# taz.de -- Gefahren durch Mikroplastik: Langsam fahren hilft – aber nur frei… | |
> Der Löwenanteil des Mikroplastiks in Berliner Gewässern kommt durch | |
> Reifenabrieb zustande. Mehr Tempolimits soll es deshalb aber nicht geben. | |
Bild: So deutlich wie bei radikalen Bremsmanövern sieht man den Reifenabrieb n… | |
Berlin taz | In Genf wird gerade [1][über ein weltweites Abkommen zur | |
Verringerung von Plastikmüll verhandelt], dabei steht unter anderem | |
sogenanntes Mikroplastik im Mittelpunkt: mikroskopische Kunststoffpartikel, | |
die mittlerweile global verbreitet sind, vor allem in Gewässern. Wie genau | |
sie den Organismus von Menschen schädigen können, ist noch nicht | |
abschließend erforscht. Hinweise, dass gesundheitliche Gefahren davon | |
ausgehen, gibt es jedoch zur Genüge. | |
In Berlin kennt die Politik nicht nur dieses Gefahrenpotenzial, es ist auch | |
ziemlich genau belegt, was die größten Emissionsquellen sind: In ihrer | |
Antwort auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux verweist die | |
scheidende Umwelt-Staatssekretärin Britta Behrendt (CDU) auf Reifenabrieb | |
als wichtigsten „Eintragspfad“ von Mikroplastik in die Berliner Gewässer. | |
Das, was – hauptsächlich motorisierte – Fahrzeuge auf den Straßen | |
hinterlassen und anschließend den Weg in die Kanalisation findet, mache | |
rund drei Viertel des Mikroplastikeintrags in Gewässer aus. Daneben sind es | |
allerdings auch unsere Schuhsohlen, von denen beim Gehen ständig feinste | |
Kunststoffteilchen in die Umwelt gelangen. Auch die Besen von Kehrmaschinen | |
und Fahrbahnmarkierungen leisten einen Beitrag. | |
Letztere enthalten tatsächlich Plastik und werden natürlich auch wieder | |
durch Fahrzeuge in ihre kleinsten Bestandteile aufgerieben. Und schließlich | |
sind das Waschen von Textilien aus Synthetikfasern oder die Anwendung | |
bestimmter Kosmetika und Reinigungsmittel lokale Mikroplastik-Quellen. | |
## Mechanismen durch Studien belegt | |
Belegt sind all diese Mechanismen unter anderem durch mehrere in Berlin | |
durchgeführte Studien. So präsentierte die TU Berlin im Jahr 2021 die | |
Ergebnisse einer Untersuchung zum Reifenabrieb. Dabei wurde auch | |
beobachtet, wie viele Partikel bei der Straßenreinigung wieder aufgenommen | |
werden können: im Falle der besonders problematischen Kleinstteilchen | |
immerhin 55 Prozent. | |
Allerdings fanden die Versuche unter idealen Bedingungen in einer Halle | |
statt. Weil Straßenoberflächen weniger glatt sind und Kehrmaschinen wegen | |
parkender Autos normalerweise nicht die gesamte Fahrbahn reinigen können, | |
dürfte das Ergebnis in der Realität deutlich schlechter ausfallen. | |
Um den Eintrag von Mikroplastik in Gewässer zu reduzieren, hat das Land | |
laut Noch-Staatssekretärin Behrendt schon verschiedene Maßnahmen umgesetzt. | |
Dazu gehörten etwa Retentionsbodenfilter wie der am Halensee: Hier muss das | |
Niederschlagswasser von der Stadtautobahn erst durch einen künstlich | |
angelegten Schilfgürtel fließen. | |
Im Rahmen des Gewässergütebauprogramms seien weitere Maßnahmen geplant, | |
unter anderem „Hochleistungssedimentationsanlagen“ im Einzugsgebiet der | |
Wuhle. Zudem unterstütze der Senat die Ausrüstung von Gullys mit speziellen | |
Schlammfängen. Dazu fänden Gespräche mit den Berliner Wasserbetrieben und | |
der BSR statt, heißt es in der Antwort an Lux. | |
## Ein Monitoring gibt es nicht | |
Einen Nachweis über etwaige Auswirkungen dieser Maßnahmen kann die | |
Senatsumweltverwaltung aber „aktuell nicht erbringen“ – ein Monitoring | |
findet nicht statt. Für Benedikt Lux, den umweltpolitischen Sprecher der | |
Grünen-Fraktion, steht deshalb angesichts der Risiken fest: „Berlin muss | |
Mikroplastik messen.“ | |
Es sei wichtig zu wissen, wie hoch die Belastung im Wasser, aber auch in | |
den Böden ausfalle, was die konkreten Ursachen seien und wie diese | |
vermieden werden könnten, sagt Lux zur taz. | |
Apropos Vermeidung: Auf Lux’ Frage, ob der Senat die Einschätzung teile, | |
dass bei Tempo 30 weniger Mikroplastik durch Reifenabrieb entstehe als bei | |
Tempo 50, räumt die Umweltverwaltung ein, dass dieser Zusammenhang erwiesen | |
sei. Für die Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen seien allerdings | |
„das Straßenverkehrsgesetz und die Straßenverkehrsordnung maßgeblich“. D… | |
die StVO auch den Gewässerschutz als möglichen Grund für | |
Verkehrsbeschränkungen aufführt, wird offenbar nicht als ausschlaggebend | |
angesehen. | |
Auch [2][eine Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild], nach der Lux fragt, | |
sieht die Senatsverwaltung nicht als zielführend an: Laut Untersuchungen | |
aus den vergangenen Jahren betrage der Abrieb von Kunststoffverpackungen in | |
Deutschland jährlich rund 99,1 Gramm pro Einwohner. Auch wenn man den | |
Zerfall von Plastikmüll in der Umwelt hinzurechne, für den keine | |
Schätzungen vorlägen, „dürften diese Werte deutlich unter dem Verursacher | |
Nr. 1, dem Reifenabrieb“ liegen. Der schlage mit 1.228,5 Gramm pro | |
Einwohner und Jahr zu Buche. | |
## Praktische Haushaltstipps aus der Umweltverwaltung | |
Schließlich gibt Staatssekretärin Behrendt, [3][die zum 1. September ins | |
Bundeskanzleramt wechselt], den BerlinerInnen noch ein paar Haushaltstipps | |
mit auf den Weg: Sie sollten beim Kauf von Kosmetikprodukten oder | |
Waschmitteln auf mikroplastikfreie Alternativen achten und anstelle von | |
Kleidung aus Synthetikfasern wie Fleece-Jacken lieber Baumwollprodukte | |
nutzen. | |
Und auch wenn es in diesem Zusammenhang kein Tempolimit gibt: „Zur | |
Reduzierung der Emissionen können die Bürgerinnen und Bürger beispielsweise | |
durch den Verzicht auf das Auto beziehungsweise eine ruhigere Fahrweise | |
einen individuellen Beitrag leisten.“ | |
8 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Verhandlungen-zu-UN-Plastikabkommen/!6104728 | |
[2] /Steuer-auf-Einweg-Verpackungen-in-Berlin/!6104467 | |
[3] /Abgang-im-Berliner-Senat/!6102022 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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