| # taz.de -- Film über des Gaulles und Adenauer: Historische Begegnungen | |
| > Ein ZDF- und Arte-Film über die erste persönliche Begegnung von Adenauer | |
| > und de Gaulle hat nicht den Mut, sich auf die beiden Männer zu | |
| > beschränken. | |
| Bild: Konrad Adenauer und Charles de Gaulle beim Spaziergang im Film | |
| Der Tiefpunkt in der langjährigen Beziehung des in Frankreich sogenannten | |
| [1][couple franco-allemand lässt sich präzise] auf den 10. Oktober 2023 | |
| datieren, als der damalige deutsche Kanzler Olaf Scholz es wohl für | |
| charmant hielt, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Hamburg | |
| ein Fischbrötchen aufzunötigen. Demonstrativer hätte er es nicht auf eine | |
| einzige Geste reduzieren können: sein Desinteresse an der (Ess-)Kultur und | |
| den (eben nicht zuletzt kulinarischen) Werten des Nachbarlands. | |
| Wäre Scholz’ Vorvorvorvorvorvorvorvorvorgänger im Amt mit der gleichen | |
| Empathielosigkeit geschlagen gewesen, das Paar hätte damals nicht | |
| zusammengefunden. Ein ZDF-Film erzählt nun vom, um in der Terminologie zu | |
| bleiben, ersten Date [2][Konrad Adenauers] mit Charles de Gaulle: „An einem | |
| Tag im September“. Auch dieser Tag lässt sich präzise datieren. | |
| „Sonntag, 14. September 1958. 13 Jahre nach dem Krieg ist die | |
| deutsch-französische Erbfeindschaft noch nicht beigelegt“, erklärt zu | |
| Beginn eine Texttafel. Wobei man schon beim größten Problem des Films | |
| ([3][Regie: Kai Wessel]) wäre. Ständig muss er einem irgendwas erklären. | |
| Etwa die Szene ziemlich zu Anfang. Adenauer ist noch nicht in de Gaulles | |
| Landwohnsitz in Colombey les Deux Églises eingetroffen, als de Gaulles | |
| Frau ihrem Mann (Jean-Yves Berteloot) beim Rosenschneiden schnell noch mal | |
| ein biografisches Kurzreferat in Sachen Adenauer hält: dass der nie ein | |
| Nazi, sondern von diesen verfolgt war. | |
| Das Referat hält sie in Wirklichkeit natürlich nicht ihm, sondern dem | |
| Zuschauer – bei dem man in guter alter Fernsehtradition nichts | |
| voraussetzten und dem man keine Lücken zumuten darf. Selbst dann nicht, | |
| wenn man sie nicht anders als auf so plumpe und unrealistische Weise zu | |
| schließen weiß. | |
| ## Öffentlich-rechtliche Primetime | |
| Dabei ist der Autor des Stoffs, Fred Breinersdorfer, eigentlich ein | |
| altgedienter Hase, seit 1984 im Fernsehgeschäft, und mit „Honecker und der | |
| Pastor“ hat er 2022 erst ein nicht ganz so historisches Aufeinandertreffen | |
| zweier realer Personen adaptiert. Vielleicht ist er einfach schon ein | |
| bisschen zu lange im Geschäft – und die öffentlich-rechtliche Primetime | |
| immer noch der falsche Ort für zeitgemäßere Erzählweisen. | |
| Die Streamingdienste haben die Rezeption in der Originalversion inzwischen | |
| etabliert. Adenauer sprach Französisch, de Gaulle ausweislich mehrerer auf | |
| Deutsch gehaltener Reden gut Deutsch, natürlich mit Akzent. Sie konnten | |
| sich ohne Dolmetscher in beiden Sprachen verständigen. Für ihr erstes | |
| Aufeinandertreffen im sorgfältig gewählten privaten Rahmen dürfte das nicht | |
| unwichtig gewesen sein. | |
| Dem ZDF ist es nicht wichtig genug, um heute Abend die tatsächlich | |
| existierende mehrsprachige Originalversion des Films zu zeigen oder sie | |
| auch nur in seiner Mediathek anzubieten. Man muss schon danach suchen und | |
| sollte es auch. Denn wenn in der ZDF-Fassung des Films de Gaulles Deutsch | |
| als makelloses (synchronisiertes) Hochdeutsch daherkommt, ist es natürlich | |
| komplett verschenkt, wenn der Kanzlerdarsteller Burghart Klaußner | |
| gleichzeitig den prägnanten rheinischen Zungenschlag Adenauers zumindest | |
| anzudeuten sucht. | |
| An den beiden Hauptdarstellern liegt es nicht, sie tun ihr Bestes. Weshalb | |
| der Film (in der Originalfassung) seine besten Momente in den | |
| kammerspielartigen Dialogszenen zwischen den beiden Staatsmännern hat – auf | |
| die sich zu beschränken er aber nicht den Mut hat, sondern da noch allerlei | |
| Nebenschauplätze bespielen zu müssen meint. Zu Erklärungszwecken. | |
| ## Die Zukunft ist jung und weiblich | |
| Überflüssig, dass Adenauers Fahrer die Verachtung, die deGaulles Köchin für | |
| ihn übrighat, gleich mit einem lauten Lied pariert: „Weil der Franzmann, | |
| der Drecksack, das Rheinland besetzt hat. Darum ist es am Rhein nicht | |
| schön.“ Dass es 1958 noch Ressentiments zwischen Franzosen und Deutschen | |
| gab, hätte der Zuschauer im Jahr 2025 auch so verstanden, wie er | |
| selbstverständlich weiß, dass die Zukunft jung und weiblich ist. | |
| Am überflüssigsten deshalb die alle Kitscherwartungen an ein „TV-Event“ | |
| übererfüllende Verschwesterung zweier offenbar per Zeitmaschine aus der | |
| Gegenwart ins Jahr 1958 zurückgereister Nachwuchsjournalistinnen. Hätte nur | |
| noch gefehlt, dass sich dieses parallele couple franco-allemand außer dem | |
| Hotelbett auch noch ein Fischbrötchen teilt. | |
| 14 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
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