# taz.de -- Kinoempfehlungen für Berlin: Willkommen zu Hause, Baby! | |
> Das Fantasy Filmfest zeigt eine Woche lang viele postmoderne Mixturen aus | |
> den Genres Horror, Fantasy und Action. | |
Bild: „Welcome Home Baby“ (2024), Regie: Andreas Prochaska | |
Der Teenager Rylee hat einen großen Traum: Einmal ein paar persönliche | |
Worte mit IHM wechseln zu können, mit dem abgöttisch angehimmelten Payton, | |
dem Sänger ihrer Lieblingsband. Sie weiß alles über ihr Idol, ihr | |
Jugendzimmer hat sie in einen Schrein zu dessen Ehren verwandelt, und bei | |
einem seiner Konzerte steht sie mit ihrer besten Freundin natürlich in der | |
ersten Reihe. Wie es der Zufall so will, kommt es tatsächlich zu einer | |
Begegnung, Rylee sitzt plötzlich neben – Kreisch! – IHM in dessen Auto. | |
Aber sie stellt fest: Ihr Schwarm hat Probleme und braucht Hilfe, auch wenn | |
er das selbst vielleicht gar nicht so sieht. Für Rylee aber ist klar: Sie | |
wird jetzt da sein für ihn und niemand wird sie daran hindern können. Auch | |
nicht Payton selbst, der bald erkennen muss, dass er die Geisel eines | |
Mädchens mit einem pathologischen Beschützerinstinkt ist, das bei der | |
Erfüllung seiner Mission über Leichen geht. | |
Die kanadische Regisseurin Emma Higgins hat mit „Sweetness“ (2025) einen | |
rasant überdrehten Film gedreht, der den Stoff des Stephen-King-Romans | |
„Misery“ variiert, wo ebenfalls ein Promi auf schmerzhafte Weise erfahren | |
muss, wie weit die Liebe eines Fans gehen kann. Allerdings verläuft bei | |
diesem, im Vergleich zu dem, was Payton mit Rylee erleben muss, alles noch | |
eher harmlos. | |
Zu sehen ist „Sweetness“ beim [1][Fantasy Filmfest], bei dem eine gute | |
Woche lang, vom 3. bis zum 10. September im Zoo Palast, mal wieder jede | |
Menge Filme aus den Genres Horror, Fantasy und Action zu sehen sind. Wobei | |
solche Genre-Filme inzwischen oftmals gar nicht mehr bloß einer einzigen | |
Gattung zugeschrieben werden können, sondern als postmoderne Mixturen | |
daherkommen. | |
„Sweetness“ etwa hat etwas von einem Coming-of-age-Film, arbeitet mit | |
Horror-Elementen, ist aber am Ende wohl vor allem ein Thriller. „The Things | |
You Kill“ (2025) von Alireza Khatami wiederum wirkt erst wie ein | |
klassischer Thriller, bei dem der Hochschullehrer Ali den Tod seiner Mutter | |
aufklären will und sich dabei immer tiefer in alle möglichen Probleme | |
verstrickt. Bis dann surreale Mystery-Elemente auftauchen und man sich in | |
der Geschichte ähnlich verliert wie Ali und bald auch nicht mehr weiß, wo | |
hier die Realität endet und der Wahnsinn beginnt. | |
Es ist auch nicht mehr so wie früher, dass in all diesen Genre-Crossovers | |
die Killer, Helden und Antihelden vornehmlich von Männern gespielt werden | |
und die Frauen nur als schreiende Opfer auftreten. | |
Vielmehr übernehmen inzwischen auffallend viele Frauen den aktiven Part, | |
holen den Baseballschläger oder das Messer raus und am Ende liegen die | |
Männer röchelnd am Boden, während die Frauen sich zufrieden lächelnd die | |
Blutspritzer aus dem Gesicht wischen. | |
Etwa in „Odyssey“ (2025) von Gerard Johnson, wo eine Londoner | |
Immobilienmaklerin irgendwann so richtig die Geduld mit allen verliert, die | |
sie so nerven. Sie selbst ist auch nicht unbedingt eine Sympathieträgerin, | |
aber alle, mit denen sie sich auf ihrem Trip voller Gewalt anlegt, haben es | |
schon verdient, wenn ihnen die Klinge in den Bauch gerammt wird. | |
Auch in der verschworenen Dorfgemeinschaft, in die die Berliner Notärztin | |
Judith in ihrer österreichischen Heimat in dem Film „Welcome Home, Baby“ | |
(2025) von Andreas Prochaska gerät, haben ausschließlich die Frauen etwas | |
zu melden, während die paar Männer, die überhaupt zu sehen sind, geduckt | |
und verängstigt umherschleichen. Judith will in dem Provinzkaff eigentlich | |
Geheimnissen aus ihrer Kindheit auf die Spur kommen, um dann möglichst | |
schnell wieder abzureisen. | |
Aber sie stößt auf Kräfte, die sie unbedingt hierbehalten wollen, und mit | |
denen ist nicht zu spaßen. Irgendwann ist sie schwanger und Roman Polanskis | |
Horrorfilm „Rosemary’s Baby“ lässt ordentlich grüßen. Am Ende steht die | |
Frage: Welche von all den Frauen hier ist nun wirklich am stärksten. | |
2 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://fantasyfilmfest.com/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
## TAGS | |
taz Plan | |
Filmrezension | |
Fantasy | |
Horrorfilm | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
Berlin geht baden | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kinoempfehlungen für Berlin: Die Sprache der Bilder | |
Eine Reihe im Zeughauskino zeigt Filme aus der Zeit „Nach Shoah“. Die UFA | |
Filmnächte feiern wieder Stummfilmgeschichte mit restaurierten Fassungen. | |
Konzertempfehlungen für Berlin: Alles mitnehmen, was draußen geht | |
Kurz vor dem Ende des Sommers laden die Citadel Music Days zum Finale, Yves | |
Fontanille lädt zu Konzerten im Kiez. Dort trifft Postpunk auf Avant-Pop. | |
Neue Musik aus Berlin: Elegant psychedelische Gewitter | |
Das Duo Lail & Lomar hat mit ihrer EP „My Head Could Explode“ ein | |
funkelndes Debüt veröffentlicht. Am Mittwoch stellen sie es live in der Bar | |
Bobu vor. | |
taz-Sommerserie „Berlin geht baden“ (5): Im Becken mit Riefenstahl | |
Im Olympiabad, wo Hitlers Regisseurin filmte, bröckeln die Tribünen. | |
Schwimmenden kann sich hier schon mal eine gruselige Zukunftsvision | |
aufdrängen. |