# taz.de -- Geschlechtertest bei Box-WM: Tiefschläge für die Gerechtigkeit | |
> Die neuen Gentests überschatten die Box-WM. Der Einspruch von | |
> Olympiasiegerin Imane Khelif wird abgelehnt, die Französinnen werden | |
> ausgeschlossen. | |
Bild: Imane Khelif kann sich derzeit nur an den Erinnerungen ihres Olympiasiege… | |
Es ist die erste Box-Weltmeisterschaft, die der neu geschaffene Weltverband | |
World Boxing organisieren darf. Die Aufmerksamkeit, die das Event in | |
Liverpool auf sich zieht, ist jedoch von anderer Art als sich das die | |
Funktionäre gewünscht hatten. Gesprochen wird nämlich nicht etwa über die | |
17 olympischen Medaillengewinnern, die von World Boxing stolz angekündigt | |
wurden, sondern über diejenigen, die nicht bei der WM sind. | |
Am Donnerstag fanden die ersten Wettkämpfe statt. Vermisst wurden etwa die | |
französischen Boxerinnen. Deren nationaler Boxverband teilte am Donnerstag | |
mit, sie seien ausgeschlossen worden, weil die Ergebnisse des neu | |
eingeführten obligatorischen Geschlechtstests nicht rechtzeitig vorlagen. | |
Derartige Tests sind in Frankreich seit 1994 gesetzlich verboten. Ausnahmen | |
sind nur unter strengen Auflagen möglich, weshalb sich die Frauen des | |
französischen Teams erst nach ihrer Ankunft in England testen ließen. Das | |
vom Weltverband empfohlene Labor konnte die Ergebnisse aber nicht in der | |
vom Weltverband vorgegebenen Frist einreichen. Pech gehabt. Frankreichs | |
Sportministerin Marie Barsacq bezeichnete den Ausschluss als | |
„inakzeptabel“. | |
Die Debatte um Geschlechtertests im Sport nimmt Fahrt auf. [1][Auch der | |
Leichtathletik-Weltverband hat für seine Athletinnen einem Gentest | |
eingeführt,] der seit 1. September verpflichtend ist. Wie kompliziert und | |
unausgegoren alle Regelungsversuche sind, das zeigt gerade die aktuell | |
laufende Box-WM. | |
Auslöser für das große Geninteresse der Box-Funktionäre [2][war der | |
Kulturkampf, der rund um die Olympischen Spiele 2024 in Paris entbrannte.] | |
Entzündet hatte er sich an den überlegenen Auftritten der algerischen und | |
taiwanesischen Boxerinnen Imane Khelif und Lin Yu-ting, die beide die | |
Goldmedaille gewannen. Geargwöhnt wurde, ob hier nicht ein chromosomaler | |
Vorteil im Spiel wäre, ob ein Fall von Intersexualität vorläge. Bei der WM | |
2023 waren beide noch nach einem Geschlechtertest ausgeschlossen worden von | |
dem damals zuständigen Weltverband IBA, der zu dem Zeitpunkt bereits vom | |
IOC wegen finanzieller Intransparenz und fehlender Integrität suspendiert | |
worden war. Intransparent blieb damals auch die Vorgehensweise bei den | |
Geschlechtertests. | |
## Kulturkampf bei Olympischen Spielen | |
[3][Dem IOC, das die Organisation des olympischen Boxturniers übernahm, | |
genügten wiederum die Angaben von Khelif und Lin, was ihre | |
Geschlechtszugehörigkeit angeht], was insbesondere rechte Kulturkämpfer wie | |
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und US-Präsident Donald Trump | |
aufbrachte. | |
Imane Khelif ist auch das große Thema in den Tagen vor der Box-WM gewesen. | |
Vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) hat die 26-Jährige Einspruch | |
gegen eine Entscheidung des Weltboxverbandes eingelegt, der ihr die | |
WM-Teilnahme ohne vorherigen Geschlechtertest versagt hatte. Drei Tage vor | |
WM-Beginn lehnte der CAS ihren Antrag ab, die neue Regel für die Zeit der | |
WM vorläufig auszusetzen, um sich dann danach mit ihrem grundsätzlichen | |
Einspruch zu befassen. | |
Das Verhältnis zwischen Khelif und dem neuen Weltverband war von Anfang an | |
durch vorverurteilendes Handeln gestört. Denn World Boxing verlangte | |
bereits im Juni von Khelif, sich vor einem Turnier in Eindhoven einem | |
Geschlechtertest zu unterziehen. Eingeführt wurde der verpflichtende Test | |
aber erst Anfang Juli. In einer Pressemitteilung zur neuen Regelung wurde | |
auch der Name Imane Khelif genannt, wofür sich World-Boxing-Präsident Boris | |
van der Vorst nachträglich entschuldigte. Ihre Privatsphäre, bekannte er, | |
hätte geschützt werden müssen. | |
Über die Taiwanesin Lin Yu-ting, war im Vorfeld der WM ebenfalls viel die | |
Rede, weil sie sich im Unterschied zu Khelif dem Geschlechtertest | |
unterziehen wollte. Kurz vor der WM hat sie jedoch ihre Teilnahme abgesagt. | |
Die näheren Umstände sind unbekannt. | |
World Boxing hatte die Einführung des Tests unter anderem mit „körperlichen | |
Risiken, die mit olympischem Boxen verbunden sind“, begründet. Dies ist | |
gewiss ein bedenkenswertes Argument, sollten genetische Veranlagungen | |
überharte Schläge ermöglichen. Andererseits sei das Vorhandensein eines | |
SRY-Gens, das besagter Test verifizieren soll, lediglich eine Voraussetzung | |
zur Entwicklung zum Mann, wie der Sportmediziner Wilhelm Bloch von der | |
Sporthochschule in Köln sagt. Über die Funktionsfähigkeit dieses Gens, | |
könne der Test keine Auskunft geben. | |
Jenseits der Verletzung von Persönlichkeitsrechten würden mit dem | |
angeblichen Versuch, mehr Gerechtigkeit herzustellen, also neue | |
Ungerechtigkeiten geschaffen werden. | |
5 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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