| # taz.de -- Neuer Kiel-„Tatort“: Ein Kommissar mit lockerer Knarre | |
| > Dominanz und Unterwerfung im Milieu der Reichen – und eine Frau, die doch | |
| > nur glücklich sein will. Das ist halt bekanntlich das Schwerste. | |
| Bild: Schippern durch den Fall: Mila Sahin (Almila Bagriacik und Klaus Borowski… | |
| Die nicht mehr ganz junge, reiche Frau mit übermächtiger Mutter, vergeblich | |
| angehimmeltem Vater und einem geldgeilen Gigolo als Ehemann – sie bleibt | |
| ein dankbares Motiv. Insbesondere für die Darstellerin, [1][Cordelia Wege], | |
| die in diesem neuen Tatort aus Kiel alles zeigen kann, was d[2][ie Rolle | |
| Greta Exner] hergibt. Ihr Unglück glänzt auf ihrer Haut, sie riecht quasi | |
| danach. Ihre Sehnsucht nach echter Liebe, die zu geben sie selbst natürlich | |
| nicht in der Lage ist, weil sie nur phasenweise Unterwerfung und dauerhaft | |
| Dominanz leben kann und vorgelebt bekommen hat, muss unerfüllt bleiben. | |
| Sie ist die betrogene Betrügerin, für die Sympathie zu empfinden | |
| schwerfällt, gerade weil die realistische Qualität Cordelia Weges | |
| Schauspielkunst klar macht: Diese deutsche Fabrikantentochter und Managerin | |
| Greta Exner aus der westdeutschen Provinz gibt es um uns herum, in der | |
| Quantität wie eben Reichtum in diesem Land verteilt ist. | |
| Keine Einwände also zu dieser Figur; und auch keine, was ihr Verhältnis zum | |
| Namensgeber der Kieler „Tatort“-Reihe angeht, Kommissar Klaus Borowski. Zu | |
| dem entwickelt Greta Exner genau das gleiche Mischverhältnis wie zu den | |
| anderen Männern in ihrem Umfeld. Sie ist mal Papas kleines Mädchen, mal | |
| Femme fatale und schließlich gekränkt-gelangweilte Göre, der nun wirklich | |
| alles zuzutrauen ist. | |
| Axel Milberg als Borowski, obwohl 20 Jahre älter als Wege, funktioniert | |
| erstaunlich gut als begehrt-begehrender Widerpart. Was zwischen den beiden | |
| an erotischer Spannung läuft, ist stimmig – und wird spannend, weil sie | |
| beide noch ihre ganz eigene, verdeckte Agenda verfolgen: Schließlich ist | |
| der einen der Ehemann abhanden gekommen – unter sich im Verlauf des Krimis | |
| immer mehr vereindeutigenden Umständen – und der andere ist gerufen worden, | |
| um dieses Verschwinden aufzuklären. Zu diesem Hauptstrang haben sich Autor | |
| Sascha Arango und Regisseur Andreas Lehnert eine wirklich feine und gut | |
| inszenierte Pointe einfallen lassen, die dem Film auch den Titel gibt. | |
| Soweit so gut; der Rest der Folge „Borowski und der Wiedergänger“ gibt dann | |
| aber weniger Anlass zum eh folgenlosen Meckern als vielmehr zum produktiven | |
| Grübeln übers [3][deutsche Krimifilmwesen]. | |
| Um sich von den Gewerken zu nähren: Die Musik gluckert und gurgelt schon | |
| arg aufdringlich gruselheischend. Muss nicht sein. Bei Requisite und | |
| Szenenbild wiederum ist die Frage, ob hier dem von der Megaserie | |
| „Succession“ gesetzten Trend „Quiet Luxury“ nachgeeifert werden soll. | |
| Das ganze Setting vom Sofa bis zur Kaffeetasse sieht doch etwas sehr | |
| backsteinmäßig-behäbig aus. Es mag ja sein, dass die Reichen in Deutschland | |
| keinen Geschmack haben, aber so billo wie in der Bäckereifiliale? Zugegeben | |
| – hier fehlt mir der persönliche Erfahrungswert. | |
| Interessanter ist die Frage, welches Genre die Verantwortlichen eigentlich | |
| angestrebt haben. Knallharter Sozialreport? Satire? Farce? Was rauskommt, | |
| ist jedenfalls ein Aufmerksamkeit abziehendes Holterdipolter von | |
| offensichtlich nicht ernst gemeinten Szenen – so wenn Borowski einfach mal | |
| eine Pressedrohne abknallt – und dem oben beschrieben psychologischen | |
| Realismus. Vollkommen überflüssige Schwarz-Weiß-Einspielungen von | |
| Zeugenaussagen bringen dann auch noch Dokutouch. | |
| Also mal wieder: schade drum; und die Erinnerung, dass sich nur produktiv | |
| dekonstruieren lässt, was zuvor auf eigenen Beinen gestanden hat. | |
| 3 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ambros Waibel | |
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