| # taz.de -- Preisgekrönter Kiel-„Tatort“: Die Folgen eines Alleingangs | |
| > Ein in mehrfacher Hinsicht besonderer Krimi: Der verletzliche Ermittler | |
| > ist allein aufs Telefon angewiesen und hat Schwierigkeiten, sich zu | |
| > erinnern. | |
| Bild: Kommissar Borowski ist bei seiner Ermittlung allein aufs Telefon angewies… | |
| ## Tatort beginnt mit einer Amnesie | |
| Auf die Idee muss man erst mal kommen: Der neue „Tatort“ mit Klaus Borowski | |
| (Axel Milberg) beginnt mit einer Amnesie. Eben noch sehen wir den Kommissar | |
| an der Tür eines Einfamilienhauses klingeln – nur eine Einstellung später | |
| liegt er bewusstlos und blutüberströmt vor einem Krankenhaus. Und ja, er | |
| wird gerettet. Es handelt sich bei „Borowski und die große Wut“ also nicht | |
| um den letzten Fall des eher wortkargen und doch wortgewaltigen Ermittlers, | |
| noch nicht: Borowski wird wohl, so gab der NDR im März bekannt, 2025 ein | |
| letztes Mal ermitteln. Was ausgesprochen schade ist. | |
| Borowski liegt also mit schwerer Kopfverletzung auf der Intensivstation, | |
| kann sich an rein gar nichts erinnern, kommt dann aber wieder zu sich und | |
| greift zu seinem Smartphone, weil er angerufen wird. Und schon ist er Feuer | |
| und Flamme und ganz Ermittler. Was für ein Einfall! So bleiben uns endlich, | |
| endlich, endlich einmal Standardfragen wie „Wo waren sie zur Tatzeit?“ so | |
| gut wie erspart. Borowski hört vor allem zu und denkt viel nach. | |
| Das Mädchen Finja ruft bei Borowski an, natürlich anonym, und behauptet, | |
| ihre große Schwester Celina habe sie entführt. Celina ist eins der Mädchen, | |
| die Borowski noch vor dem Schlag auf den Schädel (es war wohl ein | |
| Fleischklopfer) in einer Berufsschule verhört hat. Denn nahe der Schule | |
| wurde eine Fahrradfahrerin von einer wütenden jungen Fußgängerin (Celina?) | |
| so unglücklich gestoßen, dass sie unter einen Lkw kam und verstarb. | |
| Schön ist filmisch umgesetzt, wie sich Borowski langsam wieder erinnert, | |
| wohl auch durch die Informationsfetzen aus den Telefonaten. Und dann sind | |
| da seine inneren Bilder: Ein fallender Bluttropfen, eine Melodie, ein | |
| Wasserhahn – irgendwann ergibt das für den Kommissar (und uns) Sinn. Zum | |
| Beispiel, als er den immer gleiche Handyklingelton des Haustechnikers im | |
| Krankenhauses wiedererkennt und beschließt, sich erst mal nicht wie | |
| vorgehabt auf eigene Gefahr selbst zu entlassen, sondern vor Ort zu | |
| ermitteln. Nur eben nicht wie sonst, sondern rein akustisch. | |
| ## Besorgte Kollegin | |
| Dieser tolle „Tatort“ ist in mehrfacher Hinsicht besonders. Wir sehen einen | |
| verletzlichen Ermittler, der allein aufs Telefon angewiesen ist und auch | |
| auf sein Team im Kommissariat, das dann später mithört, wenn mal die | |
| entführte Finja, mal die vermeintliche Entführerin Celina anrufen. | |
| Wir erleben auch eine besorgte Kollegin, Mila Sahin (Almila Bagriacik), die | |
| sich Vorwürfe macht: Warum war sie nicht in dem Moment da, als Borowski | |
| ihre Hilfe gebraucht hätte? Dabei sind ja solche Alleingänge fester | |
| Bestandteil jeder Krimi-Dramaturgie. Und wir erfahren von den dramatischen | |
| Lebensumständen einer jungen Frau. Von den seltsam unbeteiligten, ja | |
| gefühlskalten Eltern. Aber auch von der lieben (und reichen) Oma, die nun | |
| aber tot in ihrem Haus gefunden wird (das Geld ist weg) – eben dort, wo | |
| Borowski eingangs klingelte. | |
| Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Weil alle glauben, dass Celina ihrer | |
| Schwester etwas antun könnte und sich selbst. Borowski glaubt das nicht. | |
| Eine ambivalente Geschichte und gerade deshalb gut und spannend, da waren | |
| Könner am Werk. Deswegen haben sie schon Preise eingeheimst. Der Film wurde | |
| auf dem [1][„Festival des deutschen Films“] in Ludwigshafen uraufgeführt, | |
| für die Autor*innen Eva Zahn und Volker A. Zahn gab es den Drehbuchpreis | |
| und für Regisseurin Friederike Jehn den Filmkunstpreis „Beste Regie“ – | |
| völlig zu Recht. | |
| 7 May 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.festival-des-deutschen-films.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hergeth | |
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