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# taz.de -- Forschung zur Medikamenten: Mit Nashorngenen gegen Depressionen
> Nicht bei allen wirken alle Medikamente: Die Genetik erlaubt aber dank
> Forschungen zu Breitmaulnashörnern, das persönlich Passende zu finden.
Bild: Forschung am Erbgut des Breitmaulnashorns (dieses weibliche Nashornbaby w…
Kiel taz | „Achtung, es wird kühl“, warnt Franz-Josef Müller, als er die
Tür öffnet. In dem molekularbiologischen Labor, das in einem Altbau der
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums
Schleswig-Holstein (UKSH) untergebracht ist, forscht der Professor der
Medizinischen Fakultät der Kieler Universität mit seinem Team unter anderem
an Stammzellen. Aktuell geht es um die Frage, warum Antidepressiva einigen
Betroffenen besser helfen als anderen. Bei der Lösung hilft eine fast
ausgestorbene Nashornart.
Müller, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, hat sich auf
Epigenetik spezialisiert. Bei diesem Teilgebiet der Biologie geht es um die
Frage, wie Zellen die Aktivität von Genen steuern. Das geschieht durch
einen chemischen Prozess, bei dem eine Gruppe aus Kohlen- und
Wasserstoffmolekülen an einen Abschnitt des Gens angehängt wird. Sie
schaltet es dadurch sozusagen an oder aus.
Bei einem Studienaufenthalt in den USA kam der Kieler Professor in Kontakt
mit Beteiligten eines internationalen Forschungsprojekts, das Zellmaterial
gefährdeter Tierarten in einem „Frozen Zoo“ auf Eis legt. [1][Eine dieser
extrem bedrohten Arten ist das Nördliche Breitmaulnashorn]. Von ihnen leben
nur noch zwei weibliche Tiere. Mit dem gesicherten Zellmaterial könnte, mit
einem anderen Nashorn als Leihmutter, eine neue Generation
Breitmaulnashörner entstehen – wenn es denn eines Tages ausreichend
Lebensraum und Schutz vor Wilderern für diese von Menschen ausgerottete
Spezies gäbe.
Aber ohne ein sogenanntes Referenzgenom berge die Nachzucht Risiken, sagt
Björn Brändl, der als Biologe in Müllers Team mitarbeitet. „Es geht dabei
auch um die Frage, welche Teile des Genoms tatsächlich abgelesen werden und
welche inaktiv sind.“
## Es ist eine Fleißarbeit
Um zu wissen, was im Organismus passiert, brauchte es also neben dem Genom
einen Plan der sogenannten Methylgruppen, die eben die genetischen Prozesse
„ausschalten“. Den herauszufinden, ist eine Fleißarbeit. Das benötigt viel
Rechenzeit und spezielle Geräte. Eine KI könne [2][bei dieser Puzzlearbeit
bisher kaum helfen], sagen Brändl und seine Kolleg:innen Christian
Rohrandt und Anika Riksted.
Das Referenzgenom, das am Ende eines solchen Prozesses steht, dient als
Blaupause, mit dem Stammzellen verglichen und etwaige Fehler bei der
Reproduktion vermieden werden können. Doch das kostet Geld und passiert
daher nur, wenn es wissenschaftliche oder wirtschaftliche Gründe gibt: „Am
besten erforscht sind Tomaten und Lachse“, sagt Müller.
## Forschung am Nashorn-Erbgut anfangs ein „Spaßprojekt“
Die Forschung am Nashorn-Erbgut sei anfangs eine Art „Spaßprojekt“ gewesen,
berichtet Björn Brändl. „Aber es hat sich ausgeweitet, weil wir bei der
Arbeit auf neue Fragen gestoßen sind und neue Techniken zur Lösung
entwickelt habe.“
Erschwert wurde die Arbeit auch dadurch, dass es sowohl technisch als auch
rechtlich schwierig ist, Stammzellen zu verschicken. Daher sei er
schließlich selbst in die USA gereist, um mit den dort gelagerten
DNA-Proben zu arbeiten, berichtet Brändl. Die Zellen konnte er in einem
kleinen Gerät, etwa so groß wie ein Speicherstick, untersuchen. Das größere
Gerät steht im Kieler Labor.
Dank der neu erworbenen Expertise mit Methylierungsmustern stieg
Franz-Josef Müller [3][in eine aktuelle Studie zur Behandlung von
Depressionen] ein. An dem Forschungsverbund sind die Universitätskliniken
in Hannover, Kiel, Greifswald, Würzburg und Frankfurt am Main
[4][beteiligt]. Gemeinsam wollen sie eine personalisierte
Depressionstherapie entwickeln, um Betroffenen passgenaue Hilfe anbieten zu
können.
Studienleiter Helge Frieling, Professor an der Klinik für Psychiatrie,
Sozialpsychiatrie und Psychotherapie in Hannover, sieht gute Chancen in
einem Biomarker, der darauf hinweist, ob Patient:innen auf
Antidepressiva ansprechen oder nicht.
## Aufschluss über die Wirksamkeit des Medikaments
Bisher lässt sich das nur durch „Versuch und Irrtum“ herausfinden. Künftig
könnte ein Test zeigen, ob ein entsprechender Gen-Abschnitt aktiv oder
inaktiv ist. Das wiederum gibt Aufschluss über die Wirksamkeit des
Medikaments. Personen, deren Körperchemie nicht zur Behandlung passt,
„können wir mit alternativen Methoden wie intensivierter Psychotherapie
oder Stimulationsverfahren behandeln“, so Helge Frieling in einer
Pressemitteilung. „So ersparen sie sich [5][langwierige
Behandlungsversuche] mit nebenwirkungsreichen Medikamenten.“
An jedem Standort wird eine Gruppe von Patient:innen in die Studie
eingeschlossen. Neben den Zell-Untersuchungen geht es auch um Verhalten und
den körperlichen Zustand. Dabei sei ein Merkmal auffallend, sagt
Franz-Josef Müller: Wer unter Schlafapnoe leidet, also ungleichmäßig
schläft, weil die Luft wegbleibt, habe ein deutlich erhöhtes Risiko, an
einer Depression zu erkranken. „Das sollte künftig bei der Behandlung
beachtet werden“, wünscht sich Müller.
10 Aug 2025
## LINKS
[1] /Noerdliches-Breitmaulnashorn/!6094299
[2] /Kuenstliche-Intelligenz-in-der-Medizin/!6081229
[3] /Schaerfere-Gesetze-fuer-psychisch-Kranke/!6092865
[4] https://zip.uksh.de/Wissenschaft/Kiel/Klinik+f%C3%BCr+Psychiatrie+und+Psych…
[5] https://www.mhh.de/presse-news/mit-personalisierter-medizin-gegen-depressio…
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Depression
Forschung
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Depression
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