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# taz.de -- Politologe über Wahlen in Moldau: „Viele sehen Russland als gro�…
> Wegen der Parlamentswahlen steht Moldau im Fokus russischer
> Desinformation. Politikwissenschaftler Andrei Curăraru über den Kampf
> gegen Manipulationen.
Bild: Die EU unterstütze Moldau beim Kampf gegen Fake News, sagt Curăraru
taz: Herr Curăraru, beim Think Tank Watchdog.md analysieren Sie täglich
russische Desinformation. Ende des Monats wird bei Ihnen in der Republik
Moldau das Parlament gewählt. Was für Desinformationen sind Ihnen
diesbezüglich begegnet?
Andrei Curăraru: Wir sehen eine Welle von Desinformationen, die mit KI
Swaps arbeiten. Dabei wird das Gesicht einer Person in einem Bild oder
Video durch ein anderes Gesicht ersetzt und es heißt zum Beispiel, Hunderte
Moldauer würden an die ukrainische Front geschickt, wenn die proeuropäische
Maia Sandu gewinnt. Oder es wird verbreitet, Moldau würde zu einem
atheistischen Land. Oder, dass LGBTQI-Bildung in die Lehrpläne der Schulen
aufgenommen werde. Wir haben bis zu 100 wiederkehrende Narrative gezählt.
taz: Lassen sich die Botschaften der Desinformationen zusammenfassen?
Curăraru: Es gibt fünf Hauptnarrative: Erstens, die jetzige Regierung ist
korrupt und alle EU-Gelder werden verschwendet. Zweitens, die europäische
Integration ist ein Schwindel, wir werden niemals Teil der EU. Drittens
Moldau verärgert Russland und provoziert es zum Krieg, oder ist ein
Stellvertreter der Nato und wird deshalb in den Krieg verwickelt werden.
Viertens, die europäische Integration wird unsere traditionellen
christlichen Werte zerstören. Und fünftens, die Exportmöglichkeiten Moldaus
nach Russland sind weitaus wichtiger als der europäische Markt.
taz: Die Republik Moldau ist seit 2022 EU-Beitrittskandidat, Präsidentin
Maia Sandu hat die Verhandlungen mit der EU oben auf die Agenda gesetzt.
Was steht aus Ihrer Sicht bei den Wahlen am 28. September auf dem Spiel?
Curăraru: Es ist ein Quo-vadis-Moment für Moldau: Die Parlamentswahlen sind
entscheidend für unsere europäische Zukunft. Unsere Nachbarn Rumänien und
Bulgarien wurden aufgenommen, nachdem ihre Justiz viele Jahre geprüft
wurde, ähnlich könnte es auch in Moldau laufen. Eine Präsidentin allein
kann aber nicht sicherstellen, dass die europäische Politik umgesetzt wird,
die Verhandlungen im gleichen Tempo weitergehen. Wir brauchen dazu das
Parlament. Wenn Moldau diese Chance verpasst, drohen uns Verhältnisse wie
in Georgien: Ein autoritärer Staat, wo die Regierungspartei die
Rechtsstaatlichkeit völlig missachtet, wo es keinerlei Garantien mehr für
die Zivilgesellschaft gibt und die Abhängigkeit von Russland größer ist
denn je.
taz: Sind die Medien Russlands größte Waffe gegen Moldau in der hybriden
Kriegsführung?
Curăraru: Ich würde sagen, dass es früher so war. Heute ist das Gefährliche
das Geflecht aus Stimmenkauf und Desinformation im Netz bei gleichzeitiger
[1][Ausnutzung traditioneller Führungspersönlichkeiten wie Priester] oder
Lehrer, die Desinformationen verbreiten.
taz: Wie steuern Sie [2][bei Watchdog] der Verbreitung von Desinformation
entgegen?
Curăraru: Wir analysieren Tausende von Beiträgen und Videos und versuchen
diejenigen zu identifizieren, die viral gehen, also innerhalb kürzester
Zeit extrem häufig aufgerufen werden und viele Interaktionen erzeugen. Wir
versuchen, sie vorab zu speichern und sicherzustellen, dass sie, sobald sie
an die breite Öffentlichkeit gelangen, zumindest mit einem faktenbasierten
Kommentar versehen sind. Wir sind auch im Fernsehen und im Radio präsent,
um so insbesondere ältere Menschen zu erreichen, die für Desinformation
anfälliger sind.
taz: Laut dem Nationalen Sicherheitsrat Moldaus sind etwa 100 Millionen
Dollar aus Russland Richtung Moldau geflossen, um durch Propaganda und
Stimmenkauf das Wahlergebnis zu beeinflussen.
Curăraru: Ich halte diese Einschätzung für realistisch. Sie stützt sich auf
Informationen, die von Sonderdiensten und aus der Zusammenarbeit mit
europäischen Partnern stammen. Auch das Ausmaß des Stimmenkaufs passt zu
solchen Summen. Letztes Jahr zum Beispiel wurden 140.000 Stimmen gekauft,
wobei jede dieser Personen zwischen 20 und 50 Euro erhielt. Es summiert
sich einfach.
taz: Bei den Präsidentschaftswahlen in Rumänien war Manipulation speziell
auf Tiktok maßgeblich für den Wahlerfolg des prorussischen, ultrarechten
Kandidaten Georgescu im ersten Wahlgang. Gibt es eine Plattform, die Ihrer
Einschätzung nach in Moldau derart genutzt wird?
Curăraru: Die Präsenz von uns Moldauern ist auf Tiktok nicht so groß wie
die der Rumänen. Für schriftliche Beiträge ist Telegram die bevorzugte
Plattform. Auch auf Facebook sind Desinformationen sehr präsent. Im letzten
halben Jahr haben wir nicht gekennzeichnete politische Werbung im Wert von
mehr als einer halben Million Euro an Meta gemeldet. Die meisten dieser
Meldungen blieben unbeachtet. Einige Fernsehsender wurden in Moldau
verboten, weil sie Inhalte sendeten, die den Krieg in der Ukraine
verherrlichen. Die sind jetzt einfach ins Internet umgezogen. Wir haben nur
begrenzte Möglichkeiten, auf alles zu reagieren, es ist auch ein teures
Unterfangen. Ein kleines Land wie Moldau hat gegenüber diesen Plattformen,
deren Budgets oft größer sind als unser eigenes Bruttoinlandsprodukt, keine
große Verhandlungsmacht.
taz: Wie kooperativ sind die Plattformen?
Curăraru: Früher hatten wir ein gutes Verhältnis zu Meta und Google,
erhielten Rückmeldungen zu unseren Berichten. Das hat sich jetzt geändert.
Seitdem Washington zum Paradigma der „freien Meinungsäußerung“ übergegan…
ist, anstatt Desinformationen zu bekämpfen, beantworten sie unsere E-Mails
nicht mehr. Auch mit Tiktok ist die Kommunikation schwieriger. Sie ziehen
es vor, mit Strafverfolgungsbehörden zu sprechen, vermutlich aufgrund ihrer
Herkunft aus China.
taz: Was ist Ihrer Meinung nach der Schlüssel zum Aufbau von Resilienz
gegenüber Manipulation?
Curăraru: Viele Formen der Desinformation manipulieren unsere Emotionen.
Wenn man den Menschen in Deutschland sagen würde, Russland würde
kostenloses Gas liefern, wären wohl alle weniger geneigt, das zu glauben.
Aber in Moldau ist die Nostalgie groß. Viele Menschen sehen Russland als
einen großen Bruder, der uns helfen will, und glauben solche Geschichten,
obwohl sie bei jeder Wahl in Moldau wiederholt werden. Zentral sind auch
Mittel für unabhängige Medien. Ich würde sagen, dass sich das Blatt bei der
letzten Wahl in der zweiten Runde auch durch einen investigativen Bericht
gewendet hat, in dem ein Journalist in einen Offshore-Bestechungsring
eingeschleust wurde. Er hat mit versteckter Kamera gefilmt, wie Personen
für prorussische Proteste bezahlt wurden. Das hat für Entsetzen gesorgt.
Dass diese Stimmen gehört werden, ist für eine demokratische Gesellschaft
unerlässlich.
taz: Wie beurteilen Sie generell die Unterstützung der EU, wenn es darum
geht, Falschinformationen zu bekämpfen?
Curăraru: Die Experten aus der EU sind oft schockiert über das Ausmaß der
Desinformation und die Geldsummen, die nach Moldau fließen. Aber wir sehen
ein starkes Engagement, lokale Initiativen hier zu finanzieren, die dagegen
kämpfen, und der Regierung bei den Verhandlungen mit den sozialen
Netzwerken zu helfen, um die Welle der Desinformation, die auf uns zukommt,
einzudämmen.
taz: Die Präsenz europäischer Spitzenpolitiker:innen war zuletzt
groß in Ihrem Land. Als Moldau am 27. August seine Unabhängigkeit von der
Sowjetunion feierte, kamen etwa Friedrich Merz, Emmanuel Macron und Donald
Tusk, um Präsidentin Maia Sandu zu unterstützen und für die EU zu werben.
Ist all das nicht auch Einflussnahme?
Curăraru: Sicherlich hat ihr Besuch Auswirkungen auf die Wahlen. Der
Unterschied liegt in der Transparenz, der Legalität und den angekündigten
Zielen der EU, die im eigenen Interesse Moldaus liegen: Mit EU-Geldern
werden Straßen gebaut, Arbeitsplätze geschaffen, Unternehmen bei der
Steigerung ihrer Exporte in die EU unterstützt. Was wir von Russland sehen,
ist Geld, das zur Unterstützung der abtrünnigen Region Transnistrien und
zum Kauf von Stimmen geschickt wird, das war’s. Ein Partner, die EU,
unterstützt uns bei unserer Entwicklung, während ein anderer Partner uns
ins Chaos stürzt. So schwarz-weiß ist die Lage.
taz: Was bedeutet das mit Blick auf den Krieg in der Ukraine?
Curăraru: Wir machen uns keine Illusionen darüber, dass Moldau verloren
ist, wenn russische Soldaten die ukrainische Region Odessa erreichen. Es
besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für Krieg und Besetzung seitens
Russlands, und es gibt Unterstützung seitens der EU. Für uns ist es so
einfach.
taz: Gehen Sie davon aus, dass es trotz all der Desinformation eine Chance
für ein demokratisches Wahlergebnis gibt?
Curăraru: Wir führen unsere eigenen Umfragen durch. Wir wollen unabhängige
Umfragen, soziologische Umfragen. Was wir sehen, ist, dass es immer noch
eine geringe Chance für einen Sieg der proeuropäischen Seite gibt. Der
Schlüssel liegt darin, die Diaspora zu mobilisieren und zu motivieren,
diese Wahl zu retten, wie sie es auch bei der letzten Wahl getan hat, um
die Stimmen, die durch Bestechung zustande gekommen sind, auszugleichen.
Der Druck aus Russland ist stark, aber nicht so stark, dass wir diese Wahl
nicht noch gewinnen könnten.
28 Sep 2025
## LINKS
[1] /Wahlen-in-Moldau/!6109974
[2] https://watchdog.md/
## AUTOREN
Clara Engelien
## TAGS
Republik Moldau
Desinformation
Russland
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Maia Sandu
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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