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# taz.de -- Krimi „Obwohl ich dich liebe“: Schaurige Taten in der Provinz
> Provinz ist schlicht und deshalb machen die Bewohner dort öfter mal was
> Verrücktes. Seitensprünge zum Beispiel, wofür sie teuer bezahlen.
Bild: Rebecca (Clotilde Hesme) und Romain (Jérémie Renier) in der Miniserie �…
„A Hell of a Woman“ war das Erste, was mir zu dieser Minithrillerserie aus
Frankreich einfiel. Die – geben wir es gleich zu – schon mal gelaufen ist
bei Arte, vor vier Jahren. „A Hell of a Woman“ ist dabei der Titel einer
Krimianthologie mit ausschließlich weiblichen Autoren, herausgegeben von
der US-Schriftstellerin Megan Abott, die gerade mit zwei Romanen den
deutschen Hard boiled-Markt aufmischt, mit starken, unheimlichen
Protagonistinnen („Aus der Balance“, „Wage es nur!“, [1][beide bei Pulp
Master erschienen]).
„A Hell of Woman“: die böse, die harte, die traumatisierte, die skrupellose
Täterin, die natürlich eigentlich Opfer ist, die einen sehr weichen, fast
schon tödlich verletzten Kern hat, verkörpert von einer künstlerisch
wahrlich aus tiefen Wassern schöpfenden Schauspielerin, deren Namen ich aus
Spoilergründen nicht nennen kann: Das ist die Achse, um die sich alles
dreht im auf Französisch schlicht „Amour Fou“, auf Deutsch [2][„Obwohl i…
dich liebe“] betitelten Dreiteiler.
Schauplatz, das macht die Sache noch mal interessanter, ist die Provinz, la
France profonde. Die Protagonisten sind Autohändler, Bedienungen,
Betriebsärztinnen. Und in diesem leicht desolaten Ambiente ist der Anreiz,
endlich das ganz andere Leben zu verwirklichen und sei es mit illegalen
Methoden natürlich größer als in einem mehr oder weniger mondänen Milieu
der Metropole; es ist eben nicht nur Untreue das Laster der Provinz, wie
Goethe in den Wahlverwandtschaften sagt, sondern auch Intrige, Mord und
Totschlag, und nicht zuletzt Rache und unterdrückte Leidenschaft.
Provinz ist aber auch schlicht: Nähe. Rebecca (Clotilde Hesme) und Romain
(Jérémie Renier) geht es gut in der etwas überdimensionierten Stadtvilla,
aber schließlich sollen ja schnellstmöglich Kinder her. Doch obwohl – oder
eben weil – Romain den Zyklus seiner Frau im Kalender stehen hat und sie
entsprechend termingerecht miteinander Sex haben, will es einfach nicht
klappen.
Da kommt es nicht so gut, dass Romains missratener Drogi-Bruder Mickael
(Finnegan Oldfield), der zur besseren Überwachung seines Lebenswandels samt
Partnerin Émilie (Majda Abdelmalek) im Nachbarhaus einquartiert wurde, bei
einem gemeinsamen Abendessen prahlend verkündet, ihr in der Nachbarschaft
gut hörbarer Geschlechtsverkehr habe zum Ziel geführt.
Émilie ist schwanger, raucht und trinkt aber weiter und kann immer noch
nicht kochen. Die allgemeine Anspannung führt zum handfesten Streit, man
trennt sich halb versöhnt. In der Nacht steht Rebecca schlaflos am Fenster
und beobachtet, wie Mickael unter großen Mühen einen zusammengerollten
Teppich in sein Auto wuchtet. Was – oder wer? – mag da wohl drin sein,
fragt sie ihren aus dem Bett gerüttelten Mann, der auch im Weiteren einfach
nicht glauben will, dass seine Geschwistergeschichte auf die von Kain und
Abel hinausläuft. Doch am nächsten Morgen fehlt von Émilie jede Spur.
Autorin dieses sich in Folge zwei dramatisch wandelnden Plots ist die
französische Schriftstellerin [3][Ingrid Desjours], deren Bücher bislang
nicht auf Deutsch erschienen sind. Dass sie ihr Handwerk versteht, zeigt
„Obwohl ich dich liebe“ (nach ihrer Romanvorlage „Tout pour plaire“) ab…
schon mal ziemlich überzeugend. Wer ein bisschen was abkann, Hitchcock und
Daphne du Maurier mag, wird hier jedenfalls prima bedient.
16 Jun 2024
## LINKS
[1] https://www.pulpmaster.de/wp/megan-abbott/
[2] https://www.arte.tv/de/videos/RC-020929/obwohl-ich-dich-liebe/
[3] https://fr.wikipedia.org/wiki/Ingrid_Desjours
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
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