| # taz.de -- Leiter von Caritas International zu Gaza: „Ein Sack Mehl für 765… | |
| > Die Not- und Katastrophenhilfe der Caritas wirkt auch im Gazastreifen. | |
| > Leiter Oliver Müller fordert angesichts des Hungers mehr Druck auf | |
| > Israel. | |
| Bild: Palästinenser tragen Säcke mit Mehl, die von einem humanitären Hilfsko… | |
| Taz: Herr Müller, wie blickt die Caritas auf die aktuelle Lage im | |
| Gazastreifen? | |
| Oliver Müller: Ich habe mit einer Mitarbeiterin eines unserer Hilfsprojekte | |
| gesprochen, die bis vor kurzem in Gaza war. Sie hat mir berichtet, [1][wie | |
| ausgehungert die Menschen sind]. Wie auch die lokalen Mitarbeitenden der | |
| Caritas an Gewicht verloren haben. Und welch astronomische Preise die | |
| wenigen Güter, die es noch gibt, erreichen: ein Kilo Tomaten für 18 Euro, | |
| ein Kilo Zucker für 64 Euro oder ein 25-Kilo Sack Mehl für 765 Euro. Das | |
| kann sich kaum jemand leisten. | |
| Taz: Seit Anfang März werden kaum Transporte mit Hilfslieferungen in den | |
| Gazastreifen hineingelassen, und auch keine kommerziellen Güter. Israel | |
| begründete das damals damit, dass die Lieferungen in die Hände der Hamas | |
| gerieten. | |
| Oliver Müller: Den Vorwurf kann ich für die Hilfen der Caritas und anderer | |
| großer Hilfsorganisationen nicht gelten lassen. Wie in anderen | |
| Krisenregionen wurde und wird die Verteilung der Hilfen lückenlos | |
| dokumentiert. Wir können mit Sicherheit sagen, dass die von uns verteilten | |
| Hilfsgüter nicht fehlgeleitet wurden, sondern die Bedürftigen erreicht | |
| haben. Die Behauptung, die Hamas habe sich den Großteil der Hilfsgüter | |
| unter den Nagel gerissen, entspricht schlicht der Unwahrheit. Wir arbeiten | |
| eng mit Catholic Relief Services zusammen, unserer US-amerikanischen | |
| Partnerorganisation. Sie verfügt über 350 bepackte Lastwagen, die in | |
| Ägypten und in Jordanien stehen. Sie könnten sofort losfahren. Aber ihnen | |
| fehlt die Erlaubnis. | |
| Taz: Derzeit gibt nur die [2][Israel-nahe Gaza Humanitarian Foundation] | |
| regelmäßig Lebensmittel aus. An ihr gibt es viel Kritik. Und immer wieder | |
| fallen Schüsse, wohl seitens des israelischen Militärs, rund um die | |
| Verteilstellen. | |
| Oliver Müller: Es ist eine zynische Abwertung humanitärer Hilfe. Die | |
| Kolleginnen und Kollegen von vor Ort berichten uns, dass an den | |
| Verteilpunkten oftmals das Recht des Stärkeren herrscht. Menschen werden in | |
| eine Konkurrenzsituation getrieben, die sie entmenschlicht. Wir haben, wie | |
| viele andere Institutionen, Hilfsverteilungen in Krisengebieten weltweit | |
| durchgeführt: Wir haben dazu nie bewaffnete Schutztruppen benötigt und | |
| würden das auch ablehnen. Im Übrigen ist es auch nicht Aufgabe der | |
| humanitären Hilfe, Bedürftige nach ihrer politischen Überzeugung zu | |
| befragen. Humanitäre Hilfe steht jedem Menschen in Not zu. | |
| Taz: Vor kurzem haben über 25 Staaten einen Brief unterzeichnet, in dem ein | |
| Ende des Krieges in Gaza gefordert wird. Deutschland ist nicht darunter. | |
| Verhallen alle Appelle? | |
| Oliver Müller: Der Papst hat jüngst eine sofortige Beendung de | |
| „barbarischen Kriegshandlungen“ gefordert, und ein Verbot der | |
| Kollektivbestrafung der Bevölkerung genannt. Das finde ich einen wichtigen | |
| Punkt: Natürlich befinden sich Terroristen im Gazastreifen und natürlich | |
| müssen die noch immer dort festgehaltenen Geiseln freigelassen werden. Aber | |
| es ist nicht zu rechtfertigen, dass eine so große Zahl unschuldiger | |
| Menschen leidet. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass der Außenminister | |
| Johann Wadephul jüngst seine „größte Sorge über die katastrophale | |
| humanitäre Lage“ zum Ausdruck gebracht hat. [3][Dennoch müsste sich die | |
| Bundesregierung noch stärker und noch eindeutiger äußern]. Das ist im | |
| Übrigen auch die Rückmeldung, die wir von Unterstützerinnen und | |
| Unterstützern, Spenderinnen und Spendern bekommen: Eine große Empörung in | |
| der Bevölkerung, die jeden Abend die Horrormeldungen aus Gaza sieht. Und | |
| nicht begreifen kann und will, warum so etwas geschieht. Und diese Empörung | |
| darüber, dass Unschuldige – auch die Geiseln – leiden, muss stärker in der | |
| Politik Ausdruck finden. Jetzt muss die Humanität im Vordergrund stehen. | |
| 24 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lisa Schneider | |
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