatten zuvor
Zugang zu Elektrizität, die anderen nutzten Brennholz, die Entwaldung hatte
katastrophale ökologische Folgen.
International wurde GERD zunächst skeptisch betrachtet. Geberländer hielten
sich mit Rücksicht auf Ägypten zurück, nur China gab einen Kredit für die
Turbinen, den Rest finanzierte Äthiopien selbst. Ganze Monatsgehälter von
Staatsbediensteten behielt die autoritäre Regierung ein und sammelte mehr
oder weniger freiwillige Spenden, bis die benötigten 4,8 Milliarden
US-Dollar beisammen waren. Das verwandelte den Bau in einen nationalen
Kraftakt, mit dem sich nicht nur der 2017 eingesetzte Ministerpräsident
Abiy Ahmed identifiziert, sondern auch seine Gegner.
Äthiopien schuf Fakten, Ägypten protestierte. Als im Juli 2020 die
Staumauer fertig war und Äthiopien mit der Füllung des Stausees begann,
stand immer noch kein Abkommen zur Regelung des Wasserabflusses. Für
Ägypten ein Albtraum: Würde Äthiopien die Schleusen komplett dichtmachen,
käme gar kein Wasser mehr durch, so die Befürchtung.
In jeder Regenzeit füllte sich der See weiter, und mit dem Pegel stieg das
Kriegsrisiko. Ägypten nannte den GERD eine „existenzielle Bedrohung“,
Luftangriffe auf den Damm standen im Raum. Äthiopien bezichtigte Ägypten,
Instabilität zu schüren, etwa durch gezielte Aufrüstung der Regierungen in
Somalia und Eritrea. Den brutalen Krieg in Äthiopiens Nordregion Tigray mit
Hunderttausenden Toten zwischen 2020 und 2022 führten äthiopische
Nationalisten unter anderem auf ägyptischen Einfluss zurück; umgekehrt
sahen arabische Nationalisten die Hand Äthiopiens, das man zum Verbündeten
Israels erklärte, hinter dem Krieg in Sudan ab 2023.
## Der Klimawandel ist heute die größte Gefahr
Am Ende dauerte die komplette Füllung des Damms fünf Jahre, nicht die
geplanten zwei. Äthiopien ging sehr sorgfältig vor, im ersten Jahr wurden
nur 4,9 der insgesamt vorgesehenen 74 Kubikkilometer Wasser zurückgehalten.
Danach ging es schneller. Nach der Regenzeit 2023 verkündete Äthiopien, der
Stausee habe seine Basismenge erreicht, 2024 war er „fertig“, fünf der 13
Turbinen sind bereits in Betrieb.
Ägypten aber hat gerade andere Sorgen: den Krieg in Sudan und den
Gazakrieg. Seit der Stausee voll ist, fließt der Nil außerdem wieder
normal. Die Regenzeit 2025 beschert Sudan verheerende Überschwemmungen,
ganz wie früher.
Die größte Gefahr am Nil ist jetzt nicht mehr Äthiopiens Staudamm, sondern
der Klimawandel. Der Abfluss des Nils sinkt, er soll nach jüngsten Angaben
nur noch bei gut 2.600 Kubikmeter pro Sekunde liegen, 20 Prozent weniger
als früher. Wenn weniger Süßwasser aus dem Nil ins Mittelmeer abfließt,
drängt mehr Salzwasser ins Nildelta hinauf. Ägyptens Äcker versalzen, die
Küste verschiebt sich ins Land hinein, rund 100 Meter pro Jahr. Auch an den
Quellen, im äthiopischen Hochland und in den Bergen Ostafrikas, nehmen
Dürren zu. Sollte der Nil versiegen, wäre eine ganze Weltregion
unbewohnbar.
7 Sep 2025
## AUTOREN
Dominic Johnson
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Äthiopien
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Äthiopien
Schwerpunkt Klimawandel
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