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# taz.de -- Schwarzwald „Tatort“: Eltern, Kinder, Splitscreen
> Der neue „Tatort“ aus dem Schwarzwald ist gelungenes Drama. Er zeigt eine
> Familie in zwei Universen, die sich manchmal gegenseitig ins Wanken
> bringen.
Bild: Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner)
Wenn man darüber nachdenkt, wieso sich [1][das Schwarzwald-Duo] seit seinem
ersten Fall im Herbst 2017 so unwegdenkbar in die Tatort-Landschaft
geschoben hat, beharrlich immer vorwärts, wie eine Endmoräne, schimmert er
schnell auf, der Grund: Es liegt an Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner, an
ihrem Ermittlungsteam Franziska Tobler und Friedemann Berg – an „Franz“ u…
„Frieda“. Vertraut, Halbsätze reichen mitunter, ein Blick.
Sie spielen jene beiden Kripo-Leute, ohne dass dabei Papier in ihrem Mund
knistert – Manfred Krug hat das so ungefähr mal über Jurek Beckers
Drehbuchtexte gesagt. Aber seien wir ehrlich: Dass das überhaupt gelingen
kann, das knisterfreie Reden, liegt nicht nur an den Dialogen, sondern auch
an jenen, die sie aussprechen.
Das ist die große Kunst von Löbau und Wagner, dieses Realität-Simulieren:
vor der TV-Kamera, in Serie, als immer wiedererkennbare Figuren, egal was
sie tun. Angehörigen sagen, dass ein Kind, ein Partner ermordet wurde, sich
mit Privatkram rumärgern, sich foppen, sich erzählen, was sie Neues
herausgefunden haben, sich ein Croissant reichen, verkatert auf der
Dienststelle auftauchen. Dass die [2][Zeit Anfang Mai] Löbau eine ganze
Seite widmete – geschrieben von einer Theaterkritikerin – überrascht nicht,
es war überfällig.
Diesen Sonntag also wieder Schwarzwald: „Das geheime Leben unserer Kinder“
von [3][Autorin Astrid Ströher] und [4][Regisseur Kai Wessel] geriet dabei
mehr als vielschichtiges Familiendrama als ein 08/15-„Tatort“, was für ein
Gewinn. Hier der verworrener werdende Alltag von Paaren – dort das komplexe
Leben ihrer Kinder. Zwei Universen, nebeneinander. Und manchmal bringen
sich die beiden gegenseitig ins Wanken. Wie bei Miriam Schenk (Susanne
Bormann, die in den Neunzigern für Andreas Dresen selbst schon Teenies
spielte) und Paul Wolf, er eine Tochter, sie einen Sohn, Zoé schon
erwachsen, Benno fast-erwachsen, seit sieben Jahren eine eingespielte
Familie.
## „Hase“ geht zum Pfandhaus
Bis ein Freund der Kinder tot im Wehr liegt, Kopfwunde. Und Paul einen
vollgebluteten Kapuzenpulli von Stiefsohn Benno in der Wäsche findet. Dann,
ganz langsam, fängt alles an, auseinanderzudriften. Die Kluft wächst.
Zwischen allen. Dass Regisseur Wessel dafür oft alles als Splitscreen
zeigt, zwei Orte im Jetzt nebeneinander, trägt diesen Eindruck aufs
hervorragendste weiter durch den Film.
Anders als Berg und Tobler, anders als die Eltern, weiß das Publikum
schnell von dieser Kluft. Wer zuschaut, weiß, dass die beschaulichen
Annahmen vom „Leben unserer Kinder“ nicht falscher sein könnten. Wenn einer
nicht ans Telefon geht, dann nicht, weil er noch im Unterricht sitzt, mit
„Handyverbot“. Wer zuschaut, weiß: Wenn Zoé in den Hörer sagt: „Ich bin
noch in der Uni“, sitzt sie dabei auf dem Bett in ihrem WG-Zimmer. Wenn sie
sagt, ihr Stiefbruder Benno sei sicher noch in der Schule – obwohl er
Sekunden vorher noch neben ihr saß.
Irgendwann wissen es auch Berg und Tobler: Diese jungen Menschen handeln
mit Kryptowährung, verticken Erbstücke beim Pfandleiher, planen Reisen,
träumen von Social-Media-Karrieren. Während ihre Eltern sie „Hase“ nennen
und felsenfest überzeugt sind: Ihre Kinder haben mit Drogen nichts am Hut,
und Alkohol, niemals! Nette Teenies, harmlos eben. Eben.
Erst im Februar lief eine Folge mit Tobler und Berg, Löbau und Wagner.
Meist sind’s zwei pro Jahr, maximal. Wird also noch eine Weile dauern bis
zum nächsten Mal. Leider.
SWR-Tatort: „Das geheime Leben unserer Kinder“, Sonntag, 14.5., 20.15 Uhr,
ARD und in der ARD-Mediathek
14 May 2023
## LINKS
[1] /Schwarzwald-Tatort-Unten-im-Tal/!5913653
[2] https://www.zeit.de/2023/19/eva-loebau-schauspielerin-antigone-tatort
[3] /Der-Wochenendkrimi/!5051565
[4] /!5840497/
## AUTOREN
Anne Haeming
## TAGS
Familie
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