# taz.de -- Kung-Fu-Film aus Italien: Kampfkunst in der Trattoria | |
> Im neuen Film von Gabriele Mainetti sucht die Kung-Fu-Heldin Mai nach | |
> ihrer Schwester. Und erkundet zwischendurch auch mal Rom mit der Vespa. | |
Bild: Mei (Yaxi Liu) gibt ihr Können weiter | |
Die Kombination aus chinesischer Kampfkunst und italienischer Hauptstadt, | |
die der deutsche Titel zusammenbringt, erzeugt bereits eine gewisse | |
Reibung. Die jeweiligen filmischen Klischees, die damit assoziiert sind, | |
wollen nicht recht zusammenpassen, das [1][Genrekino mit den kühnen | |
Nahkampfchoreografien] und die Kulisse der Ewigen Stadt mit ihren | |
romantischen Assoziationen. Der italienische Schauspieler und Regisseur | |
Gabriele Mainetti setzt den Kontrast in seinem Film „Kung Fu in Rome“ von | |
Anfang an mit einem Selbstbewusstsein ein, das signalisiert, dass er sich | |
um solche Grenzziehungen wenig schert. | |
Ungewöhnlich ist schon der Auftakt der Handlung, der nach China im Jahr | |
1995 führt. Nachdem Texteinblendungen an die „Ein-Kind-Politik“ erinnern, | |
die dort von 1979 bis 2015 galt, sieht man auf einer Art verlassenem | |
Bauernhof einen Vater mit zwei kleinen Töchtern beim Kung-Fu-Training. Die | |
Liebe habe sich eben nicht immer an die Regeln gehalten, erklärt die | |
Einblendung. | |
Als sich auf der Landstraße ein Fahrrad nähert, wird eines der Mädchen von | |
der Mutter im Innern des Hauses in einen Schrank gezerrt. Die erwachsene | |
Mei (Yaxi Liu) schildert später, dass das ihr Leben war: Sie musste zu | |
Hause im Verborgenen bleiben, während ihre Schwester Yun zur Schule ging, | |
sich mit Freunden traf und ihr hinterher von all dem nur erzählen konnte. | |
Der eigentliche Plot setzt ein mit Mei, die mit einer Gruppe von | |
verschreckten jungen Frauen in einem Lieferwagen sitzt und durch düstere | |
Tunnel und Hinterhöfe schließlich bei einem Frauenhändler landet. Dessen | |
grobe Worte lassen wenig Zweifel daran, welches unerfreuliche Schicksal die | |
Frauen erwartet. | |
## Kreativer Einsatz von Tischkanten und Hardwarediscs | |
Aber was sich als düsterer Sozialthriller anlässt, verwandelt sich binnen | |
Sekunden in dynamisches Martial-Arts-Kino: als nämlich Mei an der Reihe | |
wäre, sich auszuziehen, stattdessen aber den Frauenhändlerschergen zeigt, | |
wie man mit gezieltem Kickboxen und kreativem Einsatz von Tischkanten, | |
Hardwarediscs oder Küchenreiben einen Pfad der Verwüstung im | |
Bordell-und-Restaurant-Imperium des Mr Wang (Chunyu Shanshan) hinterlässt. | |
So kämpft sich Mei durch verschiedenste Räumlichkeiten, an Kunden, Gästen | |
und Angestellten vorbei und oftmals mitten durch sie hindurch, aber am Ende | |
ist sie ihrem Ziel, ihre Schwester Yun zu finden, nicht näher gekommen. In | |
den Straßen des bunten römischen Stadtviertels Esquilino gelandet, verfügt | |
sie lediglich über die Adresse einer Trattoria da Alfredo, um als Nächstes | |
nach Yun zu fragen. | |
In der Trattoria dann kommt es endgültig zum Kulturclash. Als Mei sich, | |
entschlossen wie eine Furie, in die Küche vorkämpft, kriegt sie lediglich | |
den kleinlauten Marcello (Enrico Borello) zu fassen, der vom eigenen Leben | |
schon geprügelt genug zu sein scheint, als dass er groß Widerstand leisten | |
wollte. | |
Marcello, so stellt sich heraus, fühlt sich ziemlich überfordert vom | |
Betrieb des überschuldeten Restaurants. Sein Vater Alfredo habe ihn und | |
seine Mutter für eine chinesische Geliebte im Stich gelassen und sei | |
spurlos verschwunden. Es braucht noch einige Actionsequenzen, bis auch | |
Marcello begreift, dass es sich bei der Geliebten um Meis Schwester Yun | |
handelt. | |
## Filmische Hommage auf Rom-Klassiker | |
Die Ruhephase vor dem kulminierenden dritten Akt nutzt Regisseur Mainetti | |
für einen erneuten Schwenk zu etwas ganz anderem: Er lässt Marcello und Mei | |
auf einer Vespa durch Rom kreuzen und ausführlich Gregory Peck und Audrey | |
Hepburn in „Ein Herz und eine Krone“ ihre Hommage erweisen: „Da links ist | |
die Bocca della Verità!“ Aber ähnlich stur, wie Hepburns Prinzessin zu | |
ihren majestätischen Pflichten zurückkehrt, hält Mei an ihren Racheplänen | |
gegen Mr Wang fest. | |
Mit seinem Gespür für einen kühnen Genremix bestach schon Mainettis erste | |
Langfilmregie 2015 bei „Sie nannten ihn Jeeg Robot“, der in Deutschland | |
2017 nur auf DVD herauskam. Darin erzählte Mainetti eine italienische | |
Superheldengeschichte: Ein Kleinganove flüchtet in den Tiber, wo er | |
versehentlich mit radioaktivem Abfall in Kontakt kommt. Im Folgenden lernt | |
er die übliche Lektion, dass auf die großen Kräften auch die große | |
Verantwortung folgt. | |
Mit Verweisen auf den Italowestern, auf Mafiafilme und die Popularität | |
japanischer Mangas in Italien war „Sie nannten ihn Jeeg Robot“ nicht nur | |
ein sehr dynamischer Kinospaß, sondern Mainetti verstand es auch, seinen | |
Helden in einem authentischen Rom anzusiedeln und ganz nebenbei reale | |
sozialkritische Themen aufzunehmen. In Italien erwies sich der Film als | |
sleeper hit und wurde schließlich mit einer ganzen Welle von Preisen | |
ausgezeichnet. | |
## Frischer Blick auf die Migrationsgesellschaft | |
Mainettis zweiter Film „Freaks Out“ – der in Deutschland auch nicht ins | |
Kino kam – landete 2021 sogar im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig, | |
wo die Mischung aus Zweiter-Weltkrieg-Geschichte und Fantasy aber wenig | |
Beachtung fand – obwohl Mainetti auch hier Wege ersann, die üblichen | |
Klischees über das faschistische Italien mit einer gewissen | |
Comicsensibilität auszuhebeln und von Außenseitertum zu erzählen. | |
„Kung Fu in Rome“ ist im Vergleich zu den beiden Vorgängerfilmen Mainettis | |
bislang konventionellster Film. Die deutsche Synchronisation, die dem | |
Gangsterboss Annibale endlos „Cazzo!“ in den Mund legt, lässt die Dialoge | |
erst recht abgedroschen erscheinen. | |
Aber was Mainetti erneut gelingt, ist die Verbindung aus Filmplot und sehr | |
realem Schauplatz. Hier ist es das multikulturelle römische Viertel | |
Esquilino, durch das er seinen Helden Marcello mit großer Offenheit für | |
die verschiedensten ethnischen Communitys schreiten lässt. | |
Ähnlich wie im deutschen Kino kommt auch im italienischen die | |
Migrationsgesellschaft sonst nur in Krimis oder in Problemfilmen vor. | |
Mainetti lässt sie in seiner sinoitalienischen Kulturclashgeschichte einen | |
betont friedlichen Hintergrund bilden. Als Marcello an der Seite von | |
Annibale einmal eine Wohnung ausspäht und eine Frau im Tschador mit ihrem | |
kleinen Kind vorbeigeht, kommentiert dieser: „So weit ist es schon mit uns | |
gekommen, jetzt halten die uns für Diebe!“ Später kocht Marcello Nudeln mit | |
Teebaumöl – das ist italienische Toleranz am Limit. | |
9 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
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