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# taz.de -- Bewegungsmelder im Kleingarten: Den Eichelhäher erwischen die Sens…
> Dem digitalen Überwachungsapparat im brandenburgischen Kleingarten
> entgeht wenig – außer einem kleinen Vogel.
Bild: Frecher Vogel: der Eichelhäher
Der moderne Garten steckt voller Sensorien und Schaltern. Luft- und
Bodenfeuchte unterliegen permanenter Kontrolle. Wenn nötig, wird gewässert
oder summt sich ein Fenster im Gewächshaus elektrisch auf Kipp. Eine
Bodenwertanalyse mit automatisierter Düngerabgabe wäre sicher auch was
Feines. Aber ganz ehrlich, in der brandenburgischen Sandbüchse muss ohnehin
jedes Beet jahrein, jahraus kniehoch mit Pferdescheiße zugekleistert
werden, damit da auch nur ein paar Radieschen von oben zu beschauen sind.
Künstlicher Dünger hilft da eventuell noch ein bisschen, [1][künstliche
Intelligenz aber ganz bestimmt nicht]. Internet aber hat der Garten
trotzdem, mit Highspeedbildübertragung sogar. Damit kann man vermummten
Lumpen dabei zuschauen, wie sie Spaten stehlen. Ganz genau, ihr
verzärtelten Berlinskis, in Brandenburg stibitzen sie Schippen, die
Schlawiner. Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht.
[2][Die Bewegungsmelder] registrieren auch den Fuchs, wie er gelangweilt
über den Weg trottet. Manchmal erschrickt er, wenn das Licht an der Laube
angeht. Manchmal nicht. Auch die Krähen werden gefilmt, wie sie an den
Kameras picken. Den Eichelhäher aber erwischen die Sensoren selten. Der
Eichelhäher ist zu scheu oder zu schnell. Manchmal, wenn ich an der Laube
sitze und zufrieden mit der Welt und mir über das Latifundium schaue, den
Meisen und Eichhörnchen freundlich zunickend, da heizt der Häher durch den
Luftraum. Eingeladen hat ihn niemand. Die Amseln kehren augenblicklich
ihren Patriotismus heraus und brüllen den gut doppelt so großen
Eindringling voller Entrüstung an. Ich tue es ihnen gleich.
Denn der Eichelhäher ist ein Schuft. Er hat ganz offensichtlich keinen
Bezug zu seinem Körpergewicht. Gerne setzt er sich auf die zartesten Zweige
der Obstbäume, die unter ihm zersplittern wie von einem Kirchturm
hinabgeworfene Oblaten beim Aufprall. Außerdem scheint der gefiederte
Radaubruder der Auffassung zu sein, dass seine Flughöhe auf gar keinen Fall
von topografische Gegebenheiten abhängt. Möge doch der Boden vor ihm
weichen. Mehr als einmal konnte ich seinen Landeanflug durch das
Kartoffelbeet beobachten. Wie die „Enterprise-D“ bei ihrer [3][Notlandung
auf Veridian III] pflügt der Eichelhäher einfach alles auf seinem Weg um.
Umgeknicktes und vertrocknetes Kraut der Kartoffeln bezeugt in jeder Saison
die Rücksichtslosigkeit des Tiers.
Nun ist es nicht an mir, über einen Eichelhäher zu richten. Er ist ein
Vogel. Er wird nicht planvoll mir zum Ärgernis herummarodieren. So dachte
ich zumindest. Bis er vor Kurzem um die Laube geschossen kam, geradewegs
auf mich zu. Nur kurz vor meiner Stirn bog er zur Seite, sodass der Wind
der Flügel mein Gesicht noch streifte. „Na, hör mal!“, rief ich empört.
„Ich bin doch keine Kartoffel!“ Da blieb der Eichelhäher, einem Kolibri
gleich die Flügel schlagend, in der Luft stehen, grinste frech und sagte:
„Doch.“
18 Aug 2025
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## AUTOREN
Daniél Kretschmar
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