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# taz.de -- Ausstellung in Celle: Carolinen-Figuren geben zu denken
> Mit 800 goldenen Dänen-Königinnen en miniature bevölkert der Bildhauer
> Ottmar Hörl den Celler Schlosspark.
Bild: Mit Kleid und Fächer: eine der goldenen Caroline-Figuren
Eine Auferstehung in Gold – und das gleich 800fach: Vor dem Celler
Residenzschloss tummeln sich massenhaft Gartenzwerg-große Figuren der
dänischen Königin Caroline Mathilde. Der Anlass: Sie ist hier vor 250
Jahren gestorben. In goldener Farbe reflektieren die Mini-Statuen
hoffentlich auch ihre allzu kurze Geschichte.
[1][Caroline Mathilde] wird 1766 im Alter von 15 Jahren ungefragt an den
dänischen König Christian VII. verheiratet. Der ebenso junge König ist
psychisch labil. Er liebt statt Caroline eine Prostituierte. Das Verhältnis
des Königspaares ist denkbar schlecht. Caroline stört, wie unbedeutend ihre
Rolle am Hof in Dänemark ist.
Als Johann Friedrich Struensee aus Altona zunächst Reise-, dann Leibarzt
des Königs wird, beginnt sie mit ihm eine Affäre. Christian VII. hat da
kein Problem: Er hat ja seine Stiefeletten-Kathrine, der Arzt tut seinem
Gesundheitszustand gut und so entspannt sich auch das Verhältnis des
Königspaares.
Die Affäre beginnt Caroline womöglich nicht nur aus Langeweile und Lust.
Schon ihr [2][Biograf Lascelles Wraxall] hatte 1864 eine Strategie
Carolines vermutet, ihre eigenen, nicht zuletzt geopolitischen
Vorstellungen – etwa mit Blick auf die Russlandpolitik – zu verfolgen. Als
Vertrauter des Königs und Minister mit Vollmacht hatte Struensee
Handlungsoptionen, die Caroline am rückständigen dänischen Hof verwehrt
wurden.
Struensee selbst ist ein entschiedener [3][Vertreter der Aufklärung]. Knapp
16 Monate regiert er quasi im Alleingang: Sein Wirken wird als Revolution
von oben charakterisiert. Er schafft die Folter ab, führt Presse- und
Meinungsfreiheit ein und beschneidet Privilegien des Adels. Der antwortet,
unterstützt von Königsmutter Juliane Marie, mit einer
Desinformationskampagne. Sie beendet Struensees Karriere – und die Ehe.
Denn die Affäre zwischen Caroline und dem Arzt dient als Aufhänger. Auf
Flugblättern werden die zwei durch meist sexistische Spottbilder verhöhnt,
in Hetzschriften diffamiert. Schon vor Struensees Hinrichtung zirkulieren
Stiche, die seine öffentliche Enthauptung zeigen. Caroline wird von
Christian geschieden. Sie flieht ins Ausland, nach Celle.
An die tödliche Intrige erinnert eine Ausstellung im Residenzmuseum, also
in dem Schloss, in dem Caroline ihre letzten Jahre verbrachte. „Es war ein
selbstgewähltes Exil. Sie ist nicht das klassische Opfer“, hatte
Museumsdirektorin Juliane Schmieglitz-Otten zur Vernissage gesagt. In
Niedersachsen lebt die entthronte Königin gerade mal drei Jahre, bis sie
sich vermutlich mit Scharlach ansteckt und mit 23 Jahren stirbt.
Die Celler liebten die junge Königin zu ihrer Lebzeit. Die Stadt erlangte
durch sie wieder königlichen Glanz. Zugleich sollen alle Menschen, egal
welchen Standes, an ihrem Hof willkommen gewesen sein. Die Lüneburger
Ritterschaft setzte ihr gleich nach dem Tod ein Denkmal aus weißem Marmor
im Französischen Garten, den sie wohl geliebt hat. Es zeigt sie auf Wolken
schwebend und mit Lorbeerkranz und Palmenzweigen: Sinnbilder für Tugend und
Ruhm.
## Leider keine Hosen
250 Jahre später kommen jetzt Hunderte Carolinen-Plastiken dazu. Nach
Richard Wagner in Bayreuth, Beethoven in Bonn oder einem
Hitlergruß-Gartenzwerg, hat sich der [4][Konzeptkünstler Ottmar Hörl] nun
der Caroline Mathilde gewidmet.
Die Statuen der Serie zeigen sie mit Fächer und im Kleid. Dabei trug
Caroline Mathilde als eine der wenigen Frauen ihrer Zeit einen Degen und
mitunter Hosen. Dieses mehr als nur modische, selbstbewusste Statement hat
die Schmähbildproduktion des 18. Jahrhunderts weidlich ausgeschlachtet.
Im Oval des Schlossvorplatzes stehen die Zwerginnen aufgereiht: als eine
Carolinen-Armee oder eine Art Carolinen-Demo? Das müssen sich die
[5][Besucher im Celler Schlosspark] schon selbst überlegen.
25 Aug 2025
## LINKS
[1] /Museumsleiterin-ueber-daenische-Koenigin/!6085362
[2] https://www.gutenberg.org/files/47521/47521-h/47521-h.htm
[3] /Atheismus-an-der-Uni-Goettingen/!6102536
[4] /Alles-in-Ordnung/!6088819&s=caroline+mathilde/
[5] https://www.250jahre-carolinemathilde.de/
## AUTOREN
Amelie Müller
## TAGS
Celle
Geschichte
Ausstellung
Blumen
Schwerpunkt Stadtland
Feministinnen
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