| # taz.de -- Familienführungskrise in Hamburg: Wer wird der nächste Chefboss d… | |
| > Nach dem Tod des Vaters bahnt sich ein Konflikt an. Es geht um die Frage | |
| > nach dem neuen Familienoberhaupt. | |
| Bild: Wer wird die Geschicke der Familie zukünftig lenken? | |
| Fast wäre es schon eskaliert, bevor wir überhaupt losgefahren sind. Weil | |
| das Nesthäkchen partout nicht ins Cabaret will, schlägt es einen | |
| Escape-Room vor. „Ohne mich!“, schreibe ich theatralisch in die | |
| Whatsapp-Gruppe und rufe danach bei unserer mittleren Schwester an, um mich | |
| über die jüngere zu beschweren. „Und was sagt eigentlich [1][unser Bruder] | |
| zu alldem?“, frage ich empört. | |
| Kurzum: Bei uns ist mal wieder was los, dabei haben wir Kinder unserer | |
| Mutter doch nur ein gemeinsames Wochenende in Hamburg geschenkt. Und das | |
| sogar ganz ohne Partner*innen, Hunde und Nachwuchs. Man will sich ja auch | |
| mal wieder in Ruhe unterhalten können. | |
| Als wir das letzte Mal in dieser Konstellation unterwegs waren, lebte mein | |
| Vater noch. Zu seinem Sechzigsten hatten wir ihn mit Musicaltickets für | |
| „Das Wunder von Bern“ überrascht. Während er drei Stunden lang | |
| durchklatschte, hatte ich viel Zeit, darüber nachzudenken, ob ich bei | |
| meiner Geburt nicht vielleicht doch vertauscht worden bin. | |
| Der Ouzo von Lidl, den wir danach alle zusammen im Hotelzimmer tranken, | |
| machte es nicht viel besser. Den hatte er in einer Kühlbox von zu Hause | |
| mitgebracht, damit man nach der Vorstellung nicht auch noch in eine Bar | |
| musste. | |
| [2][Seit seinem Tod] besteht nun aber leider Uneinigkeit darüber, wer in | |
| seine Fußstapfen tritt und „La Familia“ übernimmt. Meine Mutter will den | |
| Job nicht machen, denn dann müsste sie ja auch Weihnachten ausrichten. Die | |
| Zwillinge könnten als Sandwichkinder ein klein wenig zu soft dafür sein. | |
| Also bleiben im Prinzip nur das Nesthäkchen und ich, die Erstgeborene, die | |
| zwar gerne die Bestimmerin ist, aber nur, wenn es ihr gerade in den Kram | |
| passt. | |
| ## Jagdwurst, Zigarre und Genderstern | |
| Doch auch jenseits der Führungsfrage ist es für uns Geschwister mit den | |
| Jahren komplizierter geworden, auf einen gemeinsamen Zweig zu kommen. | |
| Unsere Leben haben sich auseinanderentwickelt, und tun es noch. Auf dem | |
| Land, wo ein Teil von uns wohnt, sind andere Themen wichtig als in der | |
| Stadt. Potenzielle Aufreger gibt es auf beiden Seiten. Ich sag nur: | |
| Jagdwurst, Zigarre und [3][Genderstern], ohne da jetzt näher drauf eingehen | |
| zu wollen. | |
| Um wenigstens bei der Übernachtung Tatsachen im Sinne von uns beiden | |
| Wahlgroßstädterinnen zu schaffen, suchen die mittlere Schwester und ich | |
| noch schnell das schönste Airbnb-Zimmer für uns aus. Und als die Dorfies | |
| eine Stunde später immer noch nicht in Hamburg sind, machen wir mit den | |
| Tatsachen einfach weiter. Offiziell, weil wir vermeiden wollen, dass dann | |
| schon alles reserviert ist, inoffiziell, weil wir so auch ein bisschen das | |
| machen können, was uns gefällt. | |
| Ich buche für die gesamte Familie einen Slot in einer | |
| Surrealismusausstellung, M. reserviert einen Tisch beim Koksitaliener, weil | |
| es da immer so lustig sein soll. Davon bekommen wir aber leider nichts mit. | |
| Weil es einem Teil der Familie drinnen zu laut ist, bleiben wir auch dann | |
| noch draußen sitzen, als es einigen von uns in den Nacken regnet. | |
| Ich stopfe mir gerade eine Nudel in den Mund, da erzählt mir das | |
| Nesthäkchen, dass es darüber nachdenke, wie unser verstorbener Vater in die | |
| Politik zu gehen. 1:0 für sie, denke ich. Als wir am nächsten Tag die | |
| Treppe der U-Bahn hochlaufen, landen wir mitten auf dem CSD. „Das hast du | |
| extra gemacht“, sagt sie. Ich verteile Regenbogensticker an alle, damit sie | |
| die auf ihre Handtaschen kleben können. Später massiere ich dem Nesthäkchen | |
| den Nacken. Vielleicht wäre ja auch eine Doppelspitze denkbar. | |
| 15 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Familienmodelle-der-Zukunft/!6076082 | |
| [2] /Weihnachten-mit-der-Familie/!6054538 | |
| [3] /trans-Menschen/!6103673 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Fastabend | |
| ## TAGS | |
| Kolumne Midlife Monologe | |
| Familie | |
| Konflikt | |
| Social-Auswahl | |
| Reden wir darüber | |
| Kolumne Midlife Monologe | |
| Kolumne Midlife Monologe | |
| Alexander Dobrindt | |
| Kolumne Midlife Monologe | |
| wochentaz | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Anderen das Essen vergönnen: Bei Kuchen verstehe ich keinen Spaß | |
| Falafel teilen, Steak verteidigen, Pudding beschriften: Futterneid ist eine | |
| Familienkrankheit – und ein treuer Begleiter bis ins Erwachsenenleben. | |
| Auf Wiedersehen, Sparkasse: Wenn es ums Geld geht | |
| Unsere Kolumnistin möchte die Bank wechseln. Doch das ist noch viel | |
| komplizierter als gedacht. Ein Minidrama in mehreren Akten. | |
| Gesetzentwurf gegen Familiennachzug: Dobrindt trennt Familien | |
| Der Innenminister legt am Mittwoch einen Gesetzentwurf vor; Flüchtlinge mit | |
| subsidiärem Schutz sollen ihre Familien nicht nach Deutschland holen | |
| dürfen. | |
| Ausgeschlafen gegen rechts: Wenn die Welt untergeht: Gönnjamin | |
| Zwischen Overload und Erholung – wie sich unsere Kolumnistin ins Hotelbett | |
| zurückzieht und Schlaf zur rebellischen Geste erklärt. | |
| Grabstätte im Friedwald: Papa Baum | |
| Der Vater unserer Autorin liegt unter einer Buche begraben. Lange haderte | |
| sie mit dem Ort, bis sie bei einem Besuch verstand, was sie an ihm hat. |