# taz.de -- Deutsch-polnische Beziehungen: Nawrockis Spagat in Berlin | |
> Polens neuer Präsident kommt zum Antrittsbesuch nach Deutschland. Er | |
> steht vor dem Dilemma, Reparationen und militärischen Beistand | |
> einzufordern. | |
Bild: Empfang mit militärischen Ehren: Polens Präsident Karol Nawrocki am Die… | |
Berlin taz | Zu seinem Antrittsbesuch in Deutschland musste [1][Polens | |
Präsident Karol Nawrocki] diplomatisches Fingerspitzengefühl mitbringen. | |
Einerseits galt es für den rechts-nationalen Politiker am Dienstag in | |
Berlin, die antideutsche Stimmung in seinem Heimatland zu bedienen. | |
Die Reparationsforderungen waren eines der Themen, die Nawrocki im Juni zu | |
einem, wenn auch knappen, Wahlsieg verholfen hatten. Andererseits durfte er | |
Deutschland nicht mit überzogenen Forderungen konfrontieren, um angesichts | |
der wachsenden Bedrohung aus Russland militärisch keinen Verbündeten zu | |
verprellen. | |
Ein heikles Unterfangen, für das sich beide Seiten im Vorhinein – so | |
scheint es – vorsorglich gegen kritische Nachfragen absicherten. Nach dem | |
Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundeskanzler | |
Friedrich Merz (CDU), mit denen sich Nawrocki am Vormittag nacheinander | |
traf, stellten sich die Politiker keinen Nachfragen der Presse. Stattdessen | |
begnügten sich beide Seiten mit vorgefassten Erklärungen, die sie über | |
unterschiedliche Kanäle ausspielten. | |
So erklärte Nawrocki kurz vor dem Treffen mit Merz und Steinmeier in einem | |
Interview in der Bild-Zeitung, dass für Polen das Thema | |
Reparationszahlungen rechtlich noch nicht abgeschlossen sei. Er sei „fest | |
davon überzeugt, dass wir mit dem Bundeskanzler und dem Herrn | |
Bundespräsidenten zu einer Einigung kommen werden“. | |
## Wenig Zuversicht | |
Die deutsche Seite war in der Sache weniger zuversichtlich. Die Frage nach | |
Reparationen sei „aus deutscher Sicht rechtlich abschließend geklärt“, | |
sagte Steinmeier bei dem Treffen. Seine Sprecherin teilte über X mit, „die | |
Förderung des Gedenkens und des Erinnerns bleibe aber ein gemeinsames | |
Anliegen“. | |
Dass Warschau einen Anspruch auf Kriegsreparationen aus Deutschland erhebt, | |
ist nicht neu und gehörte bereits unter der Regierung der | |
rechtspopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die 2023 | |
abgewählt wurde, zum Standardprogramm. Eine Kommission des Parlaments | |
(Sejm) hatte im September 2022 die polnischen Kriegsschäden auf 6,2 | |
Billionen Złoty (umgerechnet knapp 1,5 Billionen Euro) beziffert. | |
Anlässlich des 86. Jahrestages des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges am 1. | |
September hatte Nawrocki den Anspruch seines Landes auf Kriegsreparationen | |
aus Deutschland unterstrichen. „Um eine Partnerschaft mit unserem | |
westlichen Nachbarn aufzubauen, die auf der Grundlage der Wahrheit und | |
guter Beziehungen beruht, müssen wir endlich die Frage der Reparationen vom | |
deutschen Staat klären, die ich als Präsident Polens zum Wohle aller | |
eindeutig fordere“, sagte Nawrocki bei der Gedenkfeier auf der Westerplatte | |
bei Danzig. Laut einer aktuellen Umfrage stehen 54 Prozent der Polen hinter | |
der Forderung nach Reparationen. | |
Im Unterschied zum Thema Reparationen waren sich Steinmeier und Nawrocki in | |
Sachen Sicherheit einig. So müsse die Ostflanke der Nato weiter gestärkt | |
werden. | |
## Weitere Drohne gesichtet | |
Am Dienstag meldete [2][Polens Regierungschef Donald Tusk] eine Drohne im | |
polnischen Luftraum. Das Flugobjekt habe sich über sensiblen | |
Regierungsgebäuden befunden und sei „neutralisiert“ worden. In | |
Zusammenhang mit dem Vorfall seien zwei belarussische Staatsbürger | |
festgenommen worden. | |
In der vergangenen Woche waren mindestens 19 russische Drohnen teils | |
Hunderte Kilometer weit in den Luftraum Polens eingedrungen, einige davon | |
hatten polnische Streitkräfte abgeschossen. | |
Während die Reaktion von US-Präsident Donald Trump zum Leidwesen Warschaus | |
äußerst verhalten ausfiel – die polnische Onlineplattform Onet sprach | |
daraufhin von einer „Ohrfeige“ für Nawrocki – verstärkte die Bundeswehr | |
ihre Beteiligung an der Luftraumkontrolle über Polen. Dafür wurde die Zahl | |
der eingesetzten Eurofighter-Flugzeuge in einer entsprechenden Alarmrotte | |
in Rostock von zwei auf vier verdoppelt. | |
16 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Cem-Odos Güler | |
Barbara Oertel | |
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