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# taz.de -- Oberbürgermeister in Frankfurt (Oder): Frankfurt oder AfD?
> Nach dem Wechsel von René Wilke ins Innenministerium wird in Frankfurt
> (Oder) ein neuer OB gewählt. Auch der Unabhängige Axel Strasser
> kandidiert.
Bild: Will Brücken nach Polen schlagen: Axel Strasser
Frankfurt (Oder) taz | Natürlich hat Axel Strasser überlegt, ob er
überhaupt eine Chance hat. Inzwischen ist er davon aber überzeugt. „Es ist
kein Nachteil, als unabhängiger Kandidat anzutreten“, sagt er. „Politik
sollte lösungsorientiert und frei von starren Ideologien sein.“ Ein
Parteiprogramm sei da eher hinderlich, meint der 48-Jährige.
Axel Strasser ist promovierter Politologe und Referent für
Unternehmensnachfolge bei der Industrie- und Handelskammer (IHK)
Ostbrandenburg. Seit fünf Jahren lebt er in Frankfurt (Oder), er spricht
Polnisch, seine Partnerin betreibt in Słubice eine Anwaltskanzlei. Nun will
[1][Strasser Oberbürgermeister] werden und die Nachfolge von René Wilke
antreten, der im Mai vom Rathaus in der Oderstadt ins Innenministerium nach
Potsdam gewechselt ist.
Vielleicht erweist sich die parteipolitische Unabhängigkeit, die Strasser
als „Freiheit“ und „Stärke“ verkauft, sogar als Vorteil in einer Zeit,…
der etablierte Parteien zunehmend an Wählergunst und Vertrauen verlieren.
Auch Wilke war zuletzt parteilos, nachdem er 2024 aus der Linkspartei
ausgetreten war.
Seiner Popularität hat das nicht geschadet. Vor seiner überraschenden
Berufung durch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte bereits die
Frankfurter CDU angekündigt, Wilke bei der ursprünglich für 2026
angesetzten OB-Wahl zu unterstützen.
Selbst die AfD hatte mit dem Gedanken gespielt, keinen eigenen Kandidaten
aufzustellen. Wilke war seit seiner Wahl zum OB 2018 eine Art
überparteilicher Stadtvater geworden, einer, von dem fast alle sagen, er
habe etwas bewegt für Frankfurt.
## Große Fußstapfen
Axel Strasser weiß, wie groß die Fußstapfen sind, die René Wilke
hinterlassen hat. „Die Menschen wussten, was sie an ihm haben“, sagt er.
„Seine Bürgernähe, seine Präsenz, seine moderierende Art haben viele
überzeugt.“
Aber auch Strasser nimmt für sich in Anspruch, jederzeit ansprechbar zu
sein, transparente Entscheidungen zu treffen und Konflikten nicht aus dem
Weg zu gehen, sondern sie moderierend lösen zu wollen. „Ich hatte die
Befürchtung, dass die Bürgernähe, die die Menschen an Wilke geschätzt
haben, verloren geht“, nennt er beim Gespräch im [2][Coworking-Café Blok O]
als Grund, warum er seinen Hut in den Ring geworfen hat.
Am 21. September können rund 50.000 Wahlberechtigte in Frankfurt ihr Kreuz
machen. Neben Strasser steht die Vorsitzende der
Stadtverordnetenversammlung, die CDU-Politikerin Désirée Schrade, zur Wahl.
Für sie hat René Wilke bereits eine Wahlempfehlung ausgesprochen.
Für die SPD geht die ehemalige Bundestagsabgeordnete Simona Koß ins Rennen.
Die ehrenamtliche Bürgermeisterin von Prötzel im Landkreis
Märkisch-Oderland wird auch von der Frankfurter Linkspartei unterstützt.
Und dann ist da noch Wilko Möller. Der AfD-Mann und ehemalige Polizist
hatte schon bei der OB-Wahl vor sieben Jahren kandidiert. Mit damals 17
Prozent war er nicht einmal in die Stichwahl gekommen. Diese hatte am Ende
René Wilke mit 62,5 Prozent gegen einen Einzelbewerber für sich
entschieden.
Bei den Landtagswahlen 2019 war der in Hannover geborene Möller dann als
Direktkandidat in den Potsdamer Landtag eingezogen. Sein Mandat konnte er
2024 mit 33,6 Prozent der Erststimmen verteidigen. Bei der Bundestagswahl
im Februar 2025 erreichte der AfD-Kandidat Rainer Galla 38,2 Prozent der
Erststimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 79,7 Prozent.
Sollte Wilko Möller am 21. September die absolute Mehrheit bekommen oder
bei der für den 12. Oktober angesetzten Stichwahl als Sieger hervorgehen,
hätte die AfD ihren ersten OB-Sessel in Deutschland erobert.
## Viadrina warnt vor AfD
Frankfurt, die Grenzstadt zu Polen in den Händen der Rechtsextremen?
Für den Präsidenten der Europa-Universität Viadrina, Eduard Mühle, wäre das
keine schöne Vorstellung. „Die Viadrina steht für Offenheit,
Europaorientierung, Vielfalt. Ein weiterer Rechtsruck würde sich zweifellos
negativ auf unsere Attraktivität auswirken“, sagte Mühle vor kurzem [3][der
Märkischen Oderzeitung].
Es ist ein Satz, dem sich auch Axel Strasser anschließen kann. Doch lieber
redet er über die Chancen von Frankfurt als über das, was seiner Stadt
drohen könnte, wenn sie von einem AfD-OB regiert würde.
Für diese Chancen steht das Blok O, das Strasser für das Gespräch
vorgeschlagen hat. „Meine Stärke ist das Netzwerken“, sagt er und verweist
auf die [4][„Casual Fridays“, ein Format der IHK], das Unternehmen,
Existenzgründer und wirtschaftsfördernde Partner zusammenbringt.
Für Strasser, der seinen Wahlkampf mit dem Slogan „Wirtschaft zuerst“
gestartet hat, ist das unter anderem von der Sparda-Bank betriebene Blok O
ein Ort des Gründens. „In Frankfurt wird viel gegründet“, sagt Strasser u…
nennt als einen der Faktoren die Viadrina. „Aber viele Gründungsideen
wandern schnell ab, zum Beispiel nach Berlin.“
Als einen Grund für diesen Brain-Drain hat Strasser, der in Ostberlin
geboren wurde und über Punks und Protestformen in Polen und der DDR in den
achtziger Jahren promoviert hat, das ausgemacht, was er den 180-Grad-Blick
nennt. „Viele Unternehmer sagen mir, dass ihr Radius wegen der Grenze nur
ein halber ist.“
Axel Strasser will aus diesem halben Radius einen ganzen machen, einen, der
auch nach Polen reicht. „Auf der polnischen Seite haben wir eine rasante
wirtschaftliche Entwicklung, es gibt Wachstum und Innovation“, ist er
überzeugt. „Diese Chance sollte man sich als Frankfurt, wo 4.000 Polinnen
und Polen leben, nicht vergeben.“
Wirtschaftlich hatte Frankfurt zuletzt immer wieder mit Rückschlägen zu
kämpfen. Vor zwei Wochen war bekannt geworden, [5][dass der Chiphersteller
FMC sein neues Werk bei Magdeburg bauen will.] Bis zuletzt war Frankfurt,
das mit dem Institut für Halbleiterphysik auf eine wichtige
Forschungseinrichtung verweisen kann, im Rennen gewesen. Auch beim
Zukunftszentrum des Bundes hatte Frankfurt nur knapp gegen Halle (Saale)
den Kürzeren gezogen.
Anders als die im [6][Hanse Club] organisierte Wirtschaftslobby der Stadt
setzt Strasser aber nicht auf die eine große Ansiedlung. Er will vielmehr
kleine und mittlere Unternehmen untersützen.
Ganz auf Sicherheit dagegen setzt AfD-Kandidat Möller. Auf seinen
Wahlplakaten steht: „Sicherheit gehört in Profihände“. Auch wenn sich vie…
in Frankfurt sich, in welcher Profession Möller „Profi'“ sei, spricht er
damit ein Thema an, das in Frankfurt bei vielen ganz oben rangiert.
Im April hat die Polizei die Grenzstadt nach einem Anstieg der Straftaten
um 10 Prozent zum „kriminalitätsbelasteten Ort“ erklärt. „Frankfurt (Od…
krimineller als Berlin“, [7][titelte daraufhin die B.Z.] und verwies auf
17.624 Straftaten je 100.000 Einwohner im Jahr 2024. Berlin war dagegen nur
auf 14.719 Straftaten gekommen.
Auch wenn man die ausländerrechtlichen Verstöße, die an der Grenze stärker
zu Buche schlagen, abzieht, liegt Frankfurt, zumindest im Brandenburger
Vergleich, ganz vorn. „Das Sicherheitsgefühl in der Stadt hat sich
verschlechtert“, hatte René Wilke damals gesagt und vom Land eine
Waffenverbotszone und öffentliche Video-Überwachung wie in Cottbus
gefordert. Doch Potsdam hatte abgelehnt.
Axel Strasser weiß um die Problematik und scheut deshalb auch nicht klare
Worte. „Es gibt ein Unsicherheitsgefühl in der Stadt“ sagt er. „Vor allem
junge Frauen schildern mir immer wieder, dass sie Angst haben, abends
alleine auf die Straße zu gehen.“
Welche Chancen sich Strasser ausrechnet, in die Stichwahl zu kommen, kann
er nicht sagen. Umfragen gibt es nicht für eine OB-Wahl. Eines aber weiß
er. „Wenn ich es nicht in die Stichwahl schaffe, würde ich meine
Wählerinnen und Wähler auffordern, die Kandidatin zu wählen, die gegen die
AfD antritt.“
Denn dass Wilko Möller diesmal in die zweite Runde kommt, bezweifelt in
Frankfurt kaum einer. Manch einer fürchtet sogar, dass es gar keine
Stichwahl gibt.
Das hängt auch von der Wahlbeteiligung ab. Auch da sieht Axel Strasser
seine „Freiheit“ als Chance. „Vielleicht gehen ja Leute zur Wahl, weil sie
auf den, der keiner Partei angehört, neugierig geworden sind.“
7 Aug 2025
## LINKS
[1] https://www.axel-strasser.de/
[2] https://blok-o.de/
[3] https://www.moz.de/lokales/frankfurt-oder/uni-in-frankfurt-oder-viadrina-pr…
[4] https://www.ihk.de/ostbrandenburg/zielgruppeneinstieg-gruender/casualfriday…
[5] https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2025/07/brandenburg-frankfurt-oder-…
[6] https://www.hanseclub-ffo.de/
[7] https://www.bz-berlin.de/brandenburg/kriminalitaet-atlas-brandenburg
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Brandenburg
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Polen
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Rechtsextremismus
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