| # taz.de -- Krieg in Gaza: Israels Sicherheitskabinett plant Einnahme von Gaza-… | |
| > Israels Militärchef Eyal Zamir hatte vor einer Besetzung des ganzen | |
| > Gaza-Streifens gewarnt. Kritik kommt aus dem Ausland, aber auch aus | |
| > Israel selbst. | |
| Bild: Rauch über dem nördlichen Gazastreifen | |
| Jerusalem taz | Israels Sicherheitskabinett hat den Plan von | |
| Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zur Besetzung des gesamten | |
| Gazastreifens am Freitagmorgen nach stundenlangen Beratungen teilweise | |
| angenommen. Die Minister stimmten laut einer Mitteilung von Netanjahus Büro | |
| für die Einnahme von Gaza-Stadt. | |
| Eine vollständige Eroberung des Küstenstreifens, wie sie Netanjahu am | |
| Vorabend in einem Interview mit dem US-Sender Fox News angekündigt hatte, | |
| wird nicht explizit genannt. Das könnte laut israelischen Medienberichten | |
| ein Kompromiss mit Armeechef Eyal Zamir sein, der zuvor vor einer Besatzung | |
| des Gazastreifens gewarnt hatte. | |
| Die Minister einigten sich zudem auf Prinzipien, „um den Krieg im | |
| Gazastreifen zu beenden“. Das seien die militärische Kontrolle des Gebietes | |
| durch Israel und dessen Demilitarisierung, die komplette Entwaffnung der | |
| Hamas, die Rückkehr aller Geiseln sowie der Aufbau einer Zivilregierung | |
| ohne Beteiligung der Palästinensischen Autonomiebehörde oder der Hamas. | |
| ## Weitere Vertreibungen aus Nord-Gaza | |
| Die Entscheidung dürfte die Kämpfe in Gaza um Monate, wenn nicht Jahre | |
| verlängern und die humanitäre Katastrophe für die mehr als zwei Millionen | |
| ausgehungerten Bewohner weiter verschärfen. Zuvor hatte es gegen die | |
| Ausweitung der Kämpfe lautstarke Kritik aus dem Ausland, aber auch in | |
| Israel selbst gegeben. | |
| Laut israelischen Medienberichten soll die Vertreibung der Bevölkerung von | |
| Gaza-Stadt in den Süden bis Anfang Oktober abgeschlossen sein. Erst dann | |
| starte die militärische Offensive. Derzeit leben rund eine Million Menschen | |
| im Norden von Gaza. Der Großteil wurde in den vergangenen 22 Monaten | |
| mehrfach vertrieben. Laut UNICEF gelten rund 320.000 Kinder in Gaza als | |
| akut mangelernährt. | |
| Für die Versorgung soll laut US-Botschafter Mike Huckabee die Zahl der | |
| Zentren der von den USA und Israel gestützten [1][Gaza Humanitarian | |
| Foundation (GHF)] von derzeit 4 auf 16 steigen. Die GHF steht jedoch stark | |
| in der Kritik, nachdem seit Mai im Umfeld von deren Zentren mehr als 1.000 | |
| Menschen erschossen wurden, die meisten wohl von israelischen Soldaten. | |
| ## Innerisraelische Kritik | |
| Kritik an dem Plan gibt es auch innerhalb Israels. Militärchef Zamir, erst | |
| Anfang des Jahres von Netanjahu selbst berufen, soll im Zusammenhang mit | |
| einer Besatzung von einem „schwarzen Loch“ gesprochen haben. Er warnte, | |
| Israels Armee müsste im Falle einer Besetzung die Verantwortung für zwei | |
| Millionen Gaza-Bewohner übernehmen, würde seine Soldaten Guerillaangriffen | |
| aussetzen und könnte das Überleben der noch rund 20 lebenden Geiseln in | |
| Gefahr bringen. | |
| Vertreter der Sicherheitsbehörden warnen zudem vor Erschöpfung bei vielen | |
| Reservisten, zumal die Armee noch immer in Syrien und dem Libanon im | |
| Einsatz ist. Zuletzt hatten mehrere Suizide unter Soldaten nach Einsätzen | |
| in Gaza für Aufsehen gesorgt. | |
| Viele Israelis stellen sich die Frage nach dem Sinn weiterer Kämpfe: Die | |
| überwiegende Mehrheit ist seit Monaten für ein Ende des Krieges im | |
| Austausch für alle 50 Geiseln, von denen rund 20 noch leben könnten. Von | |
| der Hamas gehe aktuell keine strategische Bedrohung mehr aus, schrieben | |
| zudem rund 600 ehemalige hochrangige Sicherheitsbeamte jüngst in einem | |
| offenen Brief und forderten ein Ende des Krieges. | |
| Widerspruch kommt auch vom Forum der Angehörigen der rund 20 noch lebenden | |
| Geiseln. „Das Gerede von der Besetzung Gazas bringt sie in unmittelbare | |
| Lebensgefahr“, hieß es in einer Erklärung. Oppositionsführer Jair Lapid | |
| nannte die Entscheidung am Morgen eine „Katastrophe“. | |
| ## Welche Ziele verfolgt Netanjahu? | |
| Weshalb aber hält Netanjahu an militärischem Druck fest? Bisher wurden die | |
| meisten Geiseln durch Verhandlungen befreit, die Hamas ist zwar geschwächt, | |
| aber trotz Israels militärischer Überlegenheit nicht besiegt. Ob der | |
| Regierungschef für sein politisches Überleben oder aus strategischen | |
| Erwägungen heraus handelt, ist schon lange umstritten. Die Minister Bezalel | |
| Smotrich und Itamar Ben Gvir, von denen er politisch abhängig ist, sprechen | |
| sich hingegen offen für eine Besetzung Gazas aus. | |
| „Hier kommt die [2][rechtsextreme Siedleridologie] ins Spiel“, sagt Nimrod | |
| Goren, Gründer der Denkfabrik Mitvim. „Das Land zu nehmen und die Menschen | |
| zu vertreiben.“ Doch die „Umsiedelung“, wie sie [3][seit US-Präsident | |
| Donald Trumps Riviera-Vorschlag] immer wieder von israelischen Ministern | |
| aufgegriffen wird, sei kaum umsetzbar. Dennoch: Erklärte Absicht sei laut | |
| einem Bericht des Senders KAN unter Berufung auf eine anonyme Quelle in den | |
| Sicherheitsbehörden auch, die Bevölkerung durch die Vertreibung in den | |
| Süden zum Verlassen Gazas zu bewegen. | |
| Im Gegenzug will [4][Smotrich] eine Erhöhung der humanitären Hilfe | |
| mittragen, obwohl er lange offen für ein Aushungern von Gaza geworben hat: | |
| „Um internationalen Druck zu senken und Zeit für den Krieg zu kaufen, doch | |
| die Mengen dieser Hilfe reichen bei weitem nicht aus“, sagt Nimrod Goren. | |
| Als „gewaltigen Fehler“ bezeichnet auch Dov Weisglass eine erneute | |
| Militärbesatzung des Gazastreifens. Der 78-Jährige gilt als treibende Kraft | |
| hinter dem israelischen Abzug aus dem Gazastreifen 2005. Eine erneute | |
| Militärbesatzung werfe Israel in die Zeit vor dem Oslo-Friedensprozess | |
| zurück. „Es wird Menschenleben kosten, die Geiseln gefährden, die Armee und | |
| den Haushalt massiv belasten und die ohnehin angeschlagenen internationalen | |
| Beziehungen verschlechtern.“ | |
| US-Präsident Trump ließ zuletzt durchblicken, die Eroberung von Gaza sei | |
| „im Prinzip Israels Sache“. In der EU aber werden angesichts der Bilder | |
| abgemagerter Kinder in Gaza die Rufe nach Sanktionen gegen Israel immer | |
| lauter. Zuletzt sprachen mehrere Vertreter von EU-Parlament und -Kommission | |
| [5][mit Blick auf Israels Vorgehen in Gaza von „Genozid“]. Frankreich und | |
| Großbritannien könnten im Herbst [6][Palästina als Staat anerkennen]. | |
| Bisher verließ man sich in Jerusalem oft darauf, dass seitens der | |
| Verbündeten Mahnungen ohne Konsequenzen kamen. Macht Israel mit seinen | |
| Besatzungsplänen ernst, könnte sich das womöglich ändern. | |
| 8 Aug 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Felix Wellisch | |
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