| # taz.de -- Keine Inszenierung zum Thema Missbrauch: Theater Osnabrück hat Ang… | |
| > Ende Juni schasste ein kirchenaffiner Intendant ein Regie-Team, weil ihm | |
| > die Inszenierung zum Thema Missbrauch nicht gefiel. Nun wird protestiert. | |
| Bild: Ein demontierter Gottesdienst sorgt in Osnabrück, hier eine Probe von �… | |
| Hannover taz | Eigentlich hätte es jetzt bald Premiere feiern sollen: Das | |
| Stück „Ödipus Exzellenz“ sollte am 31. August am Theater Osnabrück die | |
| Spielzeit eröffnen. So war es schon überall angekündigt. In der | |
| Neubearbeitung des antiken Stoffes sollte es um eine ganz spezielle Form | |
| der Schuld gehen. Um die Schuld derer, die sich in der [1][katholischen | |
| Kirche taub und blind gestellt] hatten, wenn Kinder missbraucht wurden. | |
| Dass es dazu nicht kommen wird, wurde Ende Juni klar. Da gab die | |
| Theaterleitung bekannt, dass man sich von dem jungen Regie-Team um Lorenz | |
| Nolting und Sofie Boiten getrennt habe. Von „unüberbrückbaren Differenzen | |
| in der Art der künstlerischen Umsetzung“ war in der Pressemitteilung die | |
| Rede. Was man in solchen Fällen halt sagt, wenn man eigentlich nichts sagen | |
| möchte. | |
| Das wollte dieses junge Regie-Team allerdings nicht einfach so stehen | |
| lassen. Ebenso ausführlich wie öffentlich begründeten sie, wie es zu dem | |
| Zerwürfnis kam. In ihren Augen stand Intendant Ulrich Mokrusch von Anfang | |
| an nicht so richtig hinter dem Projekt. | |
| So soll er unter anderem geäußert haben, das Stück solle so werden, dass er | |
| „danach immer noch einen Kaffee mit dem Generalvikar trinken“ könne. | |
| Mokrusch kann sich nicht erinnern, etwas derartiges gesagt zu haben. „Ich | |
| war noch nie mit dem Generalvikar Kaffee trinken – bis heute nicht“, sagt | |
| er der taz. Den Kontakt zwischen dem Generalvikar und dem Regie-Team hat er | |
| allerdings hergestellt. Für die Recherche an diesem Stück, dessen Thema, | |
| sagt er, er absolut befürwortet habe. | |
| ## Rückgrat war die Reinszenierung eines Gottesdienstes | |
| Eskaliert ist der Konflikt auch erst, als dieses Stück schon im | |
| Probenbetrieb war. Kernstück und Rückgrat des Stückes war die | |
| Reinszenierung eines Gottesdienstes auf der Bühne. Daran, versichern die | |
| Macher, war gar nichts vulgär oder obszön oder sonst wie problematisch. Es | |
| sollte vor allem darum gehen, wie von den Tätern und den Vertuschern die | |
| Sprache der katholischen Gebete missbraucht wurde, um Missbrauch zu | |
| rechtfertigen und die Opfer im Machtsystem zu behalten. | |
| Das war vor allem für Karl Haucke ein wichtiger Punkt. Er ist selbst | |
| Betroffener, arbeitet seit Jahren an der Aufklärung und Aufarbeitung der | |
| Missbrauchsskandale, auch in der Steuerungsgruppe der Osnabrücker | |
| Missbrauchsstudie, und hat an diesem Stück mitgearbeitet. „Gott will es | |
| so“, hat der Priester immer gesagt, der ihn missbraucht hat. | |
| Der Intendant äußerte an dieser Stelle aber Bedenken. Und spätestens hier | |
| gehen die Darstellungen sehr weit auseinander. Das Team um Regisseur Lorenz | |
| Nolting sagt, der Intendant habe ihnen die Darstellung des Gottesdienstes | |
| untersagt, darauf gepocht, dass man die Gefühle von Gläubigen im Publikum | |
| schützen müsse, religiöse Symbole nicht diskreditieren dürfe. Er habe | |
| darauf bestanden, bei Proben anwesend zu sein und immer wieder massiv in | |
| die künstlerische Arbeit eingegriffen. | |
| ## Darstellung würde Haus „missbrauchen“ | |
| Irgendwann im Laufe der vielen Streitgespräche zu diesem Thema habe er | |
| sogar geäußert, diese Art der Darstellung würde ihn und das Haus | |
| „missbrauchen“ und „beschmutzen“. Für das Team klang das nach einer | |
| skandalösen Täter-Opfer-Umkehr, einer rhetorischen Strategie, wie sie die | |
| kirchlichen Täter auch immer wieder benutzten. | |
| Mokrusch stellt das anders dar. Ihn habe die Plattheit der Inszenierung | |
| gestört, die Effekthascherei im Umgang mit den religiösen Symbolen. Er habe | |
| befürchtet, dass die Empörung darüber am Ende das eigentliche Thema | |
| überlagert. Deshalb habe er darauf gepocht, dass zwischen der Institution | |
| Kirche und dem Glauben an sich differenziert werden solle – wie auch immer | |
| das dann aussehen könnte. | |
| Zu einer gemeinsamen Erarbeitung sei es dann aber nicht mehr gekommen, weil | |
| das Team auf absoluter künstlerischer Freiheit beharrt habe. Die, sagt er, | |
| könne er aber nun einmal nicht gewähren, weil er ja immerhin die | |
| künstlerische Gesamtverantwortung trage. Deshalb habe man sich getrennt. | |
| Das Team fühlt sich eher geschasst und drangsaliert. Immerhin habe man ja | |
| sogar noch eine Schweigeerklärung unterschreiben sollen, finanzielle | |
| Einbußen gehabt und sei mit weiteren rechtlichen Schritten bedroht worden. | |
| In den Augen von Ulrich Mokrusch ging es dabei um einen ganz normalen | |
| Auflösungsvertrag. Arbeitsrechtlich sei alles einvernehmlich geklärt. | |
| Spätestens als die Wochenzeitung [2][Die Zeit Mitte Juli über den Konflikt | |
| berichtete] und ihn auch noch auf die Frage zuspitzte, wie viel | |
| Kunstfreiheit in der Provinz überhaupt noch möglich sei, war der Ofen dann | |
| ganz aus. Jetzt fühlte sich sogar das Bistum genötigt, jede Einflussnahme | |
| weit von sich zu weisen. Der Intendant äußerte sich zu diesem Zeitpunkt | |
| nicht mehr – er und seine Leute befanden sich in der Spielpause und im | |
| Sommerurlaub. | |
| Eigentlich hatte das Theater angekündigt, anstelle des Stückes nun eine | |
| Veranstaltung zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche veranstalten | |
| zu wollen. Diese hätte am kommenden Donnerstag, den 21. August, stattfinden | |
| sollen. | |
| ## Geschasstes Regie-Team will protestieren | |
| Dagegen wollte nun wiederum das geschasste Regie-Team protestieren. Mit der | |
| Giordano-Bruno-Stiftung und dem Aktionskünstler David Farago haben sie sich | |
| dazu Unterstützung geholt. Farago hat schon öfter mit spektakulären, | |
| öffentlichkeitswirksamen Aktionen vor dem Kölner Dom oder auch in Rom dafür | |
| getrommelt, der Kirche die Missbrauchsaufarbeitung endlich aus der Hand zu | |
| nehmen. | |
| Farago plant nun, mit einer fahrbaren Bühne anzurücken, auf der das | |
| Regie-Team inklusive Karl Haucke, aber auch Vertreter aus Lokalpolitik und | |
| Bistum sitzen sollen – und zwar möglichst nah am Theater oder Dom. Die | |
| Stadt tut sich allerdings schwer damit, diese Aktion zu genehmigen, weil | |
| dort gleichzeitig noch die sommerliche Konzertreihe „Theater-Beach“ | |
| stattfindet. Der Anlass für die Gegenveranstaltung ist in der Zwischenzeit | |
| auch entfallen: Das Theater musste seine Veranstaltung absagen, weil dort | |
| ebenfalls Karl Haucke hätte sprechen sollen. | |
| Für die Protestveranstalter ist es aber logistisch schwierig, auf einen | |
| anderen Termin auszuweichen, und eigentlich sehen sie es auch nicht so | |
| recht ein. Sie wollen dieses Thema jetzt ausfechten, im Herzen der Stadt, | |
| vor dem Theater, da, wo dieses Drama eben spielt. In den kommenden Tagen | |
| will man sich dazu mit der Stadtverwaltung noch einmal austauschen. | |
| 13 Aug 2025 | |
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| [1] /Missbrauch-in-der-katholischen-Kirche/!5887089 | |
| [2] https://www.zeit.de/2025/30/kunstfreiheit-theater-osnabrueck-sexualisierte-… | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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