# taz.de -- 1.265 Tage Krieg in der Ukraine: Plötzlich Soldat | |
> In diesem Sommer werden besonders viele Männer zur ukrainischen Armee | |
> eingezogen. Viele wurden auf der Straße oder am Arbeitsplatz mobilisiert. | |
Bild: Überall in der Ukraine werden derzeit Rekruten ausgebildet, denn der and… | |
Der Kontrollpunkt einer der Militäreinheiten in Luzk ist überfüllt. Das | |
Gelände ist winzig – dreimal sechs Meter. Etwa zwanzig Besucher sind gerade | |
da. Die mobilisierten Männer haben hier die Möglichkeit, mit ihren Frauen | |
und Kindern zu sprechen. Jede der Frauen hat ihrem Mann etwas zu essen | |
mitgebracht: Die Verpflegung in der Einheit ist sehr gut, aber jeder möchte | |
etwas Selbstgekochtes, solange das noch geht. | |
Diejenigen, die zum Militärdienst eingezogen wurden, sind einer Vorladung | |
nachgekommen oder wurden von der Straße oder ihrem Arbeitsplatz | |
mitgenommen. Nun warten sie darauf, auf dem Truppenübungsplatz ausgebildet | |
zu werden. Wer gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe ist, bleibt 30 Tage | |
dort. Voll Diensttaugliche werden 55 Tage lang unterwiesen. Danach wird den | |
Soldaten eine militärische Tätigkeit zugewiesen und sie werden zum Dienst | |
in eine Einheit geschickt. | |
Die Armee in der Ukraine braucht Menschen vieler verschiedener Berufe, | |
nicht nur Leute an Waffen oder in Panzern. Deshalb werden nicht alle der | |
mehreren Dutzend Männer, die hier auf ihre Ausbildung warten, an die Front | |
geschickt. | |
Die Stimmung unter den Männern am Kontrollpunkt ist nicht die beste: | |
Gestern waren sie noch zu Hause und schliefen in ihren Betten, aßen | |
hausgemachten Borschtsch und Koteletts. Jetzt sind sie plötzlich in der | |
Armee, wo alles nach einem Zeitplan und bestimmten Regeln läuft. | |
## Verhaltene Stimmung | |
Von Zeit zu Zeit kann man Gesprächen wie diesen zuhören: „Vielleicht läufst | |
du besser von hier weg?“ Die Antwort: „Und dann – soll ich mich mein ganz… | |
Leben lang verstecken?“ | |
„Warum bist du zum Rekrutierungszentrum gekommen? Du hättest besser zu | |
Hause bleiben sollen.“ Und: „Wie geht es deinem Rücken, hast du keine | |
Schmerzen?“ „Bis wir die kugelsicheren Westen anziehen, ist alles in | |
Ordnung, aber dann auf dem Trainingsgelände, mal sehen.“ | |
Die mobilisierten Soldaten sind in dieser Einheit, nachdem sie mit Rekruten | |
einer der Kampfbrigaden gesprochen hatten, die nach neuen Kämpfern Ausschau | |
hielten. | |
Die Mobilisierung in der Ukraine ist in vollem Gange. In diesem Sommer | |
bringt das Militär besonders viele Männer in die Rekrutierungszentren. Eine | |
derartige Zwangsmobilisierung hat es in der Ukraine noch nie gegeben. | |
Hunderttausende Männer wurden im Sommer vorgeladen, nach den meisten von | |
ihnen war zuvor gefahndet worden. | |
## Beispiellose Zwangsmobilisierung | |
Die Männer, die in der Schlange auf ihre Militärausbildung warten, haben | |
ihre eigenen Mobilisierungsgeschichten. „Ich wurde von der Baustelle | |
weggebracht. Ich ging gerade zu den Lieferanten, die Fliesen brachten, da | |
kam eine Patrouille vorbei.“ „Ich war mit einem Elektrofahrrad in Luzk | |
unterwegs, als mich sechs Soldaten und Polizisten einholten.“ „Ich bin | |
Landwirt. Mein Bruder ist gleich zu Beginn der Invasion in Mariupol | |
verschwunden. Jetzt ist es an mir, zu dienen.“ All diese Männer sind jetzt | |
in der Armee. Mehr als die Hälfte der Einberufenen ist über 40 Jahre alt. | |
Die Wirtschaft leidet: Diese Soldaten haben Steuern gezahlt, täglich | |
eingekauft und Betriebe geführt. Jetzt muss sie der Staat komplett | |
unterstützen. Jeden Morgen gibt es eine Schweigeminute zum Gedenken an die | |
Kriegstoten und die Nationalhymne. | |
Dort heißt es: „Wir geben unsere Seele und unseren Körper für unsere | |
Freiheit hin …“ Im zivilen Leben klingt diese Zeile anders als in der | |
Armee. | |
Aus dem Russischen: Barbara Oertel | |
13 Aug 2025 | |
## AUTOREN | |
Juri Konkewitsch | |
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